Bayern

MVG-Streik ohne Stress: Warum es an Haltestellen entspannt zuging

Am ersten Tag des MVG-Streiks ist die Lage an Bahnhöfen in der Innenstadt entspannt, nur wenige Fahrgäste verirren sich zur U-Bahn. Vielerorts fehlen aber Informationen am Gleis


Einige Menschen haben sich an diesem Donnerstag einen Roller geschnappt, um mobil zu bleiben.

Einige Menschen haben sich an diesem Donnerstag einen Roller geschnappt, um mobil zu bleiben.

Von Anna-Maria Salmen

München - Ist heute wirklich Streik? Tritt man an diesem Morgen um kurz nach acht Uhr aus den Türen am Ostbahnhof, könnte man zunächst daran zweifeln. Die Bushaltestelle gegenüber wirkt auf den ersten Blick nicht anders als sonst. Gerade fährt die Linie 62 zum Rotkreuzplatz ein, Menschen steigen aus und ein. Auch das, was man auf der Anzeigetafel zu lesen bekommt, unterscheidet sich kaum von den normalen Meldungen. In zwei Minuten fahren Busse ab, der nächste zehn Minuten später. Auf den umfangreichen MVG-Streik deutet nur ein kleiner Hinweis hin: "U-Bahn außer Betrieb, massive Einschränkungen im Busverkehr."

Deutlicher wird es, wenn man die Warnung ignoriert und sich trotzdem auf den Weg zur U-Bahn macht. Am Durchgang hält ein blaues Gittertor auf. Verzweifelte Fahrgäste sucht man aber vergeblich. Dass Streik ist, haben die meisten offenbar mitbekommen.

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Vor dem Hauptbahnhof kommen normalerweise im Minutentakt Trambahnen an. Nicht so am Donnerstag.

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Am Odeonsplatz hat sich kein Fahrgast auf den Bahnsteig verirrt. Es fährt ja auch nichts.

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Am Odeonsplatz hat sich kein Fahrgast auf den Bahnsteig verirrt. Es fährt ja auch nichts.

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Am Busbahnhof vorm Ostbahnhof denkt man zunächst, es ist gar kein Streiktag. Busse fahren immer wieder ab.

Was am Donnerstagmorgen zuverlässig in die Innenstadt fährt, ist die S-Bahn. An Gleis 1 wartet ein Bahnmitarbeiter in orangefarbener Weste. Wer nur ein wenig irritiert aussieht, wird gleich freundlich gefragt, ob er Hilfe brauche. In diesem Fall ist keine Unterstützung nötig: An beiden Gleisen des Bahnsteigs stehen Züge in Richtung Innenstadt bereit.

Chaos und Überfüllung herrschen hier nicht - obwohl die S-Bahnen für viele während des Streiks die einzige Fortbewegungsmöglichkeit sind. Beim Einsteigen in die S2 nach Altomünster findet sich bequem ein Sitzplatz. Zwei Jugendliche nehmen ebenfalls Platz. Sie müssen in die Schule am Olympiapark und würden dafür normalerweise die U3 nehmen, erzählt eines der Mädchen. Und jetzt? Sie lachen, wirken entspannt. "Wir versuchen mal, nach Obermenzing zu fahren und dann mit dem Bus weiterzukommen."

Deutlich bemerkbar macht sich der Streik am Marienplatz. Kennt man das Zwischengeschoss, wie es zu Stoßzeiten aussieht - unzählige Menschen, die kreuz und quer zu den Gleisen hasten -, kann man es am Donnerstag gegen halb neun kaum wiedererkennen, so verwaist ist es. Die U6 fährt zu diesem Zeitpunkt zwar vereinzelt, allzu viele Passagiere wollten sich darauf aber nicht verlassen.

An der Oberfläche fragt vorsichtig eine ältere Dame, ob da unten denn noch etwas fahre. Sie muss zum Arzt, sagt sie, den Termin hat sie schon vor drei Monaten vereinbart. Vom Streik wusste da noch niemand. Die Frau hat Glück: Ihr Ziel befindet sich an der Münchner Freiheit, die sie mit der U6 erreichen kann.

Mehr Pech hat ein junger Mann mit verletztem Bein, der am Odeonsplatz umherirrt. Eigentlich wollte er die U4 nehmen, um in die Klinik am Arabellapark zu kommen. Dass hier gar nichts fährt, kann er kaum glauben. "Dann muss ich mir jetzt halt ein Taxi rufen", sagt er resigniert und humpelt Richtung Ausgang.

Die Irritation kann man ihm kaum verdenken, am Gleis erhalten verirrte Fahrgäste nur wenige Informationen. Die Anzeigetafel verkündet um neun Uhr immer noch, dass hier Züge in Richtung Max-Weber-Platz abfahren. Nur das immer gleich lautende, allgemeine Hinweisband läuft durch.

Abgesehen von dem jungen Mann suchen jedoch kaum Passagiere ihren Anschluss am Odeonsplatz. Schlagartig fühlt man sich am Bahnsteig an die Bilder aus Lockdown-Zeiten erinnert. Gespenstische Leere herrscht, nur eine Maus huscht vor den Füßen vorbei. Die Rolltreppen und die großen Bildschirme sind trotzdem in Betrieb. Zwischen dem Wetter im Skigebiet Kitzbühel und einer Werbung für ein orientalisches Spa erscheint darauf auch mal die Streikmeldung.

Entscheidet man sich für den Fußweg vom Odeonsplatz zum Hauptbahnhof, kann man auffällig viele Taxis beobachten. Verkehrschaos gibt es aber nicht. An den Tramstationen am Bahnhofsplatz setzt sich die Unsicherheit fort, die auch an anderen Stationen in manchen Gesichtern zu erkennen war. Die Anzeigetafeln dort sind leer, entsprechend wenige Passagiere stehen da. Wer wartet schon, wenn er nicht weiß, ob und wann hier etwas abfährt?

Tatsächlich rollt wenig später eine Tram Richtung Stachus - fast niemand sitzt darin. Die Internetseite der MVG informiert im Laufe des Vormittags zwar darüber, dass die Linie 20 in unregelmäßigem Takt fährt. Aber die Möglichkeit, unterwegs nachzuschauen, haben manche Fahrgäste nicht. Gerade Ältere wären auf verlässliche Informationen direkt an der Haltestelle angewiesen, das zeigt sich am Donnerstag immer wieder.

An der Kreuzung zur Prielmayerstraße tut sich dann noch eine unerwartete, entschleunigende Möglichkeit auf: Zwei rote Doppeldecker-Busse warten dort auf Touristen. Auf ihrer Runde fahren sie immerhin zentrale Punkte in der Stadt an.

Wieso also nicht den Arbeitsweg mit Sightseeing verbinden, falls alles andere versagen sollte?