AZ-Interview

Finalturniere? Pesic: "Jeder soll selbst entscheiden"


Im Duell in der Euroleague mit seinem Ex-Klub Bayern um Paul Zipser (2.v.l.): Svetislav Pesic (l.).

Im Duell in der Euroleague mit seinem Ex-Klub Bayern um Paul Zipser (2.v.l.): Svetislav Pesic (l.).

Von Katharina Federl

Svetislav Pesic, Coach des Basketball-Teams aus Barcelona, spricht im AZ-Interview über die Situation in Spanien und die mögliche Fortsetzung der Saison. "Wenn die BBL weiterspielen kann, wäre das schon eine Message auch für unsere Liga."

AZ: Herr Pesic, wie geht es Ihnen und wie erleben Sie den anhaltenden Corona-Alarmzustand in Barcelona?
Svetislav Pesic:
Mir und meiner Frau Vera geht es gut hier. Zum ersten Mal in unserem Leben können wir so viel Zeit miteinander verbringen. Seit 11. März konnte man sich hier in Spanien nicht mehr wirklich bewegen, außer zum Supermarkt oder zur Apotheke zum Beispiel. Letzte Woche wurde es ein bisschen gelockert, zu bestimmten Zeiten darf man jetzt nach draußen gehen und ein bisschen Sport machen.

Wie sah Ihr Alltag zuletzt aus?
Wir telefonieren viel mit unserer Familie, mit unserem Sohn Marko, unserer Tochter Ivana und den Enkelkindern. Dafür haben wir die neue, moderne Technik gemeistert, nutzen zum Beispiel Skype und Whatsapp. Das war und ist eine angespannte Zeit, aber auch eine schöne und interessante, in der wir viele neue Dinge entdeckt haben. Da, wo wir wohnen, können wir uns etwas mehr bewegen. Wir können spazieren gehen, ein bisschen Stretching machen, Gymnastik oder Basketball. Ich habe auch eine Erlaubnis, dass ich ab und zu in mein Büro im Stadion fahren kann. Eigentlich hat sich nicht viel geändert. (lacht)

Coronatests: "In Spanien tut man alles dafür, dass man spielen kann"

Nach München zurückzukehren war nicht möglich, oder?
Nein, der Klub hat entschieden, dass keiner Spanien verlassen soll. Alle Trainer und alle Spieler mussten hier in Barcelona bleiben. Wir haben den Spielern ein spezielles Programm für Zuhause mitgegeben und ihnen Fahrräder nach Hause geschickt. Wir haben mit unseren Athletik-Coaches sozusagen online trainiert, Cyber-Training gemacht, damit die Spieler zumindest nicht allzu viel Fitness verlieren.

Einst bei Bayerns Basketballern, jetzt bei Barcelona: Trainer Svetislav Pesic.

Einst bei Bayerns Basketballern, jetzt bei Barcelona: Trainer Svetislav Pesic.

Das ist nun nicht mehr nötig.
Ja. Wir haben unsere Spieler am Montag auf das Coronavirus getestet und alle Tests waren negativ. Deshalb haben wir gestern wieder unter entsprechenden Vorkehrungen mit dem individuellen Training in der Halle begonnen. Ich hoffe, dass wir Ende nächster Woche wieder mit der Mannschaft trainieren können.

Die BBL plant bereits, die Saison mit einem Turnier in München fortzusetzen.
Hier in Spanien wird genau verfolgt, wie die Situation in Deutschland ist. Ich hoffe, dass bald wieder Fußball und Basketball gespielt werden. In anderen Ländern wurde die Saison ja teilweise bereits beendet. In Deutschland und Spanien wird dagegen alles dafür getan, dass man noch spielen kann.

Pesic: "Keine Frage: Das Allerwichtigste ist Gesundheit"

In Spanien gibt es ähnliche Pläne wie in der BBL, oder?
Wenn wir überhaupt spielen können, werden wir das auch nur an einem Ort tun. Am Anfang war Gran Canaria als Austragungsort im Gespräch und dass die ersten zwölf Mannschaften in zwei Gruppen gegeneinander spielen. Sowohl in unserer Liga als auch in der Euroleague würde nur an einem Ort weitergespielt werden, wie die Konzepte vorsehen, ab dem 21. Juni beziehungsweise dem 4. Juli in der Euroleague. In Deutschland wird das einfacher, das zu organisieren, in München sowieso. Die medizinische Versorgung ist dort auf einem sehr hohen Level.

Die BBL hofft bis 18. Mai auf eine positive Entscheidung der Behörden. Wie wichtig wäre das für den Basketball?
Wir müssen diese große Chance für unseren Sport ergreifen. Einige Verbände haben eine sehr schnelle Entscheidung getroffen und nicht abgewartet, wie sich alles entwickelt. Was der deutsche Fußball-Verband, die BBL oder auch wir hier in Spanien gemacht haben, ist an die Zeit angepasst, in der wir momentan alle leben. Hier wird versucht, alles vorzubereiten, alles zu unternehmen, damit es vielleicht möglich ist, dass unser Sport weiter existiert und stattfindet. Wir wissen alle, dass das Coronavirus eine sehr gefährliche Sache ist, aber das Leben muss weitergehen. Das Risiko ist schon geringer geworden, wird aber immer bleiben, bis ein Impfstoff gefunden wird. Sport ist wichtig für die Gesellschaft. Aber keine Frage: Das Allerwichtigste ist Gesundheit. Das wird mindestens bis Jahresende das Dilemma bleiben.

Können Sie die Gedanken der Spieler nachvollziehen, die sich um ihre Gesundheit sorgen?
Darüber haben wir uns beim FC Barcelona auch Gedanken gemacht. Was, wenn ein Spieler sagt: "Ich will meiner Mannschaft helfen, aber ich habe Angst um meine Familie." Das ist eine legitime Entscheidung, die jeder Spieler und jeder Trainer treffen können sollte. Jeder soll selbst entscheiden. Das werden wir alle respektieren und akzeptieren.

"Wenn die Bundesliga spielen kann, warum sollen wir dann nicht auch?"

Sie gehören zur Risikogruppe. Wie groß sind Ihre Bedenken?
Ich muss sowieso viel trainieren und in meine physische Verfassung investieren, um weiter mit den sogenannten modernen, jungen Trainern mitzuhalten. So wie es aussieht, werde ich bis zu meinem 80. Geburtstag damit keine Probleme haben. (lacht) Bei mir hat sich gar nichts geändert. Mein Leben ist sehr gezielt organisiert, seitdem ich Spieler war. Ich achte auf meine Ernährung, fühle mich gut und hoffe, dass das weiter so bleibt.

Welche sportlichen Erwartungen hätten Sie an ein Saison-Final-Turnier?
Es ist ein ganz neues System, jeden zweiten Tag ein Spiel. Da wird es die ein oder andere sportliche Überraschung geben. Allzu große Basketball-Qualität erwarte ich allerdings nicht. Denn zwei Monate gar nicht trainieren zu können, wird sicher seine Konsequenzen haben. Es ist eine ganz neue Situation für alle und es bleibt nicht viel Zeit, sich physisch, taktisch und mental darauf vorzubereiten. Man muss auch sehr vorsichtig sein wegen möglicher Verletzungen. Denn die Belastung wird eine andere sein. Wir Basketballer kennen das von den EM- oder WM-Turnieren. Neu sind aber die zwei Monate Pause, die kein Basketballprofi jemals erlebt hat.

Die Basketballwelt schaut nun also nach München, oder?
Die Entscheidung, in Deutschland wieder Fußball zu spielen, hat uns auch in Spanien Optimismus gegeben, dass die spanische Liga ebenfalls fortgesetzt werden kann. Hier in Spanien muss bis zum 31. Mai eine Entscheidung über den Sport getroffen werden. Wenn in Deutschland zuvor entschieden wird, dass die BBL weiterspielen kann, wäre das schon eine Message auch für unsere Basketballliga. Viele sagen: "Wenn die Bundesliga spielen kann, warum sollen wir dann nicht auch spielen?"

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