Überblick

Der Mini-Komplex des EHC gegen kleine Gegner

Unterschätzen verboten: Wieder mal unterliegt Don Jacksons Team am Oberwiesenfeld gegen einen Hinterbänkler der Liga, die Nürnberger.


Später K.o.: Nürnbergs Daniel Schmölz (v.l.) gegen Sten Fischer und Daniel Allavena.

Später K.o.: Nürnbergs Daniel Schmölz (v.l.) gegen Sten Fischer und Daniel Allavena.

Von wim

München - Es war schon spät am Abend und die Kinder in der Heia, nicht im Olympia-Eisstadion. Insofern sei es Trevor Parkes verziehen, dass er mit seiner kratzigheiseren Bassstimme das F-Wort brüllte. Der Stürmer des EHC Red Bull München hatte gerade auf der Strafbank Platz genommen und ahnte, was passieren würde. Und es passierte.

Acht Sekunden, ehe Parkes wieder aufs Eis hätte zurückkehren dürfen, gelang den Nürnberg Ice Tigers das Führungstor. Die Franken sind sonst das schlechteste Überzahl-Team der Liga und hatten erst 13 Mal bei Mann-Vorteil getroffen (EHC: 39 Mal). Aber Dane Fox schoss zum 3:2 ein. Nürnberg gewann, wegen des starken und effektiven Schlussdrittels nicht unverdient, dank einem Empty-Netter von Fox in der Schlusssekunde schließlich mit 4:2.

Schon wieder eine Pleite des Tabellenführers gegen Nürnberg! Die zweite in drei Vergleichen in dieser Saison, zum zweiten Mal am Oberwiesenfeld. Verteidiger Zach Redmond, der nach Justin Schütz 1:0 zum 2:1 getroffen hatte, meinte: "Solche Teams können dich fordern."

Ohnehin plagt den sonst so dominanten EHC ein erstaunliches Leiden: Sechs Pleiten in eigener Halle hat Don Jacksons Mannschaft kassiert - immer stand der Gegner (zweimal Nürnberg, zweimal Schwenningen, Bremerhaven, Düsseldorf) am Spieltag nicht unter den Top-Sechs, viermal gar außerhalb der Playoff-Plätze. Pleiten gegen die Kleinen der DEL. Der EHC leidet am Mini-Komplex.

Das Phänomen ist auf zwei Arten erklärbar. Erstens: Die Gegner brauchen dringend Punkte, um den Sprung in die Top-Sechs (direkter Viertelfinalplatz) oder die Top-Zehn (Playoffplatz) zu schaffen. Nürnbergs Co-Trainer, der Rosenheimer Manuel Kofler, meinte nach dem 4:2 beim EHC: "Ein sehr, sehr wichtiger Sieg für uns im Kampf um die Playoffs." Schwenningen und Bremerhaven waren zudem nach längeren Niederlagenserien angesäuert angereist.

Fazit: Die Gegner gehen mit den Messer zwischen den Zähnen in die Partien.

Und dann gibt es noch die zweite Perspektive: die des EHC, der sich gegen die ganzen Spitzenteams schadlos hielt. Da gaben Patrick Hager und sein Team nur ein Pünktchen zuhause her, gegen die Straubing Tigers.

Und der EHC begann auch gegen Nürnberg dominant. In den ersten zehn Minuten war das Eis in der Münchner Zone noch fast unverkratzt, ganz anders in der Nürnberger Zone. Danach brachte der EHC den Gegner zurück ins Spiel.

Redmond forderte sein Team auf, "das Spiel einfacher zu halten und die Scheibe schneller laufenzulassen". Die Nürnberger "Trap" (eine grimmige Defensivtaktik) verleite dazu, sich zu verkünsteln.

Hat der Mini-Komplex neben dem Systemkonflikt auch was mit Unterschätzen zu tun? Wohl schon. Gegen Nürnberg etwa brachten die EHC-Coaches nach zwei Spitzenspielen alle vier Reihen gleichmäßig (was sich durch späte Fehler rächte) und schonten den Stammtorhüter. Stürmer Andreas Eder kritisierte, man habe sich 50 Minuten nicht ans System gehalten. Man könne nicht mit einer Führung ins Schlussdrittel gehen und den Sieg erwarten, "egal, wie du spielst. Heute wurden wir dafür bestraft."