Stallwang

Der Glanz zwischen den Atemzügen


Seit 2018 ist Michelle Kleine (22) verstärkt auf Instagram vertreten. Mit ihren Stories und Posts möchte sie auch anderen Menschen Mut machen.

Seit 2018 ist Michelle Kleine (22) verstärkt auf Instagram vertreten. Mit ihren Stories und Posts möchte sie auch anderen Menschen Mut machen.

Wenn eine unheilbare Krankheit den Alltag bestimmt und die Ärzte immer wieder vor Rätsel stellt, wäre das für manche ein Grund aufzugeben. Nicht für Michelle Kleine. Die 22-Jährige aus Stallwang im Landkreis Straubing-Bogen leidet an einer chronischen Lungenerkrankung, für die es keinen Namen gibt. In unserer Interviewreihe "Über den Rand" spricht sie über Atemnot, Lungentransplantationen und warum sie trotzdem positiv in die Zukunft blickt.

Krankheiten sind oft ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Viele Menschen verkriechen sich, wenn sie krank werden. Du hingegen gehst auf Instagram sehr offen mit deiner Erkrankung um. Warum?

Michelle Kleine: Ich habe mit Instagram angefangen, als ich mit dem Modeln begonnen habe. Zuerst habe ich nur Fotos machen lassen und wusste nicht, wohin damit. Ich kann ja wegen meiner Erkrankung auch nicht mehr arbeiten und habe 2018 nach einer Beschäftigung gesucht. Seit ich Sauerstoff brauche, war das der der Anstoß, auf Instagram darüber zu berichten, damit die Leute verstehen. Ich wurde davor oft angesprochen, vor allem von Leuten, die mich von früher kannten und die es überrascht hat, dass ich im Rollstuhl sitze und Sauerstoff brauche. Obwohl ich ja immer schon schwer krank war, man hat es mir nur damals nicht so angesehen. Da dachte ich mir, wenn ich Bilder von mir auf Instagram poste und offen damit umgehe, wirke ich unangenehmen Situationen entgegen und kläre auf.

Welche Reaktionen bekommst du auf deine Posts?

Eigentlich gab es nur positive Reaktionen, oft auch von anderen Lungenkranken, die mich fragen: Wie traust du dich, das zu posten? Aber auch von gesunden Menschen, die loben, dass ich so positiv mit der Krankheit umgehe und dass für sie ihre eigenen Probleme dadurch ganz klein erscheinen.

Inwieweit helfen dir diese Rückmeldungen?

Es hilft mir schon, dass so viel Positives zurückkommt. Dadurch wird man auch selbstbewusster. Es ist cool, wenn man sich nicht so erklären muss und so sein kann, wie man ist, und akzeptiert wird.

Du leidest an einer Lungenerkrankung, bei der die Ärzte bislang noch nicht wissen, um was es sich für eine Krankheit genau handelt. Wäre dir eine genaue Diagnose lieber?

Ganz am Anfang lief es ja noch unter Asthma. Aber schon damals haben die Medikamente dafür nicht geholfen. Als ich zwölf war, meinte ein Lungenarzt zu mir, dass ich eine Lunge wie eine Sechsjährige hätte. Und von da an kam ich in die Fachklinik in Donaustauf. Dort wurden bei sämtlichen Untersuchungen immer wieder alle möglichen Erkrankungen ausgeschlossen. Am ehesten ähnelt es der Mukoviszidose. Aber mehrere Tests wie der Gentest haben die Krankheit bei mir ausgeschlossen. Behandelt werde ich trotzdem auf Muko, weil das der einzige Anhaltspunkt ist. Eine klare Diagnose wäre trotzdem viel besser für mich. Zum einen für die Krankenhaus, aber auch so im Alltag. Sich zu erklären, ist komplizierter, als einfach eine Krankheit nennen zu können.

Ich bräuchte eine spezielle Therapie für meine spezielle Krankheit. Die gibt es aber nicht, weil man die Ursache meiner Krankheit einfach nicht kennt.

Seit wann leidest du an der chronischen Lungenerkrankung?

Eigentlich schon seit dem Kleinkindalter. Es begann mit Neurodermitis und verschiedenen Hautausschlägen. Außerdem hatte ich schon als Kind viele Allergien und bekam schlecht Luft. Auch heute habe ich noch viele Allergien wie zum Beispiel gegen Tierhaare, Pollen, Gräser, Paprika, Karotten oder Milch. Ganz schlimm ist es mit Eiern. Da reicht es schon, wenn ich das Ei mit Schale in der Hand halte und schon schwillt die Hand an. Aber an sich finde ich das mit den Allergien nicht so schlimm. Man muss halt lernen zu verzichten. Und Alex, mein Partner, freut sich, wenn er den Rest meines Essens bekommt, weil ich wieder etwas nicht vertrage (lacht).

Keine oder kaum Luft zu bekommen, ist für viele Menschen unvorstellbar. Dir geht es öfter so. Jagt dir die Atemnot manchmal Angst ein?

Ich kann eigentlich ganz gut damit umgehen. Eine Psychologin hilft mir dabei, wie ich richtig mit Atemnot umgehen kann. Aber wenn es ganz schlimm ist, hast du einfach Angst. Aber zum Glück ist Alex da sehr entspannt und kann mich gut beruhigen. Das hilft mir.

Wie würdest du dieses Gefühl beschreiben?

Ich denke, ich kann es schwer beschreiben, weil ich gar nicht weiß, wie es ist, normal Luft zu bekommen. Ich muss zwischendurch öfter Luft holen. Manchmal ist der Weg zur Toilette schon sehr anstrengend. Und es gibt Tage, an denen komme ich gar nicht aus dem Bett und muss mich ausruhen, weil umdrehen schon zu anstrengend ist. Dann muss mir Alex das Essen ans Bett bringen. Ich bin ihm sehr dankbar, weil er mir eine sehr große Hilfe ist. Wir sind ein eingespieltes Team, er versteht mich auch ohne Worte. Wenn ich nicht sprechen kann, reichen da auch Handzeichen.

Wie sieht die Behandlung aus? Was hilft dir, wenn es dir schlecht geht?

Ich habe zweimal die Woche Atemtherapie. Es ist eigentlich eine Art Lungentraining. Davon profitiere ich auch am meisten. Vor kurzem war ich auch erst wieder im Krankenhaus und habe dort gemerkt, wie gut mir die intensive Atemtherapie tut. Außerdem bekomme ich vierteljährlich Antibiotikum per Vene. Damit werden meine Keime zurückgedrängt. Das ist allerdings eher eine Schadensbegrenzung als eine Dauerlösung. Ich bin inzwischen immun gegen alle vier Antibiotikumgruppen und bekomme Reserveantibiotika.

Und dann inhaliere ich noch. Damit ist es komisch. Manchmal hilft es mir und ich kann besser atmen. Manchmal fühlt es sich danach erst recht nach Ertrinken an - "ertrinken im eigenen Schleim" sozusagen, weil der Schleim in meiner Lunge durch die Inhalation gelockert wird und er somit die Atemwege noch mehr blockiert als vorher. Oder ich überblähe durch das Inhalieren so sehr, dass ich danach nicht mehr richtig ein- und ausatmen kann. Es ist also immer ein Glücksspiel, ob es hilft oder nicht.

Du beschreibst dich selbst als Kämpferin. Was gibt dir im Alltag Kraft?

Ich denke, ich bin einfach so vom Charakter her. Ich habe auch keine andere Wahl als zu kämpfen. Außerdem hilft es mir, dass ich ein sicheres Umfeld habe und dass ich abgesichert bin. Ich bekomme inzwischen Rente und habe Pflegegrad II. Darüber bin ich sehr erleichtert. Ich konnte auch davor schon nur Teilzeit arbeiten und oft ging es wegen meiner Krankheit auch nicht. Und jetzt muss ich mich nicht mehr schlecht fühlen, wenn ich nicht arbeiten kann. Dann kann ich, wenn es mir nicht gut geht, daheim bleiben und mich ausruhen.

Auf deinem Instagram Kanal hast du mal geschrieben, dass du im Moment nicht auf die Warteliste einer neuen Lunge möchtest. Warum?

Die Ärzte würden mich schon listen. Aber ich möchte das derzeit noch nicht. Ich habe auch ziemlich Respekt vor den ganzen Untersuchungen, die man vorher machen muss. Und dann glaube ich, es geht mir dafür nicht schlecht genug.Wenn meine Werte stabil bleiben, dann ist es ohne Transplantation definitiv besser. Außerdem: Das ist einfach meine Lunge, mein Schicksal. Ich komme damit zurecht und kann damit umgehen. Damit will ich nicht sagen, dass ich nie auf die Liste will, aber im Moment kommt es nicht infrage.

Was mir aber wichtig ist: Grundsätzlich ist es eine gute Sache. Ich finde, man sollte sich mit Organspende einfach mehr auseinandersetzen. Wenn das Gesetz da ist, dann muss man das auch. Man kann ja auch Nein dazu sagen. Aber es ist wichtig, eine bewusste Entscheidung zu treffen - auch für die Angehörigen.

Ab und zu modelst du auch hobbymäßig, wie kamst du dazu?

Ich bin durch eine Freundin zum Modeln gekommen. Über eine Straubinger Facebookgruppe habe ich dann erfahren, dass es sogenannte TFP-Shootings ("Time for Prints", dt. "Zeit für Bilder"; Anm. d. Redaktion) gibt, bei denen weder der Fotograf noch das Model etwas zahlen, sondern sie einfach gemeinsam Fotos machen. Über Facebook habe ich dann einige Fotografen kennen gelernt. Als ich dann wieder ins Krankenhaus kam, wurde ein Fotograf aus Allershausen auf mich aufmerksam und hat mir ein Shooting mit meinem Freund geschenkt.

Wichtig ist mir, dass es ein Hobby ist. Man schenkt sich einfach gegenseitig Zeit und hat Spaß, ohne dass man sich gezwungen fühlt.

Für die Shootings schminkst du dich auch selber - gelernt oder selbst beigebracht?

Ich hab mir da viele YouTube Videos dazu angeschaut. Und dann habe ich halt viel geübt. Wenn ich Lust habe, dann dauert es schon einmal an die zwei Stunden, wenn ich mich schminke (lacht). Manchmal schminke ich mich aber auch kaum, je nachdem, wie viel Lust ich habe. Aber gerade wenn es mir sehr schlecht geht, dann schminke ich mich gerne ein wenig, damit ich nicht so blass bin und vor allem, weil ich mich dann auch besser fühle.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich wünsche mir mehr Rücksicht, was Schwerbehindertenparkplätze angeht. In Straubing, aber auch in anderen Städten, ist das oft ein Problem. Ich bin halt eine, die schon nach wenigen Metern außer Luft ist und dann finde ich es schade und unmöglich, wenn am Stadtplatz von vier Parkplätzen für Schwerbehinderte drei belegt sind, ohne dass ein Ausweis im Auto liegt. Auch wenn jemand nur kurz da unerlaubt parkt, ist das vielleicht der Moment, in dem ein schwerbehinderter Mensch einen Parkplatz sucht. Ansonsten steht für die Zukunft als großes Projekt unsere Hochzeit im Oktober an. Und dann geht's in den Flitterwochen nach Hamburg. Was ich mir gesundheitlich wünsche, ist, dass der Zustand so lange wie möglich so bleibt wie jetzt.