Der DFB informiert

So funktioniert der Videoassistent ab kommender Saison


Hellmut Krug (Foto) informierte in München zusammen mit Dr. Felix Brych umfassend über den neuen Videoassistenten.

Hellmut Krug (Foto) informierte in München zusammen mit Dr. Felix Brych umfassend über den neuen Videoassistenten.

Von Felix Hüsch

Beim Fußball wurden schon immer Fehlentscheidungen seitens der Schiedsrichter getroffen. Diese sind absolut menschlich, oft aber relevant für den Ausgang eines Spiels und tragen immer zur Freude des einen und zum Leidwesen des anderen Fanlagers bei. Im Fokus steht dabei der Unparteiische.

Um die Schiedsrichter auf dem Rasen in Zukunft zu unterstützen und die Anzahl klarer Fehlentscheidungen zu minimieren, haben der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) 2016 ein Gemeinschaftsprojekt beschlossen. Ex-DFB-Schiedsrichter und Projektleiter Hellmut Krug stellte am Mittwoch in München im Rahmen eines Medien-Workshops die Funktionsweise des neuen Videoassistenten (VA) vor. Der findet ab der kommenden Saison in der Bundesliga Verwendung und feiert beim Supercup-Finale am 5. August 2017 zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern sein Debüt auf deutschem Rasen. Der Bundesliga- und Champions League-erprobte DFB-Schiedsrichter Dr. Felix Brych beurteilte die technische Neuerung als sehr positiv.

Das Testzentrum, in dem die Einführung des VA im letzten Jahr akribisch vorbereitet wurde, befindet sich in Köln. Künftig sind drei Personen abseits des Rasens zur Stelle, wenn kritische Entscheidungen anstehen. Der VA selbst ist immer ein anderer aktiver oder ehemaliger Bundesliga-Schiedsrichter. Er hat zwei Operatoren, die ihm zuarbeiten und an vierter Stelle einen Supervisor, der den VA bei Checks unterstützt. Eine Check-Situation liegt dann vor, wenn der Schiedsrichter sich nach einer kritischen Entscheidung ans Ohr greift, mit dem Kollegen kommuniziert und die Spielaufnahme verzögert.

Schiedsrichter weiter der Chef im Ring

Die Eingriffsbereiche des VA lassen sich in vier Hauptkategorien einteilen: Torerzielung, Elfmetersituationen, Platzverweise und Spielerverwechslungen. Generell gilt für das unterstützende Team abseits des Spielfelds die Regel: "Minimum interference - maximum benefit", also, möglichst wenig einzugreifen und die Anzahl an klaren Fehlentscheidungen trotzdem zu minimieren. Der Schiedsrichter soll nach wie vor stark sein und Chef im Ring bleiben. Deshalb stellt sich für den Videoassistenten immer die Frage, wann eine klare Fehlentscheidung vorliegt und wann nicht. Unter einer klaren Fehlentscheidung versteht man eine Entscheidung, die keine unterschiedlichen Meinungen zulässt. Sobald in irgendeiner Form über den (ausbleibenden) Pfiff diskutiert werden kann, liegt die Entscheidung allein im Ermessen des Schiedsrichters.

Ein Beispiel: Wenn ein Spieler den Gegner im Strafraum fällt, dabei aber - wenn auch nur ganz leicht - den Ball berührt, kann der Schiedsrichter den Elfmeter geben, muss aber nicht. Der VA macht in diesem Fall nichts. Wenn der foulende Spieler bei seiner Grätsche keine Chance hat, an den Ball zu kommen und der Schiedsrichter nicht pfeift, greift der VA sofort ein und weist den Kollegen auf seinen klaren Fehler hin. Wann ein Eingriff stattfindet, hängt also davon ab, ob eine faktische oder eine subjektive Fehlentscheidung vorliegt. Eine Grauzone gibt es nicht.

Um eine Spielsituation sofort beurteilen zu können, liegen dem VA Aufnahmen von insgesamt 25 Kameras vor. Wenn der Schiedsrichter sich die Situation selbst nochmal ansehen möchte, wählt der Assistent die vier besten der 25 Kameras aus. Diese werden dem Unparteiischen in der sogenannten "Referee Review Area" angezeigt. Die befindet sich hinter der LED-Bande gegenüber der Trainerbänke. Zeigt keiner der vier Aufnahmewinkel die Situation deutlich genug, kann der Unparteiische weitere Bilder anfordern.

Nach dem Schlusspfiff ist Schluss

Zurücknehmen dürfen Schiedsrichter ihre Entscheidung, bis ein Wechsel des Ballbesitzes stattfindet. Auch hierzu ein Beispiel: Mannschaft A schießt ein Tor nach einem Konter über beliebig viele Stationen. Zuvor hatte der Unparteiische aber nicht gepfiffen, als ein Spieler der Mannschaft B im gegenüberliegenden Strafraum hart gefoult wurde. In diesem Fall kann der Videoassistent dem Kollegen auf dem Feld raten, das Tor von Mannschaft A zurückzunehmen und Mannschaft B stattdessen einen Elfmeter zuzusprechen. Nach dem Schlusspfiff ist das Spiel beendet und somit darf auch keine Entscheidung kurz vor Ende zurückgenommen werden. Nach dem Halbzeitpfiff ist das sehr wohl möglich.

Große Sorge vor vielen Unterbrechungen und endlosen Nachspielzeiten haben Hellmut Krug und Felix Brych nicht. Im Kölner Testzentrum fanden im Schnitt zwischen einem und sechs Kommunikationsprozessen pro Partie statt. Das heißt aber nicht zwingend, dass es zu einer Spielunterbrechung kommt. Oft kommt es auch nur zu einem kurzen Austausch, weil beispielsweise ein Spieler am Boden liegt. Wenn der Schiedsrichter sagt, dass sich kein Foul ereignet hatte und er die Situation im Auge hatte, wird weitergespielt, ohne dass Dritte etwas von dem Gespräch mitbekommen.

In der vergangenen Bundesliga-Saison wurden 104 spielrelevante Fehlentscheidungen getroffen. Es wird davon ausgegangen, dass 77 davon bei optimalen Verlauf durch den Videoassistenten reparabel gewesen wären. Ob sich das in der Praxis bestätigt, wird die kommende Spielzeit zeigen.