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AZ-Kommentar: Jacobacci hat eine faire Chance verdient
27. Februar 2023, 17:58 Uhr aktualisiert am 27. Februar 2023, 17:58 Uhr
Nur noch mal zur Erinnerung, weil das in diesen letzten turbulenten Wochen vielleicht etwas unterging: Die Trennung von Michael Köllner war richtig. Es gab zahlreiche Brandherde, es war kein singulär sportliches Problem. Einzig der Zeitpunkt war zu spät und das eigentliche Desaster: der Umgang mit der Demission.
Sportchef Günther Gorenzel trägt daran eine gehörige Verantwortung, auch wenn er als Interimstrainer nicht alles falsch gemacht hat. Auf dem Platz war er zwar zu keiner Zeit imstande, die erhoffte Stabilität herzustellen, aber er hat etwa die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Mannschaft sich untereinander wieder angenähert hat. Das kann wertvoll sein und ist für Maurizio Jacobacci eine Grundlage, mit der er arbeiten kann.
Über das Zustandekommen der Verpflichtung des Routiniers lassen sich wahrscheinlich Bücher verfassen, der TSV 1860 hat dabei in vielerlei Hinsicht ein unrühmliches Bild abgegeben. 27 Tage zwischen der Beurlaubung des einen und der Anstellung des nächsten Trainers sind rekordverdächtig - rekordverdächtig peinlich. Es ist viel zu viel Zeit verstrichen. Aber Jacobacci hat diese Umstände akzeptiert und die Mammutaufgabe angenommen.
Die Vita des 60-Jährigen ruft freilich Skepsis hervor, er trägt das Stigma eines Wandervogels. Zugleich jedoch präsentierte er sich eloquent, aufgeschlossen, realistisch - und mit einem Schuss Demut. Das kann für die Löwen nur von Vorteil sein. Sollte Jacobacci es schaffen, seine Grundprinzipien so überzeugend an die Mannschaft heranzutragen, dass sie bereit ist, voll mitzuziehen, dann kann diese Liaison tatsächlich funktionieren. Eine faire Chance hat Jacobacci in jedem Falle verdient.