Terrorismus

Schock und Enttäuschung in Wien: Terror trifft "Swifties"


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Taylor-Swift-Fans haben teils ein Jahr auf die Konzerte in Wien hingefiebert.

Von dpa

In Wien sitzt der Schock tief, dass ein Islamist in diesen Tagen bei einem Taylor-Swift-Konzert ein Blutbad anrichten wollte und mit seinen Vorbereitungen schon weit fortgeschritten war. Bei den vielfach jungen Fans der US-Sängerin ist die Enttäuschung über das entgangene Konzert zwar riesig, aber sie sind auch erschüttert darüber, was hätte passieren können. Die Terrorgefahr bei Großveranstaltungen ist wieder zum Greifen nah.

Die Täter suchen maximale Aufmerksamkeit und möglichst viele Opfer, die zum Feiern zusammenkommen und Sicherheitsbedenken oder -vorkehrungen womöglich beiseitegeschoben haben. "Große Konzerte sind dabei oft ein bevorzugtes Ziel von islamistischen Attentätern", sagte Österreichs Innenminister Gerhard Karner. Er verwies unter anderem auf den Anschlag auf den Konzertsaal Bataclan in Paris 2015, wo 130 Menschen ermordet wurden. Und auch auf Manchester, wo 2017 bei einem Konzert der Sängerin Ariana Grande 22 Besucherinnen und Besucher zu Tode kamen. Im März sind auch in einem Vorort von Moskau beim Konzert einer russischen Band 140 Menschen einem Anschlag zum Opfer gefallen.

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Swift-Fans tauschen Freundschaftsarmbänder - die Botschaft ihres Idols sei Liebe - nicht Terror, sagen sie.

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Innenminster Karner sagt: «Eine Tragödie wurde in Wien abgewendet.»

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Das Ernst-Happel-Stadion in Wien war für alle drei Konzerte ausverkauft.

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IS-Kämpfer zeigen ihre Fahne.

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Ein vorbestragter Islamist steht in Duisburg vor Gericht.

Nach den verheerenden Anschlägen der terroristischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit 1.200 Toten gilt in Österreich die zweithöchste Terrorwarnstufe. Das bedeutet erhöhte Wachsamkeit der Behörden und Sicherheitsvorkehrungen bei Veranstaltungen. Auch das Entsetzen über die Zerstörung durch den israelischen Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen schürt unter vielen jungen Menschen die Gewaltbereitschaft. Wien hat 2020 einen terroristischen Amoklauf erlebt, bei dem ein Attentäter vier Menschen tötete und 23 weitere teils schwer verletzte. Er wurde von der Polizei erschossen.

Für die bevorstehenden Coldplay-Konzerte im selben Stadion bestehe keine erhöhte Gefahr, teilte der Veranstalter Live Nation mit. "Wir sollten versuchen, Ruhe zu bewahren und die Situation nicht mit Spekulationen weiter anzuheizen", hieß es. "Alle Fans können davon ausgehen, dass die Sicherheit der Besucher, Mitarbeiter und Künstler stets Vorrang hat." Auch für das am kommenden Mittwoch startende Frequency-Festival in St. Pölten gibt es nach Angaben der Polizei keine konkreten Hinweise auf eine spezifische Gefährdung.

Der Hauptverdächtige des Anschlags in Wien hat der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Treue geschworen. Der IS stellt mit seinen verschiedenen regionalen Ablegern weiterhin eine große Gefahr dar. Nach seiner militärischen Niederlage im Irak 2017 und in Syrien 2019 hatte das Terrornetzwerk zwar eine Zeit lang weniger Anhänger rekrutieren können. Inzwischen sieht es aber wieder anders aus. Vor allem radikalisierte Einzeltäter und kleine Terrorzellen, die schwerer zu entdecken sind, sind gefährlich - auch in Europa.

"Das Risiko dschihadistischer Anschläge ist so hoch wie seit langem nicht mehr", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Juni der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er nannte verschiedene Gründe. Der IS und die islamistischen Taliban sind zwar Gegner. Dennoch hat die Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan die dschihadistische Idee nach Einschätzung des Verfassungsschutzes insgesamt befördert. Weitere verstärkende Faktoren seien Koran-Verbrennungen in Skandinavien sowie der israelische Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen, sagte Haldenwang.

Nein, aber die abstrakte Gefahr bleibt hoch. Die Sicherheitsbehörden greifen heute in einem früheren Stadium zu als noch vor zehn Jahren. Das ist auch eine Lehre aus dem Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt 2016. Im Juni und Juli dieses Jahres wurden in Deutschland mehrere mutmaßliche IS-Anhänger festgenommen. Einer von ihnen war ein junger Mann mit deutsch-marokkanisch-polnischer Staatsangehörigkeit. Er hatte sich vergeblich als Ordner und Sicherheitskraft bei Großveranstaltungen beworben, darunter bei einem Musikfestival und Veranstaltungen während der Fußball-EM außerhalb der Stadien. Bei der Prüfung seiner Bewerbung fiel er durch, weil ihn die Sicherheitsbehörden wegen möglicher Sympathien für die Terrorgruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) auf dem Schirm hatten. Der Mann wurde am Flughafen Köln/Bonn gefasst, als er ausreisen wollte.

Die britische Polizei-Staatssekretärin Diana Johnson sagte, die Londoner Polizei werde alle verfügbaren Informationen prüfen, bevor Taylor Swift für eine Reihe von Konzerten nach Großbritannien zurückkehrt. Ein Sprecher der Metropolitan Police sagte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, es gebe keine Berichte über irgendetwas Bemerkenswertes in Bezug auf Swift, man werde die Öffentlichkeit aber auf dem Laufenden halten. Londons Bürgermeister Sadiq Khan sagte, die Stadt halte an den geplanten Konzerten mit Swift fest. "Wir haben viel Erfahrung bei der Polizeibegleitung solcher Veranstaltungen", so Khan. Man habe viel gelernt nach dem furchtbaren Anschlag in Manchester.

"Sicherheit geht vor" - so oder ähnlich äußern sich viele in den sozialen Medien. Gleichwohl sind viele Fans untröstlich. Eine deutsche Familie ist extra aus Kalifornien angereist, weil sie für die Tochter nur Karten für das Swift-Konzert in Wien ergattern konnten. Die Tochter sei seit zehn Jahren treuester Swift-Fan und habe ein Jahr lang auf das Konzert hingearbeitet, berichtete die Mutter. Die Familie habe ihren ganzen Europatrip um das Konzert geplant und "tausende Euros für völlig überteuerte Hotels in Wien" ausgegeben.

Einige "Swifties", wie die Fans der Sängerin sich nennen, riefen dazu auf, auf sozialen Medien trotzdem Party zu machen. Auf Instagram schlug jemand vor, das für das Konzert geplante Outfit anzuziehen und kleine Tanzvideos zu Swift-Songs zu posten, mit dem Hashtag #viennaswifties. "Wir bringen die sozialen Medien zum Glänzen" hieß es dazu. "Ist doch ein großartiger Tag, gleichzeitig mit Taylor Swift am Leben zu sein."

Die Kosten für die Tickets werden erstattet, aber auf Hotel- und Flugkosten dürften die meisten sitzenbleiben. Im Einzelfall müssen Betroffene in die Stornobedingungen des Anbieters schauen. "Ich schätze, dass viele nicht stornierbare Tarife gewählt haben und jetzt auf den Kosten sitzenbleiben", sagte die Reiserechtsexpertin Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum. Wer ein Paket mit Konzerttickets, Hotel und Anreise gebucht hat, dürfte bessere Chancen auf Erstattung haben. Die österreichische Bahn wollte direkt bei ihr gekaufte Tickets für die Anreise zu den Konzerten "aus Kulanzgründen" erstatten.

Barracuda Music hat den Fans zugesichert, dass die Tickets innerhalb von zehn Tagen erstattet werden. Was die Kosten für Miete des Stadions, Sicherheitsdienste und vieles mehr angeht: In der Regel schließen Veranstalter dafür Ausfallversicherungen ab, sagte Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V, der dpa. "Eine solche Versicherung umfasst Schäden und Verluste durch Abbruch oder Ausfall einer Veranstaltung, soweit der Veranstalter den Grund dafür nicht zu vertreten hat." Terrorgefahr zähle zu den versicherbaren Risiken.


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.