Teil 1 des AZ-Interviews
Ismaik: Rassismus-Vorwurf gegen Löwen-Bosse
14. August 2019, 11:09 Uhr aktualisiert am 16. September 2019, 13:55 Uhr
Die AZ traf Löwen-Investor Hasan Ismaik zum exklusiven Interview in Los Angeles. Er spricht über sein Engagement bei 1860 und fordert die Bosse zum Rücktritt auf: "Reisinger hat sein Gesicht verloren."
Los Angeles/München - Die AZ hat Löwen-Investor Hasan Ismaik in seinem Millionen-Anwesen in Los Angeles besucht. Hier der erste Teil des exklusiven Interviews.
AZ: Herr Ismaik, wir sitzen in Ihrem Anwesen in Los Angeles, unweit von Hollywood. Kommen Sie sich mit Ihrem Klub, dem TSV 1860, manchmal wie in einer Tragödie vor?
HASAN ISMAIK: Ja, eine andere Entwicklung wäre mir natürlich lieber. Viele Fehler sind seit meinem Einstieg geschehen, auch ich habe Fehler gemacht. Mein größter war, den Kooperationsvertrag 2011 unterschrieben zu haben - ohne die Bedingung, dass die Geschäftsführung und die sportliche Leitung von meiner Seite bestimmt werden müssen. Das war naiv. Aber die Zeit war sehr knapp, es ging ja um die Rettung von 1860 München.
Zwischen Aufstiegsträumen und Abstiegsängsten ist im Löwen-Kosmos nicht viel Platz. Zuletzt folgte einem 3:0 gegen Zwickau ein 0:4 in Mannheim. Was sagen Sie zu den ersten Auftritten der Saison und dem Ziel Klassenerhalt?
Das 0:4 in Mannheim hat mich traurig gemacht. Aber wir sollten realistisch sein: Mit diesem Konsolidierungskurs kann man keine bessere Qualität anbieten. Das heißt noch lange nicht, dass wir am Ende den Klassenerhalt nicht erreichen. Ich bin mir sicher, Daniel Bierofka wird unter diesen schwierigen Bedingungen eine Mannschaft formen, die das schaffen wird. Aber kann dies das Ziel für 1860 sein?
Unter den vorgegebenen Umständen vielleicht. Doch mittelfristig hoffen viele Fans auf den Aufstieg, und Sie sagten einst, Sie wollen in die Champions League.
Ich habe erst kürzlich ein Interview mit Flavio Becca gelesen, dem neuen Investor des 1. FC Kaiserslautern. Er sprach auch über die Champions League. Das erinnerte mich an meine Anfangszeit bei 1860. Ich bin ein Mann, der klare Ziele verfolgt. Als ich mich eingekauft habe, spielte 1860 im vorderen Drittel der Zweiten Liga. Ich sprach damals von Barcelona und wurde ausgelacht. Bis heute bekomme ich Briefe und E-Mails, dass die Sehnsucht nach Derbys gegen den FC Bayern sehr groß ist. Viele Fans wollen sich nicht mit der Situation zufrieden geben. Mir geht es nicht anders. Aber aktuell lähmt die 50+1-Regel den Verein.
"50+1 ist ein veraltetes Instrument im deutschen Sport"
Damit wären wir bereits bei Ihrem Kernproblem angelangt: Sie sind Mehrheitsgesellschafter, haben aufgrund der 50+1-Regel aber keine Entscheidungshoheit. Wie gehen Sie aktuell damit um?
50+1 ist ein veraltetes Instrument im deutschen Sport, in der deutschen Politik. Es ist eine Schande, dass meine Beschwerde beim Bundeskartellamt seit langer Zeit auf Eis liegt. Aber die Bundesliga wacht langsam auf. Immer mehr Vorstände wie neulich Fredi Bobic plädieren für eine Abschaffung. Die Bundesliga hat kaum Einnahmequellen, mit denen sie mit England oder Spanien Schritt halten kann. Die wichtigste Botschaft dabei ist für mich: Wir verlieren Zeit! Ich strebe auch nach dem Fall von 50+1 nicht an, meine Anteile zu verkaufen. Ich habe übrigens gehört, dass Gerhard Mey ...
... der Unternehmer, der bei Sechzig mit viel Geld einsteigen und Ihnen die Anteile abkaufen wollte.
Ja, ich habe gehört, dass er inzwischen anders über 1860 als noch vor zwei Jahren denkt. Das überrascht mich nicht, denn viele meiner Kritiker werden falsch informiert, ob bewusst oder unbewusst.
Sie meinen die Organisation 'Pro1860', die Sie als Strippenzieher im Hintergrund ansehen. Haben Sie belegbares Material, dass man bei Sechzig gegen Sie vorgeht?
Natürlich gibt es belegbares Material von diversen Amtsträgern. Bei "Pro1860" und den dazu gehörenden kleinen Fangruppen wird wie in einer Sekte mit dem Motto gearbeitet: "Alle gegen Ismaik." In einer Mail von Dr. Markus Drees steht explizit die Formulierung "Nadelstichpolitik gegen H.I.". Wir brauchen dieses Thema aber nicht mehr aufzurollen. Das langweilt mich. Ich weiß, auf was manche der kreativen T-Shirt- und Schal-Produzenten hinauswollen: Die Trennung von Hasan Ismaik. Aber ich muss alle enttäuschen. Das wird nicht passieren. Die Anteile sind unverkäuflich, auch wenn immer wieder behauptet wird, ich hätte Interesse an einem Verkauf. Das ist seit Jahren eine politische Methode.
Auch Sie würden gerne jemanden loswerden: Präsident Robert Reisinger. Hat er in Ihren Augen sein Gesicht verloren?
Ja, hat er. Ich fordere Reisinger, das ganze Präsidium, den Verwaltungsrat und Geschäftsführer Michael Scharold auf: Sie sollen alle zum Wohle von 1860 zurücktreten. Mit ihnen wird der Verein - und das ist für mich in erster Linie Profifußball - niemals Erfolg haben.
Glauben Sie, dass Sie mit diesem Maximalforderungen ans Ziel gelangen? Die Löwen-Verantwortlichen werden gewiss nicht Folge leisten.
Das ist mir schon bewusst. Aber mit wem soll ich bei 1860 auf Augenhöhe reden?
Wie definieren Sie die besagte Augenhöhe?
Jeder, der 1860 im Herzen trägt und den Verein derzeit unter Wert sieht, ist bei mir herzlich willkommen. Was haben die Vereinsbosse für 1860 gegeben? Verstehen Sie mich nicht falsch, was Scharold anbelangt: Er ist ein liebenswerter Mensch, wir haben ihn damals geholt. Aber er ist ein Buchhalter, kein Geschäftsführer.
Marionette? "Man tut Cassalette unrecht"
Seit Ihren Anfängen hatten Sie Auseinandersetzungen mit mehreren Präsidenten, nicht mit Peter Cassalette. Was war denn während seiner Amtszeit anders?
Es ist völlig normal, dass es bei zwei Gesellschaftern unterschiedliche Meinungen gibt. Ich habe mich mit Dieter Schneider lange Zeit gut verstanden, aber er wurde im Verein von den eigenen Leuten gemobbt. Es ist nicht richtig, dass ich mit jedem Präsidenten Stress hatte. Man tut auch Peter Cassalette unrecht, wenn man behauptet, er sei meine Marionette gewesen. Wir waren uns auch nicht immer einig. Er ist ein feiner Mensch. Ich bedauere es, dass er sich nicht mehr für 1860 einbringt und überlegt, aus dem Verein auszutreten. Im Gegensatz zu den anderen war er kein Rassist.
Mit Verlaub, es sind sehr harte Anschuldigungen, wenn Sie sagen, dass Vereinsvertreter des TSV 1860 Rassisten seien. Haben Sie denn auch Belege für diesen schweren Vorwurf gegen die Klubbosse?
Es ist für mich kein Vorwurf, sondern eine Tatsache: Mehrere Präsidenten, Funktionäre und Vereinsmitglieder sind mit mir rassistisch umgegangen.
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Spielen Sie etwa auf das "Scheichlied" an, bei dem Löwen-Fans "Scheiß auf den Scheich" skandierten und von dem sich die Kluboberen nicht distanziert hatten?
Ja. Jeder andere Präsident in Deutschland hätte sich vor mich gestellt und sich von den Beleidigungen gegen meine Person distanziert. Reisinger hat es toleriert. Rassismus ist leider nach wir vor verbreitet, auch in Arabien. Aber so etwas schmerzt mich nicht. Es bestärkt mich einzig und allein darin, weiter zu kämpfen.
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Den zweiten Teil des exklusiven AZ-Interviews mit Hasan Ismaik lesen Sie am Freitag in der Abendzeitung und auf az-muenchen.de.