Lokaljournalismus
Medien in der Kritik: Wie Lokalredaktionen glaubwürdig bleiben
5. Juli 2021, 18:58 Uhr aktualisiert am 5. Juli 2021, 18:58 Uhr
Elisabeth Geiling-Plötz ist Ressortleiterin bei der Chamer Zeitung und zuständig für die Berichterstattung im Landkreis. Sie bemerkt eine wachsende Grundskepsis gegenüber den Medien und ihrer Redaktion. Das habe in den vergangenen Monaten mit Corona zugenommen. "Die Lokalen sind ja noch ein bisschen glaubwürdiger, heißt es dann aber. Ich glaube, da unterscheiden die Leute schon noch. Im Großen werden sie skeptischer, im Lokalen kennt man viele Gesprächspartner, da ist man näher dran. Da haben wir noch einen Vertrauensvorsprung", sagt Geiling-Plötz.
Emanuel Socher-Jukic ist Ressortleiter der Lokalredaktion Landshut. Auch er sieht die Nähe des Lokaljournalismus als Vorteil gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. "Wir als Lokalzeitung haben einen anderen Stellenwert in der Wahrnehmung als ARD oder ZDF, die für die Menschen hier weit weg erscheinen. Die haben einen Blickwinkel aus Berlin oder München, den die Menschen auf dem Land nicht immer teilen", sagt Socher-Jukic. Den großen Medien wirft er vor, sich teils weit von ihren Nutzern entfernt zu haben. Im Lokalen dagegen komme man viel raus zum direkten Kontakt mit den Lesern. "Das Lokale ist dann als Korrektiv Gold wert."
Geiling-Plötz und Socher-Jukic beschreiben soziale Medien als entscheidenden Faktor für die Skepsis gegenüber vieler Medien. "Die Leute tun sich schwer mit dem Unterscheiden. Ist das jetzt ein offizielles Nachrichtenportal oder kommt dieser Facebook-Beitrag von einem privaten Blog. Da werten viele gar nicht, wie objektiv das ist oder wie der Beitrag recherchiert wurde", sagt Geiling-Plötz aus Cham.
In den sozialen Netzwerken werde schnell zum Shitstorm oder zur Hexenjagd geblasen und Themen schaukelten sich hoch, findet Socher-Jukic. "Im Lokalen bekomme ich eher einen Anruf in der Redaktion und kann vieles persönlich klären oder zumindest besprechen als über Twitter."
"Da werden ganz genau Zeilen gezählt"
Kritik komme jetzt im Wahlkampf aber auch von örtlichen Politikern und Abgeordneten, sagt Geiling-Plötz. "Da werden ganz genau Zeilen gezählt und wenn jemand mal mehr vorgekommen ist, beschwert sich der andere." Ein CSU-Kreisrat habe einmal gefordert, dass die Zeilenzahl an die prozentuale Verteilung im Parlament geknüpft sein müsse. "Das machen wir natürlich nicht, wir berichten über alles Relevante und entscheiden, was wie interessant ist", sagt Geiling-Plötz. Generell wird der Ton laut Geiling-Plötz gehässiger - auch bei jungen Politikern. Früher habe man nach einem abgelehnten Leserbrief oder einer kritischen Geschichte telefoniert und die Sache geklärt, heute kämen "hantige E-Mails" und Tendenz-Vorwürfe in der Redaktion an. Ihre Devise: "Wenn sich am Ende des Wahlkampfs alle bei uns beschwert haben, haben wir alles richtig gemacht", sagt Geiling-Plötz.
Dass man im Lokalen trotz aller Nähe zu den Protagonisten objektiv bleibt, erfordert laut der Chamerin Distanz. Sie duzt Politiker im Landkreis nicht - mit einer Ausnahme: Ihr Mann kandidierte als Bürgermeister für die Stadt Cham, deswegen berichtet Geiling-Plötz nicht über Stadtgremien und -politik.
Socher-Jukic sieht in der Vielfalt innerhalb seines Teams die Garantie für ausgewogene Berichterstattung. "Politisch gesehen sind bei uns in der Redaktion alle Präferenzen innerhalb des demokratischen Spektrums vertreten. Das ist eine sehr gute Voraussetzung für journalistische Arbeit. Dadurch sind wir bei der Themenfindung nicht so schnell von Trends getrieben und kochen nicht jede Kleinigkeit hoch." Die Entscheidung über die Berichterstattung folgt letztlich aber journalistischen Kriterien, nicht persönlichen Präferenzen.
Subjektivitätsvorwürfe gebe es dennoch auch in Landshut. Socher-Jukic sieht die aber nicht negativ: "Man knickt nicht bei jeder Beschwerde ein, aber wenn sie berechtigt ist, muss man sich damit auseinandersetzen. Man will ja die Breite der Leserschaft erreichen."