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Wege aus der Sechzig-Krise: Muss der Löwe auf die Couch?

Am Samstag beim MSV Duisburg nimmt Sechzig den nächsten Anlauf, um die tiefe Krise zu überwinden. Trainer Jacobacci versucht noch selbst, die Wende hinzubekommen. Holt er sich andernfalls Hilfe?


Das richtige Maß an Lob und Tadel: Trifft Maurizio Jacobacci diesmal den richtigen Ton für die Trendwende?

Das richtige Maß an Lob und Tadel: Trifft Maurizio Jacobacci diesmal den richtigen Ton für die Trendwende?

Von Ruben Stark

München - Es ist für einen Trainer immer eine heikle Mission, wenn er in einer recht späten Phase der Saison zu einer Mannschaft stößt - besonders wenn diese Mannschaft hohe Ziele hatte und nun hochgradig verunsichert ist.

Das Umfeld erwartet einen schnellen Impuls, ein spürbares Signal, den berühmten Ruck, der durchs Team geht.

Das ist oft leichter gesagt als getan. Manchmal ist es nämlich so, dass der neue Trainer erst vor Ort erkennt, wie umfangreich die Probleme sind und dass es mehr braucht als nur ein bisschen Hand auflegen und Seele streicheln, dass der schnelle Impuls, das Signal, der Ruck nicht einfach irgendwo in einer Schublade liegt, deren Schlüssel verschütt gegangen war.

Maurizio Jacobacci wirkt gerade, als habe er erkannt, dass diese Mammutaufgabe beim TSV 1860, der er sich gestellt hat, noch größer ist als er vermutet hatte. Herkulesk geradezu. Er kannte ja die Kabinenatmosphäre vorher nicht und die Kaderharmonie.

Jacobacci hofft nun, in einer Art Crashkurs die schlummernden Erfolgsgeister zu wecken. Der Italo-Schweizer versucht, den Löwen zu vermitteln, welche Qualität sie doch eigentlich besitzen. Den kommenden Gegner MSV Duisburg, den schlug Sechzig in der Hinrunde deutlich mit 4:1, mit einer bestechend guten Flügelzange Albion Vrenezi und Joseph Boyamba sowie dem wuchtigen Stoßstürmer Fynn Lakenmacher.

"Ich gebe ihnen Zuspruch", sagt der 60-Jährige - und zudem: "Ich finde wichtig, korrekt miteinander umzugehen und Dinge anzusprechen. Aus den guten Sachen muss man auch etwas machen, nur auf den schlechten herumzukritisieren bringt ja auch nichts."

Es geht ihm also um das richtige Maß, mit dem er den hemmenden Flüsterton der Verzagtheit aus dem Unterbewusstein treiben möchte. "Im Moment versuchen wir es miteinander so in die Wege zu leiten, dass es positiv wird", beschreibt Jacobacci.

Wenn das aber nicht stante pede gelingt, was dann? Muss der Löwe dann sprichtwörtlich auf die Couch? Wäre ein externer Sportpsychologe die Lösung? "Schaden könnte es nicht, wenn er gut ist. Wenn wir denken, dass es so etwas braucht, dann wieso nicht?", zeigt sich Jacobacci offen.

Einen Mentaltrainer gab es bei Sechzig schon einmal, das wäre also kein Novum. Aber vielleicht bekommt Jacobacci mit seinen Maßnahmen auch so die Kurve. Er hat jedenfalls schon Spieler auserkoren mit Fähigkeiten, die aus seiner Sicht hilfreich sind. Yannick Deichmann ist so einer. Jacobacci bezeichnet ihn als "Aggressiv-Leader", das sei eine wichtige Rolle. Und so ist davon auszugehen, dass der Hamburger in den nächsten Wochen eine zentrale Größe des Teams werden soll. In Duisburg dürfte Deichmann als Rechtsverteidiger auflaufen, nachdem er zuletzt im Mittelfeld spielte.

"Ich werde ihn jetzt dort einsetzen, wo er der Mannschaft etwas bringt", sagte der 1860-Coach: "Es ist nicht einfach zu switchen, da braucht es eine gewisse Flexibilität, die er hat. Man will nicht auf ihn verzichten."

Zudem setzt Jacobacci sehr wahrscheinlich auf jugendlichen Elan in Person von Marius Wörl. Der 18-Jährige sollte zuletzt die Löwen-U19 zum Bundesliga-Klassenverbleib führen - das gelang. Nun ist er wieder fest bei den Profis eingeplant. "Die Unbekümmertheit, die er reinbringen kann", beschreibt Jacobacci, "ist sicher ein sehr wichtiges Element. Aber er kann auch Fußball spielen und bringt Aggressivität mit, Kampfbereitschaft."

Deichmann und Wörl, zwei, die gewiss keine Couch brauchen. Bringen sie auch den Ruck ins Team?