Überblick

Tuchels Schirischelte ist billig, aber kalkuliert

Patrick Strasser, der Bayern-Reporter der AZ, über das Aus des FC Bayern gegen Manchester City.


Mit seiner Wut auf den Schiedsrichter beim Spiel gegen Manchester City kaum zu bremsen: Bayern-Trainer Thomas Tuchel.

Mit seiner Wut auf den Schiedsrichter beim Spiel gegen Manchester City kaum zu bremsen: Bayern-Trainer Thomas Tuchel.

Von Patrick Strasser

Die Chance war gering, entpuppte sich jedoch als groß genug, um sie wahrnehmen zu können. Die Hypothek des Hinspiels, das 0:3 in Manchester, stellte sich als zu hoch heraus. Dass die Bayern im Rückspiel am Wunder schnupperten, muss man Thomas Tuchel zuschreiben. Die Ergebnisse in diesem Viertelfinale stimmten zwei Mal nicht, die Art ihres Auftritts macht den Bayern und ihrem neuen Trainer aber Hoffnung. Ein Neuanfang mit einem 1:1, bei einem Ausscheiden aus der Champions League - das hat es bei Bayern noch nicht gegeben.

Tuchel hat zwar den zweiten Titel nach dem DFB-Pokal verspielt, kann mit der Meisterschaft aber noch das Mindestziel erreichen. Vorgänger Julian Nagelsmann hätte man diese Bonsai-Ausbeute als Versagen ausgelegt. Für Tuchel bedeutet das positive Auftreten sogar Rückenwind für die nächsten Wochen. Vor seinem Einstieg ("Was? Jetzt? Wir reden nicht von Sommer?") hatte er aufgrund der Fallhöhe Bedenken, nun hat er Klarheit. Das System, der Kader, die Startelf - für Tuchel ergeben sich mehr Ausrufe- als Fragezeichen. Woran muss er arbeiten? Mit welchen Spielern? Welche Transfers wären sinnvoll? Die Bosse hatten überlegt, Nagelsmann erst zum Saisonende vor die Tür zu setzen, um mit einem unbelasteten Nachfolger in den Sommer gehen zu können. Sie gingen bewusst das Risiko ein, dass Tuchel beschädigt und titellos die Saison anpacken muss. Mit der Meisterschaft könnten die Bayern einen versöhnlichen Abschluss dieses viel zu turbulenten Jahres erreichen.

Könnten? Sie müssen. Dass Tuchel nach dem 1:1 über Platz und Referee ("Note 6!") schimpfte, war einerseits billig, andererseits kalkulierte Rhetorik. Der Rasen wird eines Tages ausgetauscht und die Schiri-Schelte vergessen sein. Auch wenn dem Kader für das höchste europäische Niveau Qualität fehlt, ist Tuchel zu clever, um dies öffentlich zu bemängeln. Für die erste richtige TT-Saison braucht er seine Spieler noch, die meisten zumindest. . .