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Sonne, Sand und Safaris: Johanna Graßls Reise nach Namibia
24. Januar 2017, 14:14 Uhr aktualisiert am 24. Januar 2017, 14:14 Uhr
Namibia hat etwa so viele Einwohner wie die Stadt Hamburg und eine Fläche zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland. Daran lässt sich nur leise erahnen, welche Leere über diesem Land in der Wüste liegt. Erst als wir der Hauptautobahn B1 langsam aus der Hauptstadt Windhoek folgen, realisieren wir schlagartig, warum Reiseforen die absurd erscheinenden Vorschläge machen, sich ein Satellitentelefon zu besorgen, besser zwei Ersatzreifen an Bord zu haben, bei jeder Gelegenheit zu tanken und stets doppelt so viel Wasser zu kaufen, wie man zu brauchen glaubt.
Die B1, die einzige durchgehende Nord-Süd-Verbindung Namibias, verläuft einspurig - ohne Seitenstreifen oder Leitplanken - und ist eine der ganz wenigen geteerten Strecken im Land. Südwärts von Windhoek entlang dieser Hauptroute kommen auf den 800 Kilometern bis zur südafrikanischen Grenze noch vier nennenswerte Orte, sprich Dörfer mit Laden und Tankstelle. Dazwischen fährt man stundenlang durch das Grasland der Kalahari-Halbwüste. Allein die Formen der fernen Berge geben Orientierung und verleihen der tristen Steppe etwas Abwechslung.
Ein Gefühl von Nostalgie
Wir aber fahren die B1 erst später und machen gleich ein Stück südlich von Windhoek einen Abstecher zu einem der aufregenden Teile des Landes, von denen man die meisten nur über unendlich scheinende Sandpisten erreicht. Das Autoradio rauscht die meiste Zeit. Gelegentlich erhält man Signal und kann Bruchteile von Englisch, Afrikaans oder Deutsch erkennen. Ein schleichendes Gefühl von Nostalgie legt sich über eine stundenlange Fahrt durch das Nichts einer glühenden Mondlandschaft Richtung Solitaire, wo sich die Piste teilt: Ein Weg führt zur Atlantikküste. Eine der wenigen Stellen weltweit, an der die Dünen bis ans Meer reichen und Wal-Skelette und Schiffswracks in Sand gebettet sind.
Wir entscheiden uns für die andere Richtung: Hier gelangt man nach Sossusvlei, ins Herz der roten Namib-Wüste - dorthin, wo die Dünen am höchsten sind.
Tagsüber flirrt die staubtrockene Luft und Fata Morganas zieren die Sandlandschaft. Wir klettern auf Düne 45 - nicht die beste Idee in der Mittagshitze, wie wir feststellen, als die Schuhsohle meines Reisepartners durchgeschmolzen ist.
Farbenspiel im Abendlicht
Im Abendlicht wird alles in ein atemberaubendes Farbenspiel getaucht: Die Kämme der Dünen ziehen scharfe Linien zwischen den flach einfallenden, gleißenden Sonnenstrahlen und den pechschwarzen Schatten. Am Horizont werden die graugrünen Berge in ein sanftes Violett getaucht, und der Himmel wirkt wie ein Seidentuch aus Mustern zwischen hellblau und goldrot. Wenn schließlich die letzten glimmenden Lichtstreifen des Tages verlischen, wird es ganz still - bis auf Vogelgezwitscher und Grillenzirpen. Bald schon erstrahlen die ersten der unzähligen Sterne, die in der Wüste am hellsten leuchten.
Unsere Reise führt uns weiter in den Landessüden zum zweitgrößten Canyon der Welt. An dessen Ende mündet der Fish River nach Dutzenden Mäandern - das sind Flussschlingen - in den Orange River. Er ist so groß, dass sich sein gesamtes Ausmaß am ehesten aus der Luft erkennen lässt.
Durch den Köcherbaumwald
Die Fahrt bis zum nächsten Zwischenstopp ist für namibische Verhältnisse ein Katzensprung: Es sind nur zwei Stunden bis zum Köcherbaumwald bei Ketmannshop. Den Abstecher an die Küste nach Lüderitz und zur berühmt berüchtigten Geisterstadt Kolmanskop lassen wir für diese Reise weg. Stattdessen spazieren wir zwischen den Köcherbäumen hindurch. Der Köcherbaumwald geht in den "Spielplatz der Riesen" über, einen ungewöhnlichen Landstreifen inmitten der Savanne, der soweit das Auge reicht mit interessanten Formationen aus Geröll und Felsen übersät ist. Angst vor Schlaglöchern
Auf dem Rückweg zur Hauptroute verfahren wir uns. Wir wundern uns erst, als die Sandfahrbahn immer schlechter wird und stellen fest, dass wir bereits zu weit sind, um umzukehren. Schließlich sind wir unter Zeitdruck, denn für den Nachmittag haben wir eine Safari-Tour gebucht - noch einige Autostunden entfernt. Wir hoffen, nicht stecken zu bleiben und beten vor jeder Kurve, dass danach nicht noch tiefere Schlaglöcher liegen. Der Weg schlängelt sich an kleinen Siedlungen aus Wellblechhütten und halb verfallenen kleinen Häusern und Ställen vorbei. Strom gibt es hier nicht. Im Zentrum einer der Siedlungen steht ein einfaches, aber wesentlich stabiler wirkendes Gebäude: eine Schule. Die Armut hier ist erschütternd. Schließlich schaffen wir es zurück auf die geplante Route und es liegen noch einige hundert Kilometer B1 vor uns.
Zebras zeigen sich nachts
Wir haben es gerade rechtzeitig zu unserer Safari-Tour tiefer in die Kalahari geschafft. Im offenen Jeep fährt der Ranger mit uns gefühlt die halbe Steppe ab, doch die versprochenen Giraffen lassen sich nicht blicken, die Löwen wurden, wie wir erfahren, bereits alle geschossen und die Zebras sehen wir erst nach Einbruch der Dunkelheit. Nichtsdestotrotz: Eine Zebraherde galoppiert unmittelbar vor unserem Fahrzeug vorbei - eine sehr beeindruckende Geräuschkulisse, auch wenn im Finstern nur wenig zu erkennen ist. Am nächsten und letzten Tag unserer Reise brechen wir noch einmal früh auf. Den Norden Namibias planen wir irgendwann einmal im Rahmen einer weiteren Reise zu erkunden. Die Entfernungen sind schlichtweg zu weit. Doch uns hat der Tierbeobachtungsehrgeiz gepackt, sodass wir spontan beschließen, doch noch ein Stück nördlich von Windhoek zu fahren, um auf einer weitläufigen Farm Leoparden und Geparden zu sehen.
Auf dem Rückweg überrascht uns mein persönliches Highlight: Direkt neben der Straße stehen Giraffen und grasen an den Bäumen. Wir steigen aus und sind nur ein paar Meter von ihnen entfernt. Ich könnte ihnen stundenlang zuschauen. Sie wirken trotz ihrer Größe so friedlich und so freundlich. Dieser besondere Moment und all die anderen Erlebnisse dieser Zeit so nah an der Natur haben sich gelohnt. Sie waren jeden der über 2 000 Kilometer Sandpiste wert.