AZ-Interview

Danner: "Zwei Schumachers in der Formel 1? Gut möglich!"


David (links) und Mick Schumacher bei einem DTM-Lauf auf dem Nürburgring.

David (links) und Mick Schumacher bei einem DTM-Lauf auf dem Nürburgring.

Von Guido Verstegen / Online

Ex-Pilot und Motorsport-Experte Christian Danner blickt in der AZ in die Zukunft der Königsklasse und erklärt, warum man Vettel nie abschreiben sollte: "Er hat schon so manche Klippen überwunden."

Der in München geborene Ex-Rennfahrer (61) startete in den 1980er-Jahren 36 Mal in der Formel 1. Heute arbeitet er als Experte für RTL.

AZ: Herr Danner, wie erleben Sie Sebastian Vettel aktuell in Sotschi? Wirkt er nach dem ersten Sieg seit über einem Jahr gelöster?
CHRISTIAN DANNER: Gelöst ist der falsche Ausdruck. Ich würde sagen, er wirkt sehr konzentriert. Er weiß natürlich, dass der Erfolg in Singapur ihm Luft verschafft hat. Genauso ist ihm aber klar, dass sich der Positionierungskampf innerhalb des Teams weiter hinziehen wird. Er hat da mit Charles Leclerc einen Teamkollegen, der ist schon nicht so leicht zu packen.

Wie nachhaltig war der letzte Erfolg für Vettel?
Sportliche Wiederauferstehung oder nur ein Strohfeuer? Nein, ein Strohfeuer war das sicher nicht. Vettel fährt ja nicht langsam. Er hat im Prinzip nur ein paar Probleme die letzten ein, zwei Zehntel im Qualifying aus seinem Auto herauszukitzeln. Das lässt sich aber lösen. Ansonsten ist er mindestens genauso schnell wie Leclerc, wenn nicht sogar schneller.

Christian Danner.

Christian Danner.

Christian Danner: Leclerc kann nicht machen, was er will

Kann er sich als Nummer-1-Fahrer bei Ferrari behaupten?
Ferrari hat mit Mattia Binotto den perfekten Teamchef. Der hat zu Beginn des Jahres klar gesagt: Vettel ist meine Nummer eins. Basta. Das hat zwei Vorteile: Vettel hat die Rückendeckung, um Siege zu fahren, und von Leclerc wird damit automatisch Druck genommen. Nun hat man aber zwei Nummer-1-Fahrer. Jetzt wird eben der im Rennen bevorzugt, der die Nase vorne hat.

Zuletzt gab es schon Rücktrittsgerüchte um Vettel. Denken Sie, er würde sich als Nummer zwei bei Ferrari unterordnen?
Das muss er doch gar nicht. Wenn er dem Leclerc hilft, dann macht er das für sein Team, für Ferrari. Genau deshalb war er auch zuletzt öfters sauer, dass Leclerc ihm und dem Team eben mal nicht geholfen hat. Von daher war das in Singapur schon ganz gut für Leclerc zu sehen, dass er nicht machen kann, was er will. Dass sie ihm deutlich gemacht haben, dass einzig Ferrari der Chef ist. Das ist, was zählt. Zuletzt hatte man öfter den Eindruck, dass Vettel seine Nerven nicht im Griff hat, gerade unter Druck. Na ja, Vettel hat in seiner langen, erfolgreichen Karriere schon die eine oder andere Klippe überwunden. Seine Stärke ist, dass er Dinge, die geschehen sind, sehr gut abhaken kann und am nächsten Wochenende wieder mit einem weißen Blatt Papier antritt.

Dass wir uns überhaupt über das Duell Vettel gegen Leclerc unterhalten, liegt auch an der neuen Stärke von Ferrari. Woher kommt der plötzliche Leistungsanstieg?
Die Frage ist: Weiß Ferrari selbst ganz genau, woher das kommt? Oder sind sie eher zufällig dahingekommen, wo sie jetzt sind? Ich glaube, dass man sich bei Ferrari Stück für Stück an die Optimierung rantastet, aber es war auch ein bisschen Glück in der Abstimmung dabei. Manchmal lernt man eben nur durch Ausprobieren dazu.

Christian Danner: "Hamilton ist einfach Extra-Wahnsinnsklasse"

Und das Weltmeister-Team? Was war zuletzt los mit Mercedes und Lewis Hamilton?
Da kamen ein paar Dinge zusammen. Mal hat man sich verschätzt, mal die falsche Strategie gewählt. Aber so schlecht sind die nicht. Sie haben jetzt eben auch mal Fehler gemacht. Und wenn der Gegner auf Augenhöhe agiert, dann verliert man auch mal.

Versetzen wir uns mal in Hamiltons Lage: Freut der Ehrgeizling sich nun, dass er endlich gefordert wird, oder ist er eher sauer, wenn er nicht im Rampenlicht, also auf dem Siegerpodest, steht?
(lacht) Eine sehr gute Frage. Also das Einzige, das Hamilton interessiert, ist, dass er gewinnt. Der Rest ist ihm völlig wurst. Glauben Sie mir, der stellt schon immer sicher, dass die Welt weiß, was für ein herausragender Fahrer er ist. Und eigentlich muss er auch gar nichts sagen. Der fährt und ist dabei einfach Extra-Wahnsinnsklasse.

Christian Danner: Das rät er Mick Schumacher

Da Hamilton fast als Champion feststeht: Wer, denken Sie, kann ihm im nächsten Jahr am gefährlichsten werden?
Drei Fahrer: Leclerc, Max Verstappen und natürlich auch Vettel. Für ihn wird es zwar immer schwieriger, aber ich sehe ihn weiter in der Lage, da mitzuspielen. Und mit Leclerc und Verstappen hat Hamilton schon zwei neue Jungs am Hals. Da wünsche ich ihm viel Vergnügen. (lacht)

Blicken wir noch auf die deutsche Zukunft. Gibt es Neuigkeiten zu Nico Hülkenberg, der ja immer noch ohne Cockpit für die kommende Saison ist?
Nein, ich hab ihn zwar kurz gesprochen, aber da gibt es nix Neues. Ich würde mich freuen, wenn er noch was erwischen sollte. Aber er wäre nicht der erste Fahrer, der trotz guter Leistungen aus der Formel 1 hinauspurzelt.

Dafür gibt es Gerüchte um einen früheren Formel-1-Einstieg von Mick Schumacher. Trauen Sie ihm die Königsklasse schon zu?
Nein. Ich würde ihm sehr wünschen, dass er noch ein weiteres Jahr Formel 2 fährt. Dann kann er sich etablieren, ein bisschen was gewinnen. Was den David Schumacher (Sohn von Ex-Pilot Ralf Schumacher, d. Red.) angeht, habe ich aber auch große Erwartungen. Den sehen wir hier erstmals in der Formel 3. Ralf passt da schon sehr gut auf seinen Jungen auf. Meiner Meinung nach ist es gut möglich, dass in absehbarer Zeit sogar zwei Schumachers in der Formel 1 fahren.