Ausbildung bei der Polizei
Tatort-Träume: Christina Zankl aus Irlbach wird Polizistin
14. Juni 2017, 14:47 Uhr aktualisiert am 14. Juni 2017, 14:47 Uhr
Drei Streifenwagen rasen einem Fahrzeug hinterher. Nach dem Fahrer wird gefahndet. Die Polizisten halten die Dienstwaffen bereit. Lebt ein Polizist so gefährlich, wie es in Filmen oft gezeigt wird? Diese Geschichte zeigt den Alltag einer jungen Polizistin. Warum sie den Beruf ausüben will, aber auch, mit welchen Vorurteilen sie umgehen muss.
Wissen Sie, warum wir Sie angehalten haben?" - "Ich weiß, ich war nicht angeschnallt." Die junge Frau hinter dem Steuer eines weißen Transporters ist verärgert, aber einsichtig. Sie soll ihren Führerschein, die Fahrzeugpapiere, Verbandskasten, Warnweste und Warndreieck zeigen. Sie findet nur den Verbandskasten. Christina Zankl überprüft per Funk die Personalien der Frau. "Sind Sie überhaupt richtige Polizisten?", fragt die Fahrerin. Überraschte Blicke, Schweigen. "Warum sollten wir keine richtigen Polizisten sein?" Die Frau antwortet: "Ich hab' gedacht, ihr seids etz blau." Christinas erste Aufgabe des Tages ist eine Verkehrskontrolle. Ihr Ausbilder, Franz Salzberger, unterstützt sie dabei. Eine halbe Stunde hat sie Zeit. Die 18-Jährige aus Irlbach im Landkreis Straubing-Bogen wird Polizistin.
Gewalt und Terror: Warum wird eine junge Frau Polizistin?
Christina absolviert ihre Ausbildung in Nabburg an einem Ausbildungsstandort der Bayerischen Polizei. Im Februar 2018 wird sie fertig, nach zweieinhalb Jahren. Ein einwöchiges und ein einmonatiges Praktikum hat sie schon hinter sich. Heute ist der erste Tag ihres dritten Praktikums in der Polizeiinspektion in Straubing. Das Praktikum dauert drei Monate.
Die Fahrerin des Transporters trägt eine Jeanshose und ein lockeres, pinkes Oberteil. Ihre Haare hat sie in einem Dutt verknotet. Sie ist ungeschminkt, ihre Wimpern sind künstlich verlängert. "Klar, dass des mir passiert." Sie kommt von der Frühschicht und zieht in eine andere Wohnung. Ihre Möbel sind im Laderaum.
30 Euro Strafe muss sie zahlen, außerdem die Fahrzeugpapiere, den Führerschein, Warnweste und Warndreieck nachreichen und den Wagen in der Polizei-Dienststelle vorführen. Später wird Christina sagen, sie habe die Fahrerin deshalb ausgewählt, weil sie gesehen hat, dass die Frau nicht angeschnallt war.
Das Polizeiauto steht hinter einer scharfen Kurve. Es ist ein neuer BMW, blau mit neongelben Streifen. Hinter der Kurve sehen die Autofahrer die Polizisten erst spät. Wenn sie vorher zu schnell dran waren, schaffen sie es nicht mehr, auf die erlaubte Geschwindigkeit herunterzubremsen, sobald sie die Polizisten gesehen haben. Und sie können nicht mehr aufhören zu telefonieren. An ihrem Gürtel trägt Christina ihre persönliche Ausrüstung: die Dienstwaffe, eine Heckler & Koch P7, Handschellen und Handschuhe. Sie hat eine braune Hose, ein senffarbenes Hemd und darüber eine blaue Weste an. Obwohl die Bayerische Polizei 2016 offiziell blaue Uniformen eingeführt hat. Die neue Uniform hat sie noch nicht. Alle Dienststellen werden nacheinander ausgestattet. Straubing ist im Juni dran.
Warum will eine junge Frau Polizistin werden? In einer Zeit, in der Gefahren wie rechte Gewalt, Terror und Amok- läufe zunehmen. In einer Zeit, in der sich Terroranschläge gezielt gegen junge Menschen richten. Zum Beispiel der Anschlag nach dem Konzert von Ariana Grande in Manchester, England. Vielleicht ist der Berufswunsch eine Frage der Einstellung. Vielleicht wollen junge Polizisten etwas verändern an der Gesellschaft.
Zurück in der Dienststelle: Der Vorraum der Polizeiinspektion in Straubing ist kahl. Eine Bank steht an der Wand. In einem Regal liegen Broschüren und Flyer. Auf dem Fernseher über der Tür flimmern Fragen über den Bildschirm: "Voll schwach? Voll spießig? Voll lahm? Echt uncool?". Vorurteile über die Ausbildung bei der Bayerischen Polizei. Der Film soll mit den Vorurteilen aufräumen und junge Leute für den Beruf begeistern.
Zu klein, aber dafür ein fester Händedruck
Christina ist klein, 1,58 Meter. Die Mindestgröße für einen Polizisten ist 1,65 Meter. Durch einen zusätzlichen Sporttest und einen Test, in dem sie die Kraft ihres Handdrucks zeigen musste, wurde sie zum Einstellungstest zugelassen. Die Polizei braucht Nachwuchs.
Christina ist der Nachwuchs. "Ich denke, die Zukunft wird schwierig. Aber ich glaube, wir werden auf Amok- und Anschlagsszenarien gut vorbereitet." - "Die Ausbildung hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Die jungen Polizisten werden auf Bedrohungen viel expliziter geschult als früher.", sagt Franz Salzberger. Er ist Christinas Ausbilder während des Praktikums in Straubing. In bayernweiten Übungseinheiten stellen alle Beamten mehrmals im Jahr Gefahrensituationen nach, um den Ernstfall zu üben. Der Polizeiberuf ist ein Erfahrungsberuf. Zwei Polizisten führen einen Mann ins Nebenzimmer. Ungepflegt, dreckige Kleidung, glasiger Blick. Er scheint nicht zu wissen, wo er ist und was mit ihm geschieht. Seine Hände sind gefesselt. Die Polizisten stützen ihn von beiden Seiten. Er schwankt. Einer der Beamten spricht mit ihm. Klar, langsam und deutlich, wie mit einem Kind: "Jetzt setzen Sie sich hier auf den Stuhl. Ganz ruhig. Alles ist gut." Der andere Beamte macht schnell die Tür zu, als er die Blicke bemerkt.
"Hey du, kannst du mal das Blaulicht anmachen?"
Letzter Einsatz für diesen Tag: Innenstadt. Die Polizisten sind spät dran. Sie sollen die Zufahrtsstraße zum Stadtplatz absperren, auf dem Großparkplatz Am Hagen war ein ökumenischer Biker-Gottesdienst. Rund 3 000 Teilnehmer auf Motorrädern, Quads und Rollern machen sich hupend und grölend den Stadtgraben an der Innenstadt vorbei auf den Weg und brauchen freie Fahrt. Franz Salzberger stellt den Streifenwagen parallel zum Stadtgraben und lässt Christina allein.
Sie stellt sich breitbeinig vor das Auto, die Hände am Gürtel, die Ellenbogen zeigen nach außen. Selbstbewusst. Ihr Blick ist auf die wartenden Autofahrer gerichtet, die vom Stadtplatz in den Stadtgraben abbiegen wollen. Ein Mann, der sein Fahrrad schiebt, spricht Christina an: "Hey du, kannst du mal das Blaulicht anmachen?"
Auf die Frage, ob sie sich ernstgenommen fühlt, trotz ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Größe, antwortet sie, dass sie das im Polizeiberuf zwar merke, ein freundliches, selbstbewusstes, und kompetentes Auftreten aber viel wichtiger sei.
Christina will helfen. Sie geht gerne mit Menschen. Mit manchen sei das einfacher, mit anderen schwerer.