In Plattling gestellt
Erneute Patienten-Flucht aus Mainkofen: Was bisher bekannt ist
22. September 2024, 13:01 Uhr aktualisiert am 25. September 2024, 6:59 Uhr
Gut sechs Wochen ist es her, seit ein wegen Totschlags verurteilter Straftäter einen Freigang aus dem BKH Mainkofen zur Flucht nutzte. Nun ist ein weiterer Patient entkommen – wieder während einer Lockerungsmaßnahme. Er konnte am Sonntagnachmittag in Plattling von der Polizei gestellt werden. Was zu dem Fall bisher bekannt ist und welche Fragen noch offen sind.
Was ist über den Mann bekannt?
Bei dem Flüchtigen handelt es sich laut Angaben des Bezirks Niederbayern, dem Träger des Bezirksklinikums Mainkofen, um einen 43-jährigen Mann, der gemäß §63 StGB untergebracht ist. Er wurde also nach einer Straftat in das psychiatrische Krankenhaus eingewiesen. Weitere Details nannte der Bezirk am Wochenende nicht, betonte aber, dass der Patient nicht als gefährlich eingeschätzt wurde und wird. Heikel ist jedoch, dass der 43-Jährige auch bei dem Freigang am 8. August im Plattlinger Kino dabei war. Wie mehrmals berichtet, war bei diesem Freigang mehrerer Patienten ein als gefährlich eingestufter und wegen Totschlags verurteilter 24-Jähriger entkommen. Der Bezirk betont jedoch, dass sich der jetzt geflohene Patient bei der Maßnahme am 8. August „in keinerlei Weise auffällig“ verhalten habe. Auch deswegen sei ihm die Lockerung am Samstag gewährt worden.
Wie konnte der Mann flüchten?
Der Patient durfte am Samstagabend auf dem Klinikgelände einen unbegleiteten Freigang zusammen mit zwei anderen Patienten unternehmen. Der Freigang fand außerhalb der geschlossenen forensischen Abteilung statt. Diese Gelegenheit nutzte der 43-Jährige zur Flucht. Details haben bislang aber weder Polizei noch Bezirk öffentlich gemacht.
Wollte das BKH derlei Lockerungsmaßnahmen nicht eigentlich aussetzen?
Nach dem Vorfall Anfang August hatte das BKH Mainkofen angekündigt, externe Lockerungen vorerst auszusetzen. Extern bedeutet dabei, Lockerungen außerhalb der Einrichtung. Sprich: Ausgangsverbot. In diesem Fall fand der Freigang aber auf dem Klinikgelände statt. „Nach jetzigem Kenntnisstand ist der Patient der richtigen Stufe der möglichen Lockerung zugeordnet, weswegen diese - unbegleiteter Ausgang auf dem Klinikgelände - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gewährt wurde“, schreibt der Bezirk in einer ersten Stellungnahme.
Wie wurde der Mann festgenommen?
Am Sonntag hatte die Polizei mitgeteilt, dass der Mann gegen 15 Uhr im Stadtgebiet von Plattling von einer Streife gestellt wurde. Am Montag gab der Bezirk hier weitere Details bekannt. Demnach war der Patient offenbar freiwillig zurückgekehrt. Der 43-Jährige habe sich telefonisch gemeldet und sei daraufhin zum Bahnhof gekommen, wo er von der Polizei bereits erwartet wurde. Anschließend sei er zurück in das Bezirksklinikum gebracht worden. Der 43-Jährige habe sich dabei unauffällig und kooperativ verhalten, so die Einschätzung der Polizei. Zu Zwischenfällen sei es nicht gekommen.
Warum wurde nach dem Mann nicht öffentlich gefahndet?
Dafür gab es keine rechtliche Grundlage, betont die Polizei. Öffentlichkeitsfahndungen sind mit hohen juristischen Anforderungen verbunden. Weil von dem 43-Jährigen keine Gefahr für die Allgemeinheit ausging, waren diese anders als bei dem Vorfall am 8. August nicht erfüllt. Die Polizei fahndete und suchte aber natürlich trotzdem nach dem Flüchtigen – nur eben nicht mit einem öffentlichen Aufruf wie vor sechs Wochen.
Welche Folgen hat der erneute Vorfall für das BKH?
Für den Patienten selbst werden bereits Konsequenzen geprüft. Bei Lockerungsmissbräuchen ist das standardmäßig der Fall, betonte ein Sprecher des Bezirks am Montag. In der Regel wird dabei die Lockerungsstufe des Patienten zurückgesetzt.
Auch Bayerns Sozialminister Ulrike Scharf (CSU) kündigte nach dem Vorfall weitere Konsequenzen an. So sollen unter anderem alle Maßregelvollzugseinrichtungen in Bayern gewährte Lockerungen im Laufe des nächsten Monats überprüfen. Sie habe die zuständige Fachaufsicht entsprechend angewiesen, sagte Scharf.
Der Bezirk Niederbayern betonte unterdessen in seiner ersten Stellungnahme, dass die Lockerung zu gewähren war. „Hinweise auf Planungsfehler in der Durchführung ergaben sich bis dato nicht“, heißt es dort. Allerdings dauert in Mainkofen die Aufarbeitung des Vorfalls vom 8. August nach wie vor an. Vergangene Woche hatte der niederbayerische Bezirkstag das Thema auf seine Agenda genommen und dabei eine fatale Fehlerkette offenbart. So wurden die drei Patienten (allesamt Männer) etwa nur von Frauen begleitet. Zudem wurde als Ziel ausgerechnet der Kinderfilm „Alles steht Kopf 2“ ausgewählt – und das, obwohl sich in der Gruppe auch ein Patient mit diagnostizierter Pädophilie befand.
Auch die Klinikleitung hat bereits große Mängel bei der Planung und Durchführung der Maßnahme eingeräumt. Die verantwortliche Therapeutin wurde intern versetzt, der Chefarzt der forensischen Psychiatrie vorerst vom Dienst freigestellt. Die Aufarbeitung dauert unterdessen weiter an. „Strukturen und Prozesse werden genau überprüft und es wird eine externe Untersuchung in Abstimmung mit der Fachaufsicht (Amt für Maßregelvollzug) eingeleitet“, betonte der Bezirk in seiner Stellungnahme vom Sonntag.