Innere Sicherheit

Deutschland schiebt wieder nach Afghanistan ab


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Vom Flughafen Leipzig/Halle ist am Morgen ein Flugzeug mit Straftätern abgehoben. (Archivfoto)

Von dpa

Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren hat Deutschland wieder afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben. Nach Angaben von Innenministerin Nancy Faeser handelte es sich um 28 Straftäter. Alle Betroffenen sind Männer, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Das sächsische Innenministerium teilte mit, die Maschine sei am Morgen vom Flughafen Leipzig/Halle abgehoben. Zuvor hatte der "Spiegel" berichtet. Nach dpa-Informationen sollen die verurteilten Straftäter vor einer möglichen Abschiebung einen Großteil ihrer Strafe hierzulande abgesessen haben.

Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen.

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Faeser dankte der Bundespolizei und den Ländern für die enge Zusammenarbeit.

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Bundeskanzler Scholz bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.

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Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht. (Archivfoto)

"Es ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen, sondern wir werden versuchen, das zu tun, wie man in diesem Fall sieht", sagte der SPD-Politiker bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig. Die Abschiebungen seien sorgfältig vorbereitet worden. Ein solches Vorhaben gelinge nur, "wenn man sich da Mühe gibt, wenn man es sorgfältig und sehr diskret macht".

Der Abschiebeflug startete zwar wenige Tage nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten tödlichen Messerattentat von Solingen, hat aber einen deutlich längeren Vorlauf, wie es aus Behördenkreisen hieß. Der "Spiegel" schrieb von zwei Monaten.

Das Vorgehen könnte nun auch eine Blaupause für künftige Abschiebungen nach Afghanistan und möglicherweise auch Syrien sein. Die Bundesregierung prüft Möglichkeiten zur Abschiebung in diese Länder seit Monaten. Dabei sollen auch Nachbarstaaten wie Usbekistan eine Rolle spielen.

Insbesondere die Grünen und auch ihre Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen.

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour betonte erneut: "Dieser Flug darf nicht zu einer Legitimation der Taliban führen". Abschiebungen in das Land "im großen Stil" sieht er auch weiter skeptisch. "Dafür bräuchte es eine direkte staatliche Zusammenarbeit, die mit den Steinzeit-Islamisten der Taliban nicht möglich ist", so der Grünen-Politiker. Gleichzeitig sei stets klar gewesen, "dass es technische Möglichkeiten geben kann, in wenigen Fällen Menschen nach Afghanistan zu fliegen", sagte Nouripour.

Baerbock hatte am Dienstag im RBB-Inforadio gesagt, bereits jetzt seien Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan vereinzelt machbar. Es sei angesichts der dort herrschenden Regimes aber "offensichtlich nicht trivial". Es sei zudem bereits Rechtslage, dass Straftäter und Gefährder keinen Schutzstatus bekämen oder ihn dann verlören und weggesperrt gehörten.

Das Asylrecht sieht Ausschlussgründe für Schutz in Deutschland vor, zum Beispiel Kriegsverbrechen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich in ihrem "Sicherheitspaket" vorgenommen, diese Liste zu erweitern unter anderem um antisemitischen Straftaten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, betonte, der Flug dürfe kein Einzelfall bleiben. "Es muss der erste Fall einer Reihe von Abschiebungen sein. Auch Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien dürfen kein Tabu sein."

Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht, die international vor allem wegen ihrer massiven Beschneidung von Frauenrechten in Kritik stehen. Insgesamt ist es seit der erneuten Machtübernahme der Taliban zu einem deutlichen Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen in dem Land gekommen, auch wenn es nach wie vor zu Anschlägen kommt.

Kritiker bemängeln unter der Taliban-Herrschaft ein hartes Vorgehen gegen Menschenrechtler, Demonstranten oder Journalisten, denen laut Menschenrechtsorganisationen Verhaftung, Verschwinden oder Folter drohen.

Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig befürchtet, dass die Abschiebungen künftig auch auf Afghanen ausgeweitet werden könnten, die nicht zu schweren Straftätern und Gefährdern zählen. Unklar sei auch, wie die in Afghanistan regierenden Taliban mit den abgeschobenen Männer verfahren, und ob sie etwa in Haft gelangen.

"Manche abgelehnte Afghanen könnten abgeschoben werden, bevor sie auch nur die Chance hatten, dagegen zu klagen", sagte Ruttig. Die ungewisse Zukunft des Bundesaufnahmeprogramms, das besonders gefährdeten Afghanen Schutz in Deutschland bieten soll, passe "in die politische Atmosphäre der Abwicklung des deutschen Afghanistan-Engagements", kritisierte der Experte weiter.

Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, zeigte sich alarmiert: "Menschenrechte haben wir alle - und niemand darf in ein Land abgeschoben werden, wo Folter droht", teilte Duchrow mit. Außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter seien unter den Taliban an der Tagesordnung. Die Regierung riskiere, "sich zur Komplizin der Taliban zu machen".


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.