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Zwischen den Zeilen: Die Frage nach Gorenzels Löwen-Zukunft

Auf Sportchef Günther Gorenzel prasselt jede Menge Kritik ein. Manche zu Recht, andere zu Unrecht. Der Österreicher erträgt das nach außen hin souverän, die Frage nach seiner Zukunft stellt sich dennoch.


Von Ruben Stark

München - Wenn Günther Gorenzel in den letzten Wochen auf dem Rasen stand mit dem Team des TSV 1860, dann hatte er im Normalfall keine Gelegenheit, E-Mails zu lesen. Das dürfte einer der Vorzüge seines Interimstrainer-Daseins gewesen sein, denn die elektronischen Botschaften, die er von einer Gesellschafterseite der Löwen offenbar erhielt, taugten nicht dazu, die Laune zu steigern.

Der Österreicher war - und ist - in keiner beneidenswerten Situation. Gorenzel wurde - und wird - quasi für alles verantwortlich gemacht, was rund um die Trennung von Ex-Coach Michael Köllner schief gegangen ist. Erst werden seine Entscheidungen kritisiert, dann seine Kommunikation, dann seine Vorschläge, schließlich sein Vorgehen. Kurzum: Gorenzel kann es eigentlich keinem recht machen. "Auf bestimmte Mechanismen habe ich nur einen bedingten Einfluss", sagte er letzthin - und: "Meine Lebenseinstellung ist, positiv heranzugehen und aus den vorhandenen Dingen das Beste zu machen."

Gerade dieses Prinzip wird bei Sechzig fraglos auf eine harte Probe gestellt. . .

Am Mittwoch folgte die nächste verbale Salve, die in Zielrichtung des Geschäftsführers Sport der KGaA des Klubs ausgelegt werden kann/muss. Sie kam von der für ihn gewohnten Fraktion - der Investorenseite Hasan Ismaiks.

Nach einem Monat der Stille auf dessen diversen Kanälen gab es für alle, die es ahnten beziehungsweise wussten die öffentliche Bestätigung. Ismaik fühlte sich bei der Freistellung Köllners übergangen.

Dass er diese Neuigkeit via Twitter erfuhr, überrascht, weil Gorenzel zuvor nach AZ-Infos den formal korrekten Weg eingehalten und die nötigen Gremien in Kenntnis gesetzt hat. Wurde die Mitteilung nicht an Ismaik weitergeleitet?

Die Detail-Informationen, die die "SZ" inklusive einer E-Mail von Ismaik-Statthalter Anthony Power zu den Geschehnissen vorlegte, lassen den Schluss zu, dass womöglich gar kein Interesse an einer vorurteilsfreien Bewertung bestand.

Wie ist diese Aufforderung sonst zu erklären? "Sie müssen den Klub sofort verlassen", schrieb Power laut "SZ" an Gorenzel am Tag der Köllner-Trennung.

Der Sportchef, das ist unstrittig, hat häufig keine gute Figur abgegeben. Mit seiner Spielerauswahl in den Partien unter seiner Leitung etwa oder den mangelhaften Ergebnissen. Keineswegs unterschlagen sollte man dabei aber, dass der 51-Jährige vor der laufenden Saison einen Kader zusammengestellt hat, dessen Potenzial bis heute gelobt wird und das zuweilen (siehe Rekordstart) auch sichtbar war.

Außerdem erhielt Gorenzel Anerkennung dafür, dass Sechzig so früh dran war mit den Planungen. Ob das diesmal wieder so ist? Höchst fraglich.

Gorenzels Vertrag verlängerte sich dem Vernehmen nach über den Jahreswechsel bis zum Sommer 2024. Das bedeutet, einen möglichen Rauswurf Gorenzels müsste sich jeder, der das anstrebt, schon aus rein finanziellen Erwägungen gut überlegen. Ein weiteres Gerücht aus der stets sprudelnden Löwen-Küche besagt aber, dass eine ordentliche Trennung nach der Saison im Falle des Nicht-Aufstiegs formal möglich ist.

Klar ist, dass Gorenzel die Verantwortung für den nächsten Löwen-Kader trägt, solange keine anderen Fakten existieren. Das allein wäre arbeitsintensiv genug. Es laufen 14 Spielerverträge aus, dazu ist das Engagement von Trainer Maurizio Jacobacci, der erst in dieser Woche (27 Tage nach Köllners Rauswurf) gefunden wurde, nur bis zum Sommer angelegt.

Während anderswo auf Hochtouren über die Zukunft gebrütet wird, hat Sechzig aber einen Sportchef, der gefühlt auf Abruf arbeitet. Das passt sowohl ins Bild als auch in die Gemengelage dieses Klubs.