Bayern

Idee: Werden Rikschas bald Teil des MVG-Angebots?

Moderne E-Rikschas als Bestandteil des ÖPNV? Rikscha-Fahrten in der Innenstadt könnten schon bald als Kurzstrecke gelten, schlägt Falk Hilber vor. Er ist Geschäftsführer von "Rikschaguide".


Falk Hilber auf einer Rikscha. Er ist Geschäftsführer von Rikschaguide.com.

Falk Hilber auf einer Rikscha. Er ist Geschäftsführer von Rikschaguide.com.

Von Laura Meschede

AZ-Interview mit Falk Hilber: Er ist Geschäftsführer der Firma rikschaguide.com und bietet seit 2007 mit der Rikscha Touren und Eventfahrten an. Seine Vision: Pedicabs für Kurzstrecken.

AZ: Herr Hilber, Sie wollen moderne E-Rikschas als Bestandteil des ÖPNV etablieren. Wie soll das funktionieren. Was darf man sich darunter vorstellen?
FALK HILBER: "Die Rikscha-Fahrten in der Innenstadt könnten als Kurzstrecke gelten. Meine Vision ist es, dass E-Rikschas innerhalb des erweiterten Altstadtrings von der Stadt als Teil des ÖPNV angeboten werden. Dann hätten die Münchnerinnen und Münchner die Möglichkeit, beispielsweise nach dem Shopping in der Kaufingerstraße mit der E-Rikscha zum Odeonsplatz zu fahren - und das als Teil des MVG-Angebots. Dafür habe ich ein Konzept entworfen, das ich an die Stadtratsfraktionen gesendet habe. Die ersten Reaktionen waren durchaus positiv.

Was bedeutet das?
Das heißt zunächst einmal nur, dass mein Vorschlag im Stadtrat bekannt ist. Positive Rückmeldungen gab es von der SPD, den Grünen und aus dem Büro des Oberbürgermeisters, der das Konzept zur Prüfung an das Mobilitätsreferat weitergegeben hat. Es gab auch erste Gespräche mit der MVG. Dabei geht es erst einmal nur um eine Machbarkeitsprüfung, und dann um die Umsetzung eines Pilotversuchs. Mit dem könnte dann getestet werden, wie gut das angenommen wird.

Wie viele Rikschafahrer gibt es denn eigentlich in München?
Ich schätze, dass es während der Sommermonate letztes Jahr 70 aktive Rikschafahrer in München waren. Vor Corona waren es deutlich mehr, das hat seine Spuren hinterlassen. Während der Wiesn sind es sicher über 200.

Sind das nicht zu wenige Fahrer, um die Zehntausenden MVG-Kunden zu bedienen?
Hierauf eine Antwort zu geben, ist noch zu früh. Mein Vorschlag ist erstmal nur, in dem Pilotprojekt, sagen wir mal, fünf E-Rikschas zur Verfügung zu stellen - und dann mit ihnen zu testen, inwieweit das Angebot für Kurzstrecken in der Altstadt von den Menschen angenommen wird.

Eine Kurzstrecke kostet bei der MVG 1,90 Euro. Fahrten mit der Rikscha würden also merklich billiger werden. Wäre das für Sie als Betreiber eines Rikscha-Unternehmens nicht eher nachteilig?
Bisher ist das Potenzial der Fahrradrikscha als Erlebnisangebot im Städtetourismus ein riesiger Erfolg - aber eben nur zur Hälfte ausgeschöpft. Es gibt zwar Gäste, die mit uns nur von A nach B wollen. Aber der Großteil des Mobilitäts-Publikums hat die Fahrradrikscha noch nicht für sich entdeckt. Es handelt sich ja um zwei Angebote, die unterschiedliche Zielpublikums ansprechen. Das gibt es auch in der Taxibranche. Was viele nicht wissen: Taxis bieten nicht nur Fahrten von A nach B an, sondern auch Erlebnisfahrten und Touren. Die kosten natürlich mehr als die Fahrt von A nach B. Aktuell gibt es zwar Gäste, die mit uns nur von A nach B wollen, aber der Großteil des Mobilitäts-Publikums hat die Fahrradrikscha noch nicht für sich entdeckt. Und diese Erschließung kann nur von der Stadt geleistet werden und läuft natürlich auch über den Fahrpreis. Ich bin zudem überzeugt, dass sich eine Erschließung des Mobilitäts-Sektors nicht nachteilig auf uns als Erlebnisanbieter auswirken würde.

Warum sind Sie sich da so sicher?
Zu Beginn der Corona-Pandemie durfte unsere Branche während der Ausgangsbeschränkungen in Bayern keine Touren und Eventfahrten mehr anbieten, weil sie als Freizeitaktivität galten. Viele Fahrer haben deswegen während Corona aufgehört. Um die Einschränkungen auszugleichen, habe ich auf rikschaguide.com einen Taxi-Tarif innerhalb der Innenstadt eingeführt, den die Kollegen über die App aktivieren und anbieten konnten. Gewissermaßen als Notnagel. Unser Tourengeschäft war ja faktisch tot. Wir haben überall geworben für diesen Altstadttarif FIX. Aber, na ja, sagen wir: Die Menschen haben uns nicht gerade die Bude eingerannt. Es war ja Ausgangsbeschränkung, und daher per se weniger los auf der Straße. Und wo keine Nachfrage, da lohnt sich kein Angebot. Als wir zwischen den Ausgangsbeschränkungen unsere Erlebnisfahrten wieder anbieten durften, hat sich dann gezeigt: Dem Erlebnis-Publikum ist es egal, ob dieselbe Taxifahrt 14 oder 28 Euro kostet. Es steht eben das Erlebnis im Vordergrund, und bisher nicht so sehr nur von A nach B zu kommen und wenn, dann auch mit Schwerpunkt auf dem Erlebnis, wie bei der Wiesn.

Würde es sich denn finanziell überhaupt lohnen, Fahrten mit der E-Rikscha zu dem Preis einer MVG-Kurzstrecke anzubieten?
Das sind Detailfragen, für die es noch zu früh ist. Darüber muss sorgfältig nachgedacht werden, inwiefern Fahrten als Teil des MVG-Tarifsystems angeboten werden können.

Es ist auch eine etwas exklusivere Fortbewegung, von einem Fahrer maximal zu zweit chauffiert zu werden. Das müsste eventuell auch eingepreist werden. Aber der öffentliche Personen-Nahverkehr wird ja bezuschusst und von der öffentlichen Hand, den Steuerzahlern, also von dir und mir mitgetragen.
In einem Pilotversuch wäre der Fahrer fest angestellt bei der MVG - und ja, wirtschaftlich zu Ende gedacht, müsste es sich dann über das Volumen lohnen.Also darüber, dass das Angebot von vielen Menschen genutzt wird. Der gesamte ÖPNV ist aber immer auch eine Mischkalkulation. Es gibt gewinnbringende Bereiche, die defizitäre Bereiche mittragen. Auch der Bund muss viel zuschießen, damit sich der ÖPNV der Länder trägt. Der Auftrag des ÖPNV in Deutschland ist ja nicht in erster Linie, gewinnbringend zu sein. Wäre natürlich toll, aber in erster Linie ist der Auftrag, allen Menschen eine klimafreundliche, erschwingliche, geteilte und inklusive Mobilität zu ermöglichen.

Aber denken Sie nicht, dass es schnell zu Frustration kommen könnte, wenn sich Leute am Automaten eine Fahrkarte für eine Fahrt mit der E-Rikscha kaufen - und dann stundenlang auf diese warten müssen, weil erst einmal die 700 Kunden vor ihnen abgefertigt werden müssen?
Das wäre ja großartig. Weil das bedeuten würde, dass das Angebot angenommen wird. Es wäre ein mehr als erfolgreicher Pilotversuch. Der nächste Schritt wäre, das Konzept auszubauen. Die Buchung muss einfach sein. Am Automaten, direkt an den Standplätzen in der Innenstadt, über multimodale Apps und Plattformen oder für die ältere Generation auch über Telefon.

Wie lange dauert denn eine Fahrt mit der E-Rikscha durch die ganze Münchner Innenstadt?
Das kommt darauf an. Vom Stachus zum Marienplatz dauert die Fahrt weniger als fünf Minuten. Und dabei wird nicht durch die Kaufinger gefahren, sondern außen herum, weil die Kaufinger als Fußgängerzone von 9 bis 21 Uhr für Fahrräder gesperrt ist. Das geht also wirklich zügig.

Wenn alles so läuft, wie Sie sich das vorstellen - wann können wir dann mit den ersten MVG-Rikschas auf den Straßen rechnen?
Zunächst einmal finden jetzt Gespräche statt. Meine Aufgabe sehe ich dabei im Hintergrund, alle an einen Tisch zu bringen und ganz allgemein für die Sache zu begeistern.

Sollte es zu einem Pilotversuch kommen, sehe ich 2024 als realistisch an. Als drittgrößte Stadt braucht in München alles etwas länger, das ist auch gut so, es soll ja auch Hand und Fuß haben. Ich möchte dazu begeistern, es einfach mal auszuprobieren. Und ich freue mich natürlich, wenn es klappt.