Auslandstagebuch
Simon Kunert ist als Nachwuchsjournalist auf Welttournee
5. Juni 2015, 10:16 Uhr aktualisiert am 5. Juni 2015, 10:16 Uhr
Nach seinem Volontariat beim Rottenburger Anzeiger absolvierte Simon Kunert ein dreimonatiges Praktikum bei der deutschsprachigen Allgemeinen Zeitung in Namibia. Seitdem ist er als Backpacker auf der Suche nach spannenden Geschichten und Abenteuern in Südafrika und Südamerika unterwegs. In seinem Auslandstagebuch erzählt er davon.
Um euch auf dem Laufenden zu halten, wird Simon regelmäßig Tagebuch führen und von seinen Erlebnissen berichten.
Fazit: Simon Kunert ist wieder daheim - so war seine Weltreise
Das Reisen an sich war für mich deutlich unkomplizierter als gedacht. In der heutigen Zeit kann man sich im Internet in Windeseile über Touren, Hostels und Busse informieren. Flüge sind im Handumdrehen gebucht. Auch der Geldtransfer und der Kontakt nach Hause sind ein Kinderspiel. Dazu kommt, dass andere Reisende, Einheimische und Hostelmitarbeiter äußerst hilfsbereit sind. Meistens habe ich mir allein dadurch einen guten Überblick verschafft.
Außerdem hilft es, deutscher Staatsbürger zu sein. Ich musste in keinem Land ein Visum beantragen und schon gar nicht dafür bezahlen. Ein deutscher Reisepass ist Eintrittskarte in fast jedes Land - zumindest für 30 Tage. Überhaupt ist man als Deutscher im Ausland hoch angesehen. Ausländer schätzen unsere Pünktlichkeit, unsere Verlässlichkeit. Sie staunen über unsere Wirtschaftskraft und unsere Infrastruktur. "German Engineering" ist auf der ganzen Welt ein Faustpfand. Bosch Autoservices finden sich auch in entlegenen Gegenden an jeder Ecke. Landungsbrücken an Flughäfen kommen von Thyssen-Krupp. Wer etwas auf sich hält, fährt auch im Ausland ein deutsches Auto. Natürlich wurde ich auch mit den stereotypen Bildern über Deutschland konfrontiert: Deutsches Bier, der Holocaust und Adolf Hitler sind in der Welt bekannt. Man sollte sich davor nicht verschließen. Diese Themen können Einstieg in ein gutes Gespräch sein.
Ist man nicht gerade in Argentinien und spricht über Fußball, begegnen einem Einheimische außerordentlich wohlwollend. Ganz im Gegensatz zu deutschen Mitreisenden. Nach meinen Erfahrungen sind sie und Franzosen die anstrengendsten Reisegefährten. Da gibt es immer ein Bett, das knarzt, ein Essen, das versalzen ist, oder ein Mietauto, das die falsche Farbe hat. Wir Mitteleuropäer sind äußerst anspruchsvoll und da ist es egal ob man gerade eine Wüste durchquert oder durch den Urwald streift. Spricht man mit anderen Backpackern über deutsche Reisende, von denen es zuhauf gibt, so fällt auf, dass sie diese Pingeligkeit und unsere fehlende Spontanität mitunter nerven. Einige sagten mir: "Ihr Deutschen reist, wie ihr arbeitet." Ich fürchte, da ist etwas dran. Viele deutsche Reisende haben einen festen Reiseplan, einige sogar vorgefertigte Tagesabläufe. Dieser Plan muss erfüllt werden. Herausforderungen oder Änderungen? Unerwünscht! Das macht es in Ländern, in denen es mit der Pünktlichkeit nicht so genau geht anstrengend.
Ich möchte mich von dieser Kritik nicht ausnehmen. Auch bei mir gab es Tage, an denen ich über schlechte Internetverbindung, Toiletten ohne Klobrille oder kalte Duschen geflucht habe. Tage, an denen mich der Smalltalk mit anderen Reisenden genervt hat. Das Schöne am Reisen ist jedoch, dass man niemandem Rechenschaft schuldig ist. Gefiel mir ein Ort nicht, zog ich weiter und nahm mir ein paar Tage Auszeit. Dann wollte ich niemanden kennenlernen und habe nichts unternommen. Das half mir, das Erlebte zu verarbeiten. Ansonsten läuft man Gefahr, durch die vielen Eindrücke erschlagen zu werden.
Mein Reisefazit fällt rundum positiv aus. Bis auf die Schießerei in Johannesburg habe ich nichts Schlimmes erlebt. Ich wurde weder beraubt noch überfallen. Vielmehr habe ich unglaubliche Landschaften gesehen und tolle Menschen kennengelernt. Mit einigen von ihnen sind echte Freundschaften entstanden. Mein Terminplan mit Einladungen in ihre Länder ist schon jetzt voll. Denn eines ist klar: Es war sicher nicht meine letzte lange Reise.
Eintrag 12: Faschingswahnsinn und Traumstrände in Kolumbien (7. März 2016)
Im Bus über die kolumbianische Grenze nach Pasto lernte ich Maike und Luisa aus Deutschland kennen. Schon im Vorfeld hatten wir vom verrückten "Carnaval de Blancos y Negros" gehört. Doch was wir dort erlebten, entbehrte jeder Vorstellung. Der Fasching in Pasto wird seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts groß gefeiert. Hintergrund ist die Gleichheit von schwarzen und weißen Menschen. Der fünfte Januar ist deshalb den Blancos, also den Schwarzen gewidmet. Rund 700000 Narren versammeln sich auf den großen Plätzen der Stadt und versuchen sich so gut es geht, gegenseitig schwarz einzufärben. Dabei ist jedes Mittel recht: Ruß, Asche und Lebensmittelfarbe. Dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Vor allem die Gringos - also die Touristen - sind dabei willkommene Ziele. Da wir nicht wussten, was auf uns zukommt, waren wir an Tag eins schlecht ausgerüstet und so brauchten wir rund eine Stunde, bis wir das eklige Farbgemisch aus Ohren, Nase und Haaren bekamen.
Am zweiten Tag - dem Tag der Weißen - rüsteten wir uns mit Schutzponchos, Brillen, Mehl und einer Sprühflasche mit weißem Rasierschaum aus. Damit konnten wir uns auf den Straßenschlachten endlich wehren und hatten den Faschingsspaß unseres Lebens. Zum krönenden Abschluss des Karnevals - dem großen Umzug - besorgte ich mir eine Presseakreditierung, um die beindruckenden Fußgruppen und Wägen aus nächster Nähe fotografieren zu können. 78 Fußgruppen und 25 Wägen machten den Umzug zu einem riesen Spektakel, dass von zwei Fernsehstationen live ins ganze Land übertragen wurde.
Nach Pasto brauchte ich erst einmal eine Pause und ließ es in Cali ruhiger angehen. Dabei half mir der Spanier Manuel, den ich wiederum im Bus kennengelernt hatte. Seine Familie besitzt im reichen Stadtteil Calis einen ganzen Straßenzug und er quartierte mich kostenlos im Hostel eines Freundes ein. Abends war ich in seiner Kellerbar zu Gast und versuchte mich am Salsatanzen.
Auf Manuels Tipp hin fuhr ich anschließend nach Salento. Das Bergdorf ist für seinen Kaffee und das Valle del Cocora bekannt. Das Tal sieht mit seinen Bächen, Kuhweiden und Wanderpfaden auf den ersten Blick wie ein Alpental aus. Nach einer Stunde Wanderung jedoch, wandelt sich das Bild: bis zu 60 Meter hohe Ölpalmen und dichte Vegetation sorgen urplötzlich für Urwaldatmosphäre. An jeder Ecke wachsen Orchideen, Bromelien und Kakaobäume. Die tausenden an Blüten bieten nicht nur einen tollen Anblick, sondern auch Nahrung und Unterschlupf für eine der kleinsten Vogelarten der Welt: die Kolibris. In den Wäldern um Salento tummeln sich fast alle Arten, die es in Kolumbien gibt.
In Medellin stellte ich fest, dass auch die Vorteile gegenüber Kolumbien nicht stimmen. Nach der Ermordung Pablo Escobars wurde mit den Drogenkartellen kräftig aufgeräumt und Kolumbien ist heute nicht gefährlicher als andere Länder Südamerikas. Ausnahme sind einige Dschungelregionen im Südosten in denen sich bis heute die Guerillakämpfer der FARC verschanzt halten. Hält man davon Abstand, sollte einem großartigen Urlaub im vielleicht beeindruckendsten Land Südamerikas nichts im Wege stehen.
Nicht fehlen darf dabei die Seenlandschaft von Guatapé. Der künstlich angelegte Peñol-Stausee bietet von einem 200 Meter hohen Felsen ein überwältigendes Panorama. Nach Guatapé ist Cartagena ein Muss - die schönste Stadt Kolumbiens. Am strahlend weißen Playa Blanca mit seinem azurblauen Wasser verbrachte ich eine Nacht in einer Hängematte und schwamm zu Mitternacht in fluoreszierendem Planktonwasser.
Nicht minder schön war es im Costeño Beach Surf Camp, das mir ein Freund empfohlen hatte. Die Ecolodge liegt zwischen Palomino und dem Tayrona Nationalpark an der Karibikküste. Da das Gebiet wegen des umgebenden Urwalds schwer zugänglich ist, teilen sich die rund 60 Gäste der zwei Lodges acht Kilometer weißen Strand. Auf meiner Reise habe ich selten so eine Freiheit und Ausgelassenheit erlebt wie dort: Der Tagesablauf wird im Wesentlichen vom Surfen, einer Slackline, einem Volleyballfeld und Gesprächen mit anderen Gästen bestimmt. Wer Lust auf einen Ausflug hat, kann mit dem uralten Jeep des Hostelbesitzers zu einem Wasserfall im Urwald fahren und mit einem Sprung ins Wasser seine Höhenangst überwinden. Ansonsten stehen Lagerfeuermusik und das unbeschwerte Strandleben im Vordergrund. Geschlafen wird in Hängematten. Da es keine Restaurants oder Supermärkte gibt, essen alle Gäste zusammen. Handyempfang oder Internet? Fehlanzeige! Statt der geplanten drei Nächte, blieb ich am Ende sieben.
Das einzige, was mich überhaupt dazu bewog Costeño zu verlassen, war die Vorfreude auf San Gil. Der Ort zwischen der Karibikküste und Bogota ist bekannt als Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Dort wollte ich unbedingt das Rafting nachholen, das ich auf meiner Reise bisher immer ausgespart hatte. Ich wurde nicht enttäuscht, denn der reißende Rio Suarez schüttelte mich und meine Gruppe ordentlich durch und brachte unser Boot an die Grenze der Belastbarkeit. Dem Kentern entgingen wir einige Male nur durch Glück.
Den Abschluss meiner Reise stellte Bogota dar. Dabei hatte ich das Glück mit Stephania, einer Kolumbianerin, die ich im Surfcamp getroffen hatte, eine perfekte Reiseführerin zu haben. Sie zeigte mir die gefährliche Innenstadt, das Botero-Museum, den Hausberg Bogotas und die unterirdische Salzkathedrale von Zipaquirá. Anfang Februar ging es über Madrid für mich dann wieder nach Hause. Am Flughafen München wurde ich von meiner Familie in Empfang genommen und genoss meine erste Leberkäsesemmel nach acht Monaten.
Eintrag 11: Silvester am Strand (7. März 2016)
Von Lima ging es per Flugzeug in Ecuadors Hauptstadt Quito. Dort wurde ich von einer aufgeräumten schmucken Kolonialstadt überrascht, die einen geregelten Straßenverkehr und eine gute Infrastruktur hat. Die Vorurteile gegenüber eines Dritte-Welt-Landes bestätigten sich überhaupt nicht. Seitdem Ecuador Anfang der 2000er den US-Dollar als feste Währung übernommen hat, entwickelt sich das Land - auch aufgrund der Ölvorkommen - stetig. Von der stickigen, dreckigen und hektischen Atmosphäre Limas war hier überhaupt nichts zu spüren.
Nach drei Tagen machte ich mich auf an die Küste. In Canoa - einem kleinen Touristenort an der Pazifikküste - suchte ich mir ein günstiges Hostel, lieh mir ein Surfboard aus und verbrachte den Tag auf dem Wasser. Zusammen mit einem ungarischen Zahnarzt, den ich im Hostel kennengelernt hatte, erwischte ich einige gute Wellen. Am Abend genossen wir die hippe Atmosphäre Canoas. Wir hatten schon die Planungen für die Silvesternacht begonnen, als ich Ali, einen Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Quito, Heather, eine amerikanische Studentin, und Cindy, eine Marketingangestellte aus Venezuela, traf. Die drei luden mich ein, sie auf ihrem Roadtrip der Küste entlang zu begleiten und ich überlegte nicht lange.
Mit Alis Nissan Pathfinder fuhren wir gen Norden und kamen schließlich in Mompiche an. Ali war vorher schon einmal dort gewesen, kannte viele Einheimische und ein gutes Hostel. Mompiche ist ein verschlafenes kleines Fischerdorf, in das sich nur wenige ausländische Touristen verirren. Bis auf ein gemütliches Cafe, eine Hähnchenbude und endlos lange Sandstrände hat es nicht viel zu bieten - und gerade deshalb war es perfekt, um hier Silvester zu feiern. Zu Mitternacht in Badehose unter warmen Nieselregen am Strand zu tanzen, ist schlichtweg unschlagbar. Nach einem Tag Erholung fuhren wir zurück nach Quito. Meine spontane Entscheidung, die drei zu begleiten, war nicht nur wegen der kostenlosen Mitfahrgelegenheit perfekt. Auch die Gespräche mit Ali über seine Tätigkeit als Diplomat waren großartig. Auf der Straße erzählte er von seinen Erlebnissen in Afghanistan, Ghana und Ecuador und den Vorteilen des Diplomatenstatus.
Eintrag 10: Panetón und Chinaböller - Weihnachten in Peru (29. Januar 2016)
Füllen sich die Regale der Läden mit Panetón, beginnt in Peru die heiße Vorweihnachtszeit. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Zu Weihnachten herrscht Sommer in Südamerika. An Perus Küste bedeutet das Temperaturen um die 30 Grad, im Inland Regenzeit. Zwar mildert das Wetterphänomen "El Niño" die Hitze dieses Jahr ab, nach Glühwein oder Punsch ist den Peruanern dennoch nicht zumute. Sie bevorzugen kurze Hosen, Eis und erfrischende Säfte. So verbrachte auch ich Weihnachten im Kreise von Rauls Familie.
Die Vorbereitungen auf den Heilig Abend begannen schon am 8. Dezember, dem Feiertag zu Mariä Empfängnis. Zum Mittelpunkt von Rauls Wohnsiedlung wurden ab dann die "Nacimientos", die Krippen. In mühevoller Kleinarbeit wurden Häuschen gezimmert, Landschaften drapiert und selbstgeschnitzte Figuren aufgestellt. Wichtig dabei: Das Jesuskind muss fehlen. Es kommt erst in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember dazu.
Ansonsten hält sich die Weihnachtsdeko bei traditionellen Peruanern eigentlich in Grenzen. Durch äußere Einflüsse werden jedoch zunehmend auch Bräuche des europäischen und amerikanischen Weihnachtskommerzes angenommen. Die kunstvollen "Nacimientos" drohen mehr und mehr von buntflackernden Lichterketten, überdimensionalen Weihnachtsmännern und Plastiktannenbäumen verdrängt zu werden. Auch die Bescherung - eigentlich keine peruanische Tradition - ist bei vielen Familien ein Bestandteil des Festes geworden. Die Geschäfte und hochmodernen Einkaufsmeilen in den großen Städten Arequipa, Lima und Cusco haben sich darauf eingestellt. Sie bieten bis spät in die Nacht des 24. Dezember Geschenke an. Straßen und Einkaufsmeilen sind an dem Tag deshalb das reinste Chaos. Nicht wenige verschulden sich heillos, um der Familie ein angemessenes Fest nach europäischem Standard bescheren zu können. Wir erledigten unsere Weihnachtseinkäufe deshalb schon vorher und ließen es an Heilig Abend gemächlich angehen.
Denn wie in Deutschland ist Weihnachten in Peru das Familienfest schlechthin. Es ist der Anlass, an dem sich die Großfamilien versammeln, zusammen spielen und bei sommerlichen Temperaturen Spaziergänge unternehmen. So auch bei Rauls Familie. Wir alle trafen uns bei seinen Großeltern, die in einer noblen Siedlung vor den Toren Limas leben. Zu Besuch waren alle Kinder und Kindeskinder. Sie kamen aus Lima, dem Süden Perus, Italien und Spanien zurück zu ihren Wurzeln. Zunächst gab es ein festliches Essen mit einem zehn Kilogramm schweren Truthahn - ausgestopft mit einem Gemisch aus Reis, Oliven, Rosinen und Erdnüssen. Als Beilage gab es Apfelmus und süßen Kartoffelsalat mit Ananas und viel Mayonnaise. Wer dann noch nicht genug hatte, dem bescherte der Panetón einen schweren Magen. Das Weizensauergebäck wurde Ende des 19. Jahrhunderts von italienischen Einwanderern mit nach Südamerika gebracht und erinnert an einen deutschen Hefezopf mit Rosinen und anderen kandierten Früchten. Dazu trinken die Peruaner heiße Schokolade.
Um zwölf Uhr wurde dann das Christuskind in die Krippe gelegt. Dies ist der Startschuss für Raketen und Böller, die anschließend durch die Straßen fliegen. Im Gegensatz zu den Deutschen verstehen die Peruaner Weihnachten nämlich alles andere als still und besinnlich. Für sie ist die Ankunft Jesu' ein freudiges Ereignis, das laut und bunt gefeiert werden muss. Das dauert meistens bis in die frühen Morgenstunden.
Eine schöne Weihnachtstradition in Peru ist auch die "Chocolatada". Reiche Bürger und Prominente spenden in der Adventszeit heiße Schokolade und Panetóne. Zusammen mit Geschenken werden sie auf der Straße oder in Parks an bedürftige Kinder verteilt. Daran nehmen auch die Fußballstars Claudio Pizarro und Paolo Guerrero regelmäßig teil.
Am Weihnachtsfeiertag heißt es für die Erwachsenen dann erst einmal ausschlafen. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt an dem die Kinder vor ihren Betten die Geschenke finden, die das Christkind über Nacht gebracht hat. Danach wird gegrillt und Zeit mit der Familie verbracht. Einen zweiten Feiertag gibt es nicht. Der 26. Dezember ist in Peru ein normaler Arbeitstag. Ab dann fiebern alle auf das Silvesterfeuerwerk hin, das wie in Deutschland das neue Jahr einläutet. Ich machte mich 27. Dezember auf nach Ecuador, um dort am Strand den Jahresübergang zu feiern. Mein nächster Eintrag wird davon berichten.
Eintrag 9: Machu Picchu und mein schlimmster Reisetag (29. Januar 2016)
Mein erster Stop in Peru war Cusco. In der ehemaligen Hauptstadt der Inka lebten während ihrer Blüte im 15. Jahrhundert circa 20.000 Menschen. Sie hatte für die Spanier deshalb besonderen strategischen Wert. Nach der Eroberung durch Francisco Pizarro wurde sie dem Erdboden gleichgemacht und die Spanier implantierten ihre eigene Architektur. Sie wollten damit ein Zeichen setzen und ihren Machtanspruch unterstreichen. Das heutige Cusco ist deshalb gekennzeichnet von schönen Kolonialbauten, Kirchen und großen Plazas.
Die Gebäude und die Lage machen die Stadt zu einem Magneten für Touristen. Sie ist Ausgangspunkt für das Erforschen der untergegangenen Hochkultur und Touren zu Machu Picchu - der sagenumwobenen Bergstadt der Inka. Viele wählen den Inka-Trail um dorthin zu gelangen. Da dieser jedoch extrem teuer ist und zugleich den Ruf hat überlaufen zu sein, entschied ich mich für den Salkantay-Trail. Dieser dauert fünf Tage und führt unter anderem über einen 4.600 Meter hohen Pass. Schon am ersten Vormittag stiegen wir mit unserem indigenen Guide Walter auf 3.100 Meter zum ersten Basecamp auf. Wie sich bald zeigen sollte, hatte ich extremes Glück mit meiner Gruppe. Sie bestand aus dem österreichischen Pärchen Petra und Markus, der Österreicherin Nora, den Kanadiern Ash und Syed , der Australierin Georgia und der Schweizerin Dominique. Wir verstanden uns allesamt auf Anhieb und bewältigten die Strapazen als Team.
Nach dem Mittagessen ging es weiter zu einem Gletschersee auf 3.800 Meter. Das Bild, das sich uns dort oben offenbarte war atemberaubend. Die grünlich schimmernde Lagune lag unterhalb einer massiven Gletscherzunge, deren Bewegungen für lautes Knarzen und gewaltiges Donnern sorgten. Das Wasser des Sees hatte circa fünf Grad. Die einmalige Gelegenheit dort oben schwimmen zu gehen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Am zweiten Tag ging es über den Pass. Vor allem für Ash und Syed war dies eine gewaltige Anstrengung, da sie vorher nie höher als das Meeresniveau von Las Vegas gestiegen waren. Es war eindrucksvoll zu sehen, wie ihre Schwierigkeiten unsere Gruppe zu einer verschworenen Einheit verschmolzen. Zusammen hievten wir uns über den Pass und stiegen ins nächste Tal ab. Dort erwartete uns Urwaldvegetation und stickige Hitze. Die Abende vertrieben wir uns in unseren Zelten ohne Internet, dafür mit Kartenspielen und ausgedehnten Gesprächen. Dem dritten und vierten Tag folgten wir dem Tal, badeten in heißen Quellen und brausten mit Ziplines über Gebirgstäler.
Das Highlight wartete jedoch am letzten Tag auf uns. Nachdem wir um 3 Uhr aufgestanden waren, machten wir uns zur berüchtigten Inkastadt Machu Picchu ("alter Gipfel”) auf. Nach 35 Minuten und 2000 Stufen war ich als dritter oben - und überwältigt vom Ausblick: Leichte Nebelschwaden und der blaue Himmel darüber setzen die majestätische, geheime Stadt der Inka ohne Touristenmassen eindrucksvoll ins Bild. Die Wasserversorgung, die Steinmetzkunst und die Terassenanlagen sind Meisterwerke der Architektur und wunderschön anzuschauen. Wie lange die Inka im 15. Jahrhundert wirklich an der Stadt in 2360 Metern Höhe gebaut haben, ist bis heute unklar. Ebenso deren Bestimmung und strategischer Wert. Einige Historiker halten sie für die heimliche Hauptstadt des Großreichs. Andere für eine Art Kloster in der Jungfrauen zu Priesterinnen ausgebildet wurden oder für den letzten, geheimen Rückzugsort der Inkakönige in Krisenzeiten. Letzteres würde zumindest erklären, warum die Spanier die Stadt nicht fanden und sie bis heute in ihrer vollen Pracht erstrahlt.
Nach Cusco blieb ich mit Petra, Nora und Markus zusammen und wir machten uns auf den Weg nach Arequipa. Dort wartete mit dem Colca Canyon eine der tiefsten Schluchten der Welt auf uns. Die zweitägige Tour durch den Canyon war nach der Schießerei in Johannesburg das schlimmste Erlebnis meiner Reise. Daran trugen weder die eindrucksvollen Flanken noch die romantische Oase unserer Nachtherberge und schon gar nicht meine Begleiter schuld. Vielmehr hatte ich mir tags zuvor am Markt in Arequipa eine Lebensmittelvergiftung eingefangen. Geplagt von Magenkrämpfen und Durchfall quälte ich mich so den steilen Abstieg hinab. Meine Langsamkeit und erbärmliche Erscheinung erzeugten bei meinen Freunden nach einigen Stunden derartiges Mitleid und wohl auch Ungeduld, dass sie mir den Rucksack abnahmen und mich ins Camp schleppten. Eine großartige Hilfsaktion, die meine drei österreichischen Freunde bis heute mit einer gewissen Spur Schadenfreude beglückt. Arequipa konnte ich deshalb im Anschluss gar nicht schnell genug hinter mir lassen und genehmigte mir am Strand von Paracas eine viertägige Auszeit.
Danach machte ich mich nach Lima zu meinem peruanischen Freund Raul auf. Wir hatten uns vor vier Jahren kennengelernt, als er als Au Pair in Deutschland war. Seine Gastfreundschaft, die seiner Frau Yesenia und seine zweieinhalbjährige Tochter Valentina empfingen mich sofort mit offenen Armen. Yesenia hatte extra ein Zimmer für mich vorbereitet und ich fühlte mich trotz meiner geringen Spanischkenntnisse schon bald als Teil der Familie.
Da Rauls Wohnung außerhalb des Stadtkerns liegt, konnte ich - abseits der Touristenwege - zwei Wochen in das wahre Gesicht Limas eintauchen. Der Kontrast könnte dabei nicht größer sein: Während die Innenstadt von Hochhäusern, schicken Einkaufszentren und teuren Villen geprägt ist, zeigt sich Lima weiter außerhalb grau, chaotisch und dreckig. Verkehrsregeln spielen in der Neun-Millionen-Stadt eine untergeordnete Rolle, weshalb Fahrspuren, Bürgersteige oder rücksichtsvolles Fahrverhalten in Lima Fremdwörter sind. Wie es Raul geschafft hat, in diesem "Dschungel", wie er es nennt, in dreijähriger Tätigkeit als Taxifahrer, ohne Unfall auszukommen ist mir ein Rätsel. Ich hatte jedenfalls meine liebe Mühe nicht überfahren zu werden.
Mit Rauls Familie erkundete ich die Stadt, wir besuchten das Endspiel um die peruanische Fußballmeisterschaft und sie führten mich in die Essenskultur ein. An der Küstenlinie aßen wir Meerschweinchen, Ceviche - ein peruanisches Fischgericht - und tranken dazu das Mischgetränk Pisco Sour. Im Gegenzug revanchierte ich mich mit Fleischpflanzerl und Kartoffelsalat.
Kurz vor Weihnachten unternahmen Raul und ich einen Ausflug nach Huaraz. Die Stadt liegt im peruanischen Hochland und ist umgeben von Gletschern und Lagunen. Einige davon bedrohen die Stadt seit geraumer Zeit mit Flutwellen. Die Gletscher schmelzen aufgrund des Klimawandels zu schnell ab und vergrößern die Seen deshalb um ein Vielfaches. An geeigneten Vorsichtsmaßnahmen mangelt es aus Geldgründen. Saul, unser Guide vor Ort, erklärte uns die Bedrohung eindringlich und lud uns ein bei ihm in seinem Berghaus zu übernachten. Er lebt dort mit seiner Familie in einem einfachen zweistöckigen Haus. Die Wasserversorgung ist durch den Druck der Gletscherflüsse gesichert. Strom, Fernseher oder Kühlschrank gibt es jedoch keinen. Die Familie hält sich deshalb die meiste Zeit um die offene Feuerstelle in der Wohnküche auf, wo sie sich den Platz mit 40 Meerschweinchen und Hasen teilt. Die Äcker um das Haus bieten genug Nahrung um sich selbst zu versorgen. Es ist das Leben, das Sauls Vorfahren auch vor 200 Jahren schon so geführt haben. Ambitionen in die Stadt zu ziehen hat er nicht.
Eintrag 8: Todesstraßen und Todesminen (16. Dezember 2015)
Auf dem Weg von Argentinien nach San Pedro de Atacama mussten wir zuerst den 4.275 Meter hohen Jama-Pass überqueren. In San Pedro angekommen, traf ich mich mit einem weiteren deutschen Freund. Er konnte sich vier Wochen freinehmen und entschloss sich kurzfristig mich von Chile nach Bolivien zu begleiten.
San Pedro de Atacama ist eine Oase irgendwo im Nirgendwo. Die Wüstenlandschaften rund um die Stadt gelten als die ruhigsten Orte der Welt. Wir erkundeten zuerst die Mondlandschaft des Moon Valleys, danach wartete der Cerro Tocco auf uns. Beim Aufstieg des 5.604 Meter hohen Vulkans wurden unsere Beine schwer. Der Ausblick vom Gipfel war die Schinderei aber allemal wert: Von dort sieht man bis nach Bolivien und auf die 66 Radioteleskope des Alma-Observatoriums. Das Forschungsprojekt ist eine Zusammenarbeit Europas, der USA, Kanadas, Ostasiens und der Chiles. Es ist das größte und teuerste seiner Art und soll Aufschluss über die Geburt von Sternen geben.
Viel Zeit auszuruhen gab es nach dem Cerro Tocco nicht, da wir uns schon am Tag danach für die viertägige Wüstendurchquerung in Richtung Bolivien angemeldet hatten. Mit einem Jeep ging es vorbei an grandiosen Lagunen, Felsformationen und aktiven Vulkanen. Kleiner Wermutstropfen war eine Autopanne am zweiten Tag, die uns den Vormittag kostete, doch der Salar de Uyuni am letzten Tag entschädigte für alles. Die größte Salzpfanne der Welt ist mit 10.580 Quadratkilometern größer als Niederbayern und bietet Platz für atemberaubende Fotos.
Vorbei am Eisenbahnfriedhof von Uyuni zog es uns anschließend nach Potosi. Im 16. Jahrhundert war dies die reichste Stadt der Erde. Grund dafür ist der Cerro Rico, der reiche Berg. Schon kurz nach ihrem Einmarsch im 16. Jahrhundert begannen die Spanier dort Silber und Zink abzubauen. Dafür ließen sie Inkas und Sklaven aus Afrika wie die Tiere schuften. Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen kosteten Zehntausende das Leben. Bei einer Minentour erfuhren wir, dass sich die Umstände bis heute nur wenig geändert haben. Noch immer schlagen Arbeiter mit Hammer und Pickel Gestein aus dem Berg, um es anschließend mit Bollerwagen aus den engen Tunnels zu schaffen. Die Gänge sind teilweise nur einen Meter hoch und die stickige Luft, ein Gemisch aus hoher Luftfeuchtigkeit und giftigen Gasen lässt nur wenig Raum zum Atmen. Immerhin schuften die Arbeiter mittlerweile auf eigene Rechnung, doch der Cerrro Rico gilt noch heute als einer der gefährlichsten Minen der Welt. Die Lebenserwartung der Bergarbeiter liegt bei 50 Jahren. Noch immer werden auch Kinder zur Arbeit unter Tage gezwungen. Als Tourist ist man froh, die beklemmende Atmosphäre der Stadt wieder verlassen zu können, den Menschen vor Ort bleibt jedoch keine Wahl.
In Sucre war dann erst einmal Zeit das Erlebte zu verarbeiten. Die Universitätsstadt lockt mit Kolonialcharme und gilt als das geistige Zentrum Boliviens. Wir ließen es dort ruhig angehen und begnügten uns mit ein wenig Sightseeing und Schlendern.
Drei Tage später nahmen wir einen Bus nach La Paz. Die größte Stadt des Landes zeigt das ungefilterte Leben der Bolivianer. Dichter Verkehr, Smog und große Armut beherrschen das Stadtbild. Die Kriminalitätsrate ist dementsprechend hoch. Uns ist Gott sei Dank nichts passiert, doch viele Reisende erzählten uns von Taschendiebstählen und Taxiabzocke.
Ein Highlight in La Paz war die "Camino de la muerte". Die sogenannte Death Road gilt als gefährlichste Straße der Welt und wird heute fast nur noch von Mountainbikern benutzt. Auf einer Schotterpiste fuhren wir innerhalb von 66 Kilometern von 4.650 Metern bis auf eine Meereshöhe von etwa 1.200 Meter hinab. Links geht es dabei bis zu 400 Metern den Abhang hinunter, rechts ist die "Straße" gesäumt von Kreuzen Verunglückter. Im Jahr sterben noch immer drei bis fünf Touristen auf der Strecke.
Den Abschluss unseres Aufenthalts in La Paz, bot der bolivianische Fußballclassico zwischen "The Strongest" und "Bolivar". Die Stimmung rund um das Stadion war entspannt. Doch drinnen gingen schon kurz nach dem Abpfiff die Krawalle und Schlägereien mit der Polizei los. "Bolivar" gewann mit 2:1 und wir waren froh, wieder sicher im Hostel zu sein.
Anschließend wartete mit dem Titicacasee der höchste schiffbare See der Welt (3.812 Meter über Normalnull) auf uns. Umgeben von Bergen und Hügeln bietet er ein einzigartiges Panorama, vor allem für Sonnenauf- und -untergänge. Auf der Isla del Sol machten wir eine Wanderung und sahen, dass dort Landwirtschaft wie vor 200 Jahren betrieben wird. Auf der ganzen Insel gibt es keine Autos, Motorräder oder Traktoren. Alles wird von Hand erledigt. Man fühlt sich wie ins 18. Jahrhundert zurückversetzt.
Nach dem Titicacasee trennten sich die Wege meines Freundes und mir wieder. Er trat von Santa Cruz aus die Rückreise nach Deutschland an und ich überquerte die Peruanische Grenze. Machu Picchu, Colca Canyon und Weihnachten in Peru werden deshalb Teil meines nächsten Eintrags sein.
Eintrag 7: Argentinien - Ein Land zwischen Choripan, Fußballstolz und Währungschaos
Nach einem 24-stündigen Flugmarathon und Zwischenhalten in Dubai und Rio de Janeiro kam ich in Buenos Aires an. In der größten Stadt Argentiniens und seinen Außenbezirken leben rund 17 Millionen Menschen. Wirklich schön anzuschauen, fand ich aber nur den reicheren Stadtteil Recoletta und die neugestaltete Hafenpromenade. Das mag aber daran liegen, das Kapstadt die Messlatte sehr hoch gelegt hatte. Anstatt mit Bauwerken, zog mich Buenos Aires mit anderen Highlights in seinen Bann. Allen voran natürlich dem Fußball. Mit River River Plate und den Boca Juniors duellieren sich zwei der berühmtesten Mannschaften der Welt in dieser Stadt. Der Superclassico zählt zu den heißesten Derbys des Fußballplaneten. Argentinier lieben und leiden ihren Fußball. Der Ball ist Religion. Nach dem WM-Finale 2014, freut sich deshalb nicht jeder Argentinier Deutsche zu treffen. Das Spiel zwischen den Boca Juniors und Crucero del Norte in der Fußballkathedrale "La Bombonera" war dennoch ein großartiges Erlebnis.
Von Buenos Aires aus, brachte mich eine Fähre nach Uruguay. Für zwei Tage besuchte ich die Hauptstadt Montevideo und die romantische Hafenstadt Colonia del Sacramento. Berühmt wurde Uruguay in den vergangenen Jahren durch José Mujica, den "ärmsten Präsidenten der Welt". Mujica war von 2010 bis 2015 im Amt und hatte davor 14 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht, weil er Teil der Guerillabewegung Movimiento de Liberación Nacional - Tupamaros war. Als Präsident spendete er 90 Prozent seines Einkommens an kleine Unternehmen und nichtstaatliche Organisationen. Während seiner Amtszeit blieb er auf seinem kleinen Bauernhof in der Nähe von Montevideo wohnen. Bei seinem Dienstfahrzeug begnügte er sich mit einem Opel Corsa. Uruguay ist 16 mal kleiner als Argentinien und hat nur wenige Ressourcen. Dennoch hat es das kleine Volk am östlichen Rand des Kontinents, auch durch Mujicas Reformen geschafft, über die vergangenen Jahrzehnte ein solides Wirtschaftswachstum, soziale Absicherung und eine stabile Währung zu schaffen.
Ganz im Gegensatz zu Argentinien. Die Geschichte des achtgrößten Landes der Erde ist gezeichnet von schweren politischen Unruhen und Wirtschaftskrisen. Präsident Carlos Menem entschied 1991 eine 1:1-Bindung des argentinischen Peso an den US-Dollar einzuführen. Kurzfristig war dies eine gute Entscheidung: Die enorme Inflation flachte schlagartig ab und die Wirtschaft nahm einen Aufschwung. Auf lange Sicht konnte der Peso aber nicht mit dem Dollar Schritt halten. Argentinische Produkte wurden auf dem Weltmarkt unerschwinglich, Importware zu Spottpreisen zu haben. Für viele argentinische Betriebe bedeute dies das Ende und eine große Kapitalflucht ins Ausland setzte ein. Ende 2001 war die Idee Menems nach großen Unruhen am Ende und der Peso wurde wieder freigegeben. Die Inflationsrate stieg stark an und mündete in einer deutlichen Abwertung des Peso. Zwar versuchten Folgeregierungen die Entwicklungen zu bremsen, vollständig gelang dies jedoch nicht. Auf diese Weise haben sich bis heute zwei Wechselkurse etabliert: Den von der Regierung diktierten und einen Schwarzmarktkurs. Für Reisende bedeutet dies, dass man an Geldautomaten etwa neun Peso pro Dollar bekommt, auf dem Schwarzmarkt aber bis zu 16 Peso. Führt man nicht genug große Dollarscheine - Schwarzmarkthändler bevorzugen diese, da sie das US-Geld für ihre Anlagen verwenden - verliert man eine Menge Geld. Ich wurde zum Glück gewarnt. Einheimische halfen mir beim Wechsel.
Nach Buneos Aires besuchte ich die gewältigen Wasserfälle von Iguazu, die zur Regenzeit etwa das Ausmaß der Victoriafälle in Südafrika erreichen. Danach brachte mich eine 24-stündige Busfahrt nach Salta in den Nordwesten des Landes. Da Salta billiger ist, als der Rest des Landes, hatte ich mich schon früh entschieden, dort einen zweiwöchigen Spanisch-Sprachkurs zu besuchen. Eine gute Entscheidung, denn Salta sollte für mich die beste Zeit in Argentinien werden. Argentinien-Liebhaber werden dennoch aufschreien, da ich dafür den wunderschönen Süden des Landes opfern musste.
Schon am Tag nach meiner Ankunft schmiss mich meine Spanisch-Lehrerin Graciella ins kalte Wasser und brachte mich zum Deutschen Abend ihres Deutschkurses an der Universität mit. Alle Schüler hatten deutsche Speisen und Getränke mitgebracht. Als "Spezialgast" musste ich deshalb alles probieren und mein OK zum perfekten "deutschen Geschmack" geben. Selbstgemachte Brezen, Apfelkuchen, Gulasch, Zwiebelkuchen, Kartoffelsalat, Schwarzwälder Kirschtorte, Radler und Glühwein durcheinander zu verkosten, ist kein wirklicher Spaß, vor allem weil die Gerichte ihren Namen teilweise nicht im Ansatz verdienten. Dennoch war der Abend ein Glücksfall, da ich mit einer Menge Einheimischer in Kontakt kam, die schon bald meine Freunde werden sollten. Renzo, Angelina, Ximena, Christian, Nacho und Co. zeigten mir während meines Aufenthalts die Stadt, nahmen mich mit zu Fußballspielen und führten mich in das Nachtleben entlang der Balcarse-Straße ein. Absoluter Höhepunkt war ein Grillabend mit Choripán, argentinischen Bratwurstsemmeln, auf der Dachterrasse von Renzos Wohnung, den Graciella mit ihren Schülern anlässlich meines Geburtstags organisiert hatte. Durch das Couchsurfen bei Juan, Romina und Jula sparte ich mir zudem eine Menge Geld.
Über das Wochenende mietete ich mir mit einer Französin und einem belgischen Pärchen ein Auto und erkundete die Berglandschaft um Cachi und Cafayate südlich von Salta. Zudem unternahm ich einen Mountainbike-Ausflug nach Tilcara, nördlich von Salta.
Salta zu verlassen fiel mir ziemlich schwer. Anfang November war jedoch die Zeit gekommen, einen Freund aus Deutschland in San Pedro de Atacama zu treffen, mit dem ich den Norden Chiles und Bolivien erkunden sollte. Davon erzähle ich in meinen nächsten Eintrag. Bis dann, Simon!
Eintrag 6: Drei Schüsse zurück in die Wirklichkeit (12. Oktober 2015)
Meine Ankunft in Kapstadt verzögerte sich um einen Tag, da die Fluggesellschaft meinen Flug kurzfristig stornierte. Endlich dort angekommen, traf ich mich im Hostel mit einem deutschen Freund, der mich auf den folgenden dreieinhalb Wochen begleiten sollte.
Schon kurz nach unserer Ankunft wurde klar: Langweilig wird es in Kapstadt nie. Das Hostel empfing uns mit einem lustigen Braai-Abend und hatte Hostelstandards. Die Tage darauf bestiegen wir den Tafelberg, erlebten Sonnenuntergänge auf dem Lions Head, segelten als Paraglider über das WM-Stadion, joggten zu den Städtstränden und trieben uns auf dem Neighboor's Food Market herum. Zur Erholung unternahmen wir eine Weintour ins Hinterland und an die luxuriöse Hafenmeile "Waterfront". Mit der prachtvollen Bergkulisse, der neuen Architektur und den aufgeschlossenen Leuten ist Kapstadt wohl die schönste Stadt, in der ich jemals war. Nach fünf Tagen war es jedoch Zeit unseren Mietwagen abzuholen und mehr von Südafrika zu sehen.
Den ersten Stopp machten wir am Kap der Guten Hoffnung. Dort blickten wir beim Mittagessen in Richtung Antarktis und schauten am Rückweg bei der Brillenpinguin-Kolonie in Simonstown vorbei. Diese hatte vor 20 Jahren mit einem einzigen Pärchen ihren Anfang genommen und hat sich über die Jahre mit über 300 Tieren zu einer Pinguinstadt entwickelt.
Über den atemberaubenden Peakmans Drive - eine Küstenstraße, die unter anderem zum Filmen von BMW-Werbespots verwendet wird - machten wir uns anschließend auf nach Hermanus. Zwischen August und September bringen dort in der Bucht Glattwalkühe ihre Kälber zur Welt. Bei einer Kayaktour konnten wir so aus gut 50 Metern beobachten, wie eine Walmutter ihrem Jungen das Springen beibrachte. Die gewaltige Kraftanstrengung ist für die bis zu 18 Meter langen Tiere wichtig, um lästige Parasiten loszuwerden.
Der folgende Tag war für mich der herausforderndste unseres Trips. Schon weit im Voraus der Reise hatte ich mir vorgenommen, von der 216 Meter hohen Bloukrans-Brücke zu springen. Mit reichlich Höhenangst ausgestattet, werde ich den Moment, an dem ich mit einem Bungeeseil an den Beinen in die Tiefe fiel, wohl nie wieder vergessen. Danach brauchte ich in Jeffrey's Bay erst einmal ein paar Strandtage zur Erholung.
Ein besonderes Highlight waren auch der Addo Nationalpark, in dem ein Elefant, nur zwei Meter an unserem Auto vorbeilief und das Surfen in Coffee Bay. Die einsame Bucht bot mit ihrem langen, flachen Sandstrand und den mittelgroßen Wellen ideale Verhältnisse für uns Einsteiger. Der Preis von 50 Rand (umgerechnet 3,5 Euro) für zweieinhalb Stunden Wetsuit, Surfbrett und Surflehrer lud dazu ein, mehrere Tage zu bleiben.
Nach Coffee Bay fuhren wir der Küste entlang bis nach St. Lucia: Dem Königreich der Nilpferde, Nashörner und Krokodile. Unsere Unterkunft in hochwertigen Buschzelten war ebenso komfortabel, wie günstig. Auf einer weiteren Safari durch den Hluluwe Nationalpark sahen wir Giraffen, Nashörner und Büffel aus nächster Nähe.
Der letzte Stopp unserer Südafrikareise waren die Drakensberge - zu Deutsch Drachenberge. Diese ziehen sich aus dem Süden in Richtung Nordosten und sind das Hochgebirge Südafrikas. Wir haben so von Phutahidjaba her bestiegen. Der Aufstieg zum Gipfel - dem Sentinel Peak - ist nicht sehr schwer. Schlüsselpunkte sind zwei Leitern, die sich im Mittelteil 30 Meter in die Höhe ziehen. In Deutschland wäre dafür wohl ein Sicherheitsgurt Pflicht. In Südafrika nimmt man es damit weniger genau. Belohnt wird man oben mit einem atemberaubenden Ausblick in das sogenannte Amphitheater, in dessen Mitte sich der Tugela Wasserfall über 940 Meter in die Tiefe ergießt. Nach dem Abstieg erholten wir uns zwei Tage in einer komfortablen Unterkunft in Johannesburg und nutzten vor allem den Poolbereich ausgiebig. Für meinen Freund ging es danach zurück nach Deutschland, während ich noch weitere fünf Tage Aufenthalt in "Joburg" hatte.
Das Fazit für unseren Roadtrip fällt rundum positiv aus. Durch die schwache Währung ist Südafrika ein preisgünstiges Land für Backpacker. An den Linksverkehr gewöhnt man sich schnell und bis auf einen platten Reifen hatten wir keinerlei Probleme mit der Infrastruktur. Die unzähligen Hostels entlang der Küste bieten viele Reiseangebote und die Stimmung ist in den meisten Herbergen großartig. Fast überall herrscht Surferstimmung, die jeden zur guten Laune rührt.
Drei Schüsse zurück in die Wirklichkeit
Der einzige Wermutstropfen kam am Schluss. An meinem vorletzten Abend in Johannesburg fielen nur zehn Meter vor unserer Hosteltür drei Schüsse. Wir saßen zu diesem Zeitpunkt auf der Terrasse und hörten den Raubüberfall von dort. Das Opfer - ein 20-jähriger Farbiger - konnte sich mit zwei Kugeln in der Brust gerade noch in unsere Rezeption flüchten. Sein Bruder brach wegen eines Schocks zusammen. Beide wurden mit einem Taxi ins Krankenhaus gebracht. Im Hostel mochte danach niemand mehr ein Wort sprechen. Mit einem Schlag waren all die Warnungen und Horrorgeschichten, die wir an den Hostelrezeptionen müde weggelächelt hatten, Realität geworden. Mit einem Mal wurden einem die vielen Probleme, mit denen Südafrika zu kämpfen hat, sichtbar. In den Townships herrscht noch immer große Armut, die in Überfällen, Bandenkriegen und Gewalttaten mündet. Bereist man ein Land dieser Art, sollte man die Augen davor nicht verschließen. Das wurde uns spätestens nach der Schießerei in Johannesburg mehr als deutlich.
Mein Urteil über die Südafrikaner kann dies aber nicht trüben. Zu herzlich, zu fröhlich wurden wir während dieser 3,5 Wochen aufgenommen. Einige wenige Floskeln in den Landessprachen Zulu und Xhosa reichen, um super mit der einheimischen Bevölkerung auszukommen.
Gleich nach Johannesburg bin ich nach Buenos Aires weitergeflogen. Von dort werde ich mich mit meinem Rucksack bis nach Lima in Peru durchschlagen. Von meinen Erlebnissen in Argentinien könnt ihr in meinem nächsten Eintrag lesen.
Eintrag 5: Oshirinawa Namibia! Auf Wiedersehen Allgemeine Zeitung! (16. September 2015)
Mein Praktikum bei der Allgemeinen Zeitung in Namibia ist mittlerweile beendet. Den krönenden Abschluss bildete eine traditionelle Hochzeit im Owambo-Land.
Die Owambo stellen mit knapp 50 Prozent der Bevölkerung die größte ethnische Gruppe in Namibia und leben vor allem in den regenreichen und fruchtbaren Regionen oberhalb des Etosha-Nationalparks. Zur Hochzeit waren Florian und ich über unseren Arbeitskollegen Robby eingeladen, der mit Martha, einer Ovambo-Frau verheiratet ist.
Hochzeiten bei den Ovambos dauern eine ganze Woche. Jeden Tag findet ein anderes Zeremoniell statt. Wir kamen am Freitag an, und platzten damit mitten in den Polterabend der Braut. Nach der achtstündigen Fahrten waren wir die letzten Gäste und es wurde schnell klar, warum uns Martha im Vorhinein versichert hatte, dass es eine große Ehre für das Brautpaar wäre, wenn wir mitkommen würden: Die Gänge in die Mitte des Dorfes waren von rund 300 Menschen gesäumt, die uns mit Gesängen, Rufen und lautem Klatschen empfingen. Wir wurden sogleich zur Feuerstelle der Dorfältesten geleitet und bekamen einen Becher selbstgebrautes Hirsebier. Ein Begrüßungsritual, das Fremde in der Dorfgemeinschaft willkommen heißt. Es war eine große Ehre für uns, wenngleich das Bier nach einer Mischung aus vergorenem Orangensaft und Malzbier schmeckte. Um uns herum wurden derweil 28 Ziegen nach traditioneller Art geschlachtet und sofort zu Grillfleisch und einem Eingeweideeintopf verarbeitet. Währenddessen vollführten die Frauen Tänze und Gesänge. Der Bräutigam feierte in seinem Dorf derweil das gleiche Fest mit seiner Verwandtschaft.
Zum Schlafen ging es in das Dorf, in dem Martha aufwuchs. Es gleicht dem der Hochzeit und ist eine Einöde, in der nur noch vier Menschen leben. Rundherum grasen Esel, Kühe und Ziegen auf einer eingezäunten Weide. Der Wohnbereich besteht aus einem notdürftigen Zaun aus Aluminiumblechen, einigen Holzhütten und zwei einfachen Steinhäusern. Der Zutritt ins Innere ist ein Labyrinth aus Gängen, das es wilden Tieren erschweren soll, die Schlafplätze zu erreichen. Kuku, Marthas Oma, hat den Umkreis des Dorfes noch nie verlassen. Nach Robby waren Florian und ich die ersten Weißen, die sie seit der Unabhängigkeit Namibias gesehen hat. Dementsprechend herzlich wurden wir empfangen.
Der nächste Tag begann frühmorgens, denn es stand der eigentliche Hochzeitstag an. Der Großteil der Owambos ist christlich. Vormittags fand deshalb die Trauung in der Kirche statt. Danach zog die Feiergemeinde zurück zu Johannas Dorf, in dem mittlerweile ein großes Zelt aufgestellt worden war. Innen war es mit feindekorierten runden Tischen und einem Podest für das Brautpaar eingerichtet. Die Frauen trugen Abendkleider, die Männer Anzüge. Johanna und Hans heirateten in weiß und braun. Zum Essen gab es selbstgemachte Salate und Wambo-Chicken - ein saftiges Brathähnchen aus der Alufolie. Im Zelt durften lediglich die geladenen Gäste Platznehmen. Die Draufgänger und Kinder verfolgten das Mahl hinter einem Zaun von draußen.
Anschließend ging es weiter zum Dorf des Bräutigams, wo ein Zelt mit derselben Einrichtung stand und sich das nächste Essen anstand. Mit Bartbetrieb, Tänzen und Gesängen fand die stimmungsvolle Hochzeit ihr Ende. Eine Party mit Band oder ähnlichem wie in Deutschland gab es nicht.
Nach einem kurzen Frühstück am Sonntag mit Mahangobrei - dem Hauptnahrungsmittel der Owambo - verabschiedeten wir uns aus Marthas Dorf und traten die Heimreise an. Zuvor machten wir noch einen kurzen Halt in Oshakati, um für den Sportteil der AZ Informationen über den dortigen Fußball-Erstligisten einzuholen. Die Bedingungen vor Ort waren katastrophal. Der Trainingsplatz gleicht mit all den Scherben, Steinbrocken und Metallteilen eher einem Schrottplatz als einem Fußballfeld. Der Rasen im Stadion nebenan sieht nur wenig besser aus. Ein Fingerzeig darauf, warum der Leistungssport in Namibia ein klägliches Dasein fristet.
Anschließend traten wir über den Westteil des Etoshaparks den rund 1200 Kilometer langen Heimweg an. Bei einem kurzen Zwischenstopp am Straßenrand machten wir noch unliebsame mit einem Löwen, der sein Territorium mit lautem Brüllen verteidigte. Nach dem ersten Schreckmoment blieb uns nur ein Sprung zurück ins Auto übrig.
Es war der spektakuläre Schlusspunkt meiner Namibiazeit, die äußerst erfahrungs- und erlebnisreich war. Einiges davon werde ich wohl erst im Nachgang vollständig verarbeiten. Viel Zeit dafür habe ich allerdings nicht, da ich gleich im Anschluss eine Backpackertour durch Südafrika mit einem Freund aus Deutschland begonnen habe. Auch davon berichte ich in meinem Blog.
Eintrag 4: Zahme Geparden und durstige Nashörner (1. September 2015)
Windhoek - Meine Zeit in Namibia neigt sich langsam dem Ende entgegen. In den vergangenen Wochen habe ich deshalb versucht, noch möglichst viel mitzunehmen.
Wie erwähnt, waren Flo und ich Ende Juli auf der Lodge von Julian zu Gast. In den drei Tagen dort erlebten wir vieles, was zu einem ordentlichen namibischen Farmaufenthalt dazu gehört: In erster Linie natürlich Tiere. Mit einem Jeep fuhren wir durch das 20 000 Hektar große Land der Farm und beobachteten Oryx-Antilopen, Kudus, Spring-, Stein- und Wasserböcke, Elande und abertausende Zugvögel, die sich dort jedes Jahr an der Wasserstelle versammeln. Eindrucksvoll war auch die Begegnung mit "Chuckie", dem zahmen Geparden von Julian.
Nach den anstrengenden "Game Drives" legten wir uns an den Pool und genossen die namibische Sonne. Zum Sonnenuntergang bestiegen wir einen Berg und hatten einen großartigen Blick auf die Landschaft. Abends gab es farmeigenes Wildfleisch, bevor wir in einem der Luxuschalets, die sonst Großwildjäger vorbehalten sind, einschliefen.
Am Wochenende darauf fand am Hosea-Kutako-Flughafen eine internationale Flugshow statt. Den ganzen Tag über zauberten hochkarätige Piloten, wie Nigel Hopkins, ihre Kunststücke in den Himmel. Da sich die Sportflieger anschließend unter die Besucher mischten, konnte ich mit einigen von ihnen sprechen und Stimmen für meine Reportage sammeln.
Im Aufmacher der Folgewoche schrieb ich über drei Damen aus Swakopmund, die im August gleich zweimal durch den Ärmelkanal zwischen Dover und Calais schwammen. Bei einer Wassertemperatur von 16 Grad, Feuerquallen und 500 Schiffen pro Tag ein waghalsiges Unterfangen.
Ein Wochenende später fuhr ich mit meinen Kollegen Robby und Florian in den Etosha-Nationalpark - den bekanntesten Nationalpark Namibias. Ein tolles Erlebnis, denn galoppierende Giraffen, Löwen, Elefanten und Nashörner bieten in freier Wildbahn einen beeindruckenden Anblick - vor allem, wenn sie sich zehn Meter vor deinem Auto tummeln.
Quasi als Krönung der letzten Wochen, war ich vorgestern zu einem privaten Langustenessen eingeladen. Diese hatten namibische Freunde im Sommer an der Küste gefangen und eingefroren. Sie wurden auf einem großen Topf auf offenem Feuer gekocht und anschließend in launiger Runde gegessen.
Das Highlight meines Namibia-Aufenthalts sollte aber noch kommen: Eine traditionelle Hochzeit im Oshiwambo-Land, von der ich in meinem nächsten und letzten Eintrag aus Namibia erzählen werde.
Eintrag 3: Winter in Afrika: Wassersparen in kurzer Hose (21. Juli 2015)
Namibia liegt auf der südlichen Erdhalbkugel. Die Jahreszeiten sind deshalb im Vergleich zu Deutschland genau umgedreht. Im südlichen Afrika herrscht also gerade Winter und der Fasching findet zur gleichen Jahreszeit wie in Deutschland statt. Zur fünften und närrischen Jahreszeit muss man in Namibia dennoch nicht frieren. Im Moment schwanken die Temperaturen im Landesinneren tagsüber zwischen 20 und 25 Grad. Nachts sind sie einstellig, an einigen Stellen gefriert es sogar oberflächlich.
Schnee gibt es aber keinen, denn Winter heißt in Namibia auch Trockenzeit. Der letzte Regen fiel in Windhoek im April. Der nächste wird für Anfang September erwartet. Da es über Monate hinweg gar nicht regnet, sind die Namibier auf starke Niederschläge zwischen November und März angewiesen. Zu Weihnachten wünscht man sich deshalb keine weiße, sondern eine verregnete Landschaft.
Windhoek ist eine der wenigen afrikanischen Städte, in denen das Leitungswasser trinkbar ist. Ein unschätzbarer Wert, der durch teure Filteranlagen garantiert wird. Allerdings sind die Wasserreserven nicht unerschöpflich. Da die letzten beiden Regenzeiten mager ausfielen, sind die Pegelstände bei Stauseen und Grundwasser im Moment sehr niedrig. Die Stadtverwaltung Windhoek hat deshalb Wassersparen angeordnet. Autowaschen mit dem Schlauch ist nicht mehr erlaubt, Pools müssen abgedeckt werden und Haushalte, die pro Monat 50 Kubikmeter Wasser oder mehr verbrauchen, müssen eine Strafgebühr bezahlen. So sollen 15 Prozent Wasser eingespart werden. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, wird das Wasser rationiert, also zu bestimmten Zeiten abgedreht.
In der Arbeit, ist derweil einiges los. Als Gastredakteur habe ich mittlerweile große Artikel über ein Solarauto, eine Künstlerin, einen Kickboxer, ein Kulturfestival, eine Flugshow, ein Blind Dinner und die vielleicht kleinste Kathedrale der Welt sowie einen Kommentar geschrieben. Ich habe die First Lady Monica Geingob, die französische Botschafterin Jacqueline Bassa-Mazzoni, Rugby-Nationaltrainer Phil Davies und dessen Kapitän Jacques Burger getroffen. Als bayerischer Überraschungsgast schaute auch Torhüterlegende Lutz Pfannenstiel kurz in unserer Redaktion vorbei. Am kommenden Wochenende besuche ich zum ersten Mal eine Lodge. Mein Freund Julian, den ich am Flug nach Windhoek kennengelernt habe, wird mir auf der 20 000 Hektar großen Farm seines Vaters Springböcke, Geparden, Elefanten und Giraffen zeigen. Ich bin schon gespannt!
Eintrag 2: Karneval in Südwestafrika (22. Juni 2015)
Hallo aus Namibia! Zwei der vergangenen drei Wochenenden habe ich genutzt, um Windhoek kennenzulernen. Da ich noch länger in der Stadt bin, will ich euch aber erst später darüber erzählen. Dieses Wochenende war ich nämlich an der Küste - in Swakopmund - und habe dort deutschen Karneval gefeiert. Ja: Deutscher Karneval in Südwestafrika!
Namibia war von 1884 bis 1918 deutsche Kolonie. In dieser Zeit kamen viele deutsche Einwanderer in das Land, die auch nach dem Ende der Kolonialzeit blieben und mittlerweile Deutsch-Namibier sind. Die Spuren deutscher Geschichte sind bis heute sichtbar. In Swakopmund gibt es eine Wasserfall-, eine Berg- und eine Bismarckstraße. In der Fußgängerzone der Stadt bieten deutsche Bäckereien in Fachwerkhäusern Semmeln und Hefezöpfe an und im Brauhaus werden Eisbein, Käsespätzle und abgebräunter Leberkäse mit Spiegelei serviert. Das Bier wird noch immer nach dem Deutschen Reinheitsgebot gebraut. Swakopmund wird deshalb als der südlichste Badeort Deutschlands bezeichnet. Die große deutsche Gemeinde dort pflegt deutsche Traditionen, die Sprache - und den Karneval.
Eine ganze Woche lang ist die Stadt dann außer Rand und Band und genießt die närrische Zeit. Es gibt einen Kinderkarneval, einen Internationalen Abend mit der schwarzen Bevölkerung, einen Maskenball, einen Büttenabend und einen Straßenumzug.
Zum Karnevalsauftakt am Freitag hat mich mein Chefredakteur Stefan mit nach Swakopmund genommen. Im ausverkauften Haus der Jugend, einer schönen Stadthalle in Holzbauweise, fand am Abend der Prinzenball statt. Die Garde und das Funkenmariechen wirbelten über die Bühne und die Büttenredner machten sich über das politische Geschehen lustig. Nach der Pause, in der es Rouladen mit Blaukraut und Kartoffelbrei gab, folgte der Höhepunkt: Die Vorstellung des neuen Prinzenpaares. In einem kleinen Rollenspiel wurde das Geheimnis um Prinz Erich I. und Prinzessin Birgit I. gelüftet. Danach gingen beim Barbetrieb zahlreiche Faschingskrapfen und Jägermeister über die Theke und die Faschingsorden wurden verliehen. Als Vertreter der Allgemeinen Zeitung bekam auch ich einen Orden überreicht. Den ersten meines Lebens und dann auch noch 8.000 Kilometer von Deutschland entfernt. Verrückt!
Das Wochenende in Swakopmund habe ich bei Florian gewohnt. Flo kommt aus Hanstedt bei Hamburg und macht ein dreimonatiges Praktikum beim Fußballverein in Swakopmund. Ihn habe ich am Flug nach Windhoek kennengelernt. Ebenso wie Julian, den wir am Samstag in seiner Heimat Walvis Bay besucht haben. Julian ist ein Kickboxer, der bald nach Amerika zu den Weltmeisterschaften fliegen wird. Über ihn schreibe ich ein Portrait für die Wochenendbeilage der Allgemeinen Zeitung. Nach dem Interview und seinem Training zeigte er uns die Stadt und die Düne 7. Das ist eine riesige Sanddüne, von der aus man einen herrlichen Blick über die Wüste hat. Anschließend ließen wir den Tag am endlos langen "Langstrand" und im Brauhaus ausklingen. Am Sonntag ging's mit Stefan zurück nach Windhoek und eines ist sicher: Es war sicherlich nicht mein letzter Besuch im südlichsten Badeort Deutschlands!
Eintrag 1: Angekommen in Namibia (5. Juni 2015)
Namibia liegt im Südwesten Afrikas und ist rund zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland. Allerdings leben dort nur 2,2 Millionen Einwohner. Das entspricht zwei Einwohnern pro Quadratkilometer. Zum Vergleich: In Deutschland teilen sich 227 Menschen einen Quadratkilometer. Zwischen Straubing und Windhoek liegen rund 8000 Kilometer. Für die gleiche Strecke müsste man mit dem Auto 100 Mal von Garmisch nach Flensburg fahren. Ich bin deshalb von Frankfurt aus hierher geflogen. Das hat nur zehn Stunden gedauert und war wesentlich angenehmer.
Am Dienstag bin ich am einzigen internationalen Flughafen Namibias - am Hosea Kutako Airport - gelandet. Tags darauf hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Meine Redaktion ist in einem großen Raum untergebracht. Rund 60 Redakteure und Grafiker arbeiten hier und produzieren Zeitungen in drei verschiedenen Sprachen, in Deutsch, Englisch und Afrikaans. Ich bin für die deutschsprachige Ausgabe und die Ressorts "Unterhaltung" und "Kultur" verantwortlich. Ich arbeite jeweils von Montag bis Donnerstag und jedes zweite Wochenende. Die übrigen Wochenenden habe ich zur freien Verfügung und werde viele Ausflüge unternehmen. Dieses Wochenende werde ich nutzen, um Windhoek kennenzulernen. Danach melde ich mich wieder.