Formel-1-Experte im AZ-Interview

Christian Danner: "Ferrari hat betrogen – und zwar richtig!"


Corona-Virus, Schummel-Streit, Test-Probleme: Für Ferrari kommt es derzeit richtig dick. "Sie werden Probleme bekommen", meint Danner.

Corona-Virus, Schummel-Streit, Test-Probleme: Für Ferrari kommt es derzeit richtig dick. "Sie werden Probleme bekommen", meint Danner.

Von Bernhard Lackner

Vor dem Start der neuen Formel-1-Saison spricht Motorsport-Experte Christian Danner in der AZ über die Schummel-Vorwürfe gegen die Scuderia und die Auswirkungen des Coronavirus auf das Rennjahr.

Christian Danner fuhr in den 1980er Jahren 36 Rennen in der Formel 1. Heute arbeitet er unter anderem als Experte bei RTL.

Der heutige TV-Experte Christian Danner

Der heutige TV-Experte Christian Danner

AZ: Herr Danner, leider müssen wir - da es nun auch im Fahrerlager erste Verdachtsfälle gibt - zuerst über das Coronavirus sprechen. Wie sehr wird dieses Thema die Formel-1-Saison, die am Wochenende beginnt, beeinflussen?
CHRISTIAN DANNER: Nun, eine Formel-1-Saison ist sicher nicht so wichtig wie andere Bereiche, die vom Coronavirus betroffen sind. Aber natürlich hat es auch Auswirkungen auf die Saison. Es wird immer abhängig davon sein, wo man sich aufhält, in welchem Land welche Bestimmungen gelten. Das kann man noch gar nicht absehen, aber es wird Auswirkungen haben.

Sie hat es schon direkt getroffen: RTL wird zumindest von den ersten drei Rennen nicht vor Ort berichten.
Der Sender hat das vernünftigerweise so entschieden. Natürlich wäre ich jetzt viel lieber in Australien und würde mir die Rennautos anschauen, aber man muss sich immer eines vor Augen führen: Das Problem ist ja nicht nur die Ansteckungsgefahr, die ist auch in Nordrhein-Westfalen gegeben. Das Problem ist die Quarantäne-Thematik. Mit etwas Pech hängst du dann nämlich gleich mal zwei Wochen in Australien oder Bahrain fest. Aber für den Fan am TV wird es fast keinen Unterschied geben. Wir werden alle Sessions wie gewohnt übertragen.

Wird Corona zum großen Nachteil für Ferrari?

Besonders problematisch könnte es für Ferrari werden. Deren Fabrik in Maranello liegt mitten in der Quarantäne-Zone Norditaliens. Führt das nicht zwangsläufig zu logistischen Problemen und zum Wettbewerbsnachteil?
Im Moment noch nicht. Jetzt ist schon alles verschifft, auch die Leute sind unterwegs. Also hier und jetzt hat das noch keine Auswirkungen. Kurz- bis mittelfristig werden sie aber Probleme bekommen, denn die Mechaniker, die Ingenieure müssen ja spätestens nach dem Rennen in Bahrain zurück in die Werkstatt und die Weiterentwicklung vorantreiben. Das wäre, wenn alles so bleibt, ein enormer Nachteil.

Dabei lief schon die Vorbereitung für Ferrari richtig mies: technische Probleme, Ausfälle... alles nur Bluff?
(lacht) Das ist die Frage, die sich jeder stellt. Momentan sieht es so aus, als hätten sie ein besseres Auto als im vergangenen Jahr. Aber es wirkt nicht so, als hätten sie jetzt den absoluten Kracher gebaut.

Ein weiteres belastendes Thema für die Scuderia ist der "Schummel"-Streit um eine unzulässige Power-Unit. Warum wird das Thema seitens der anderen Teams noch einmal so aufgekocht?
Auf den ersten Blick sieht das wirklich nach unnötigem Ärger aus, nach dem Motto: "Jetzt haben wir schon Corona am Hals, dann können wir das nicht auch noch brauchen." Aber es ist ja so: Die Fia hat den Fall geprüft und ihr abschließendes Statement lässt nur einen Schluss zu: Ferrari hat letztes Jahr betrogen. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern richtig!

Danner: "Ferrari droht nichts mehr"

Das wird nicht direkt angesprochen, steht aber relativ deutlich zwischen den Zeilen.
Richtig. Das kann man nicht mehr wegleugnen. Wenn die Fia das aber so schnell abfrühstückt und - mehr oder weniger - unter den Tisch kehrt, sind die anderen Teams verständlicherweise richtig sauer. Denn scheinbar kann man nicht nur betrügen, man wird nicht mal richtig bestraft. Völlig klar also, dass sie mal nachfragen. Denn wenn Ferrari betrügen darf, dann dürfte das jeder andere ja auch. Außerdem geht es auch um den finanziellen Aspekt, um "ermogelte" Punkteprämien.

Was ist für Ferrari noch zu befürchten?
Ferrari droht nichts mehr. Schließlich hat die Fia gesagt, was Sache ist. Aber die Teams werden jetzt weiter die Daumenschrauben anlegen. Denn das Bittere ist ja: Die Fia scheint nicht in der Lage, einen derart komplexen Vorfall wirklich nachzuweisen und zu regeln. Unter uns: Eigentlich wünschen sich ja viele, dass Ferrari gewinnt. Aber wenn sie schon bescheißen, dann sollen sie sich doch gefälligst nicht erwischen lassen. (lacht)

Beim Rivalen Mercedes scheint es dagegen wieder super zu laufen. Die Silberpfeile machten zudem mit einem neuen Trick auf sich aufmerksam, dem "Dual Axis Steering". Was bringt "DAS" wirklich?
Mercedes hat die Liste aller Dinge, die im Vorjahr nicht ganz so funktioniert haben, offensichtlich Punkt für Punkt abgearbeitet. Der Motor etwa: Der hat super funktioniert, außer es war zu heiß. Jetzt haben sie die Kühlung dramatisch verbessert. Das "DAS"-System dagegen stellt sich jetzt jeder als Wunderwerk vor, dabei ist es einzig eine Methode, die Vorderreifen im Falle eines Auskühlens wieder auf Temperatur zu kriegen, um in den Kurven ein Untersteuern zu verhindern. So gesehen, ist es eine ganz simple Maßnahme.

Wenn Mercedes und Lewis Hamilton also wieder allen davonfahren, dann eher wegen guter Motoren-Kühlung, als wegen "DAS"?
Auf jeden Fall.

Danner: Red Bull in auf Augenhöhe mit Mercedes

Keine rosigen Aussichten also für Sebastian Vettel in seinem womöglich letzten Jahr bei Ferrari.
Das würde ich jetzt auch nicht sagen. Die Tests in Barcelona sind ja immer nur eine Momentaufnahme. Zugegeben, da haben die Mercedes super funktioniert. Aber Australien ist schon wieder etwas völlig anderes: anderer Asphalt, andere Temperaturen. Die aktuellen Gegebenheiten darf man nie außer Acht lassen. Mercedes ist Favorit, aber die Konkurrenz ist nah dran - auch Red Bull.

Ist mit den Österreichern im Titelkampf zu rechnen?
Der Red Bull ist offensichtlich echt schnell, da sind sie auf Augenhöhe mit Mercedes. Aber die Tatsache, dass sich Max Verstappen bei den Tests ungefähr achtmal gedreht hat, zeigt, dass das Auto wohl auch kritisch zu fahren ist. Aber ich denke, das Team wird das auch noch in den Griff bekommen. Am Ende eines Reglement-Zyklus, wie es in diesem Jahr der Fall ist, kann man immer beobachten, wie die Konkurrenz näher zusammenrückt. Ich denke, wir können uns auf eine richtig spannende Saison freuen.

Wenn Corona keinen Strich durch die Rechnung macht.
Ja, der Coronavirus, der könnte sich jetzt echt mal wieder verziehen. (lacht)