IG Metall Warnstreik
Betriebe in ganz Bayern streiken - auch Regensburg und Wackersdorf betroffen
28. Oktober 2024, 17:41 Uhr aktualisiert am 29. Oktober 2024, 8:16 Uhr
Das Wichtigste in Kürze:
- Montagnacht um 0 Uhr endete die Friedenspflicht in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie, nun darf gestreikt werden
- Gestreikt wird in der ganzen Bundesrepublik, in Bayern beteiligten sich Mitarbeiter von 14 Betrieben
- Insgesamt sind 3,9 Millionen Beschäftigte in der deutschen Industrie betroffen
- Weitere Warnstreiks diese Woche in der Region: BMW Wackersdorf und ams-Osram, Continental und Schneider Sachsenwerk in Regensburg und bei Benteler in Schwandorf
- Die Forderungen: sieben Prozent mehr Lohn, für die Auszubildenden 170 Euro im Monat mehr, eine soziale Komponente für die unteren Entgeltgruppen und die Wahl zwischen freier Zeit und Bezahlung
Wer beteiligte sich in der Region?
1.500 Warnstreikende seien dem Aufruf der IG Metall Regensburg in der Nacht auf Dienstag gefolgt, teilt die Gewerkschaft am Dienstagmorgen mit. Pünktlich um 0 Uhr, zum Ende der Friedenspflicht in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie, blieben alle Bänder bei BMW Regensburg stehen und die Beschäftigten sammelten sich zu einem 1,5-stündigen Warnstreik. „Wir sind mit der Beteiligung unserer Kolleginnen und Kollegen sehr zufrieden. Nichts ging mehr, kein Auto lief vom Band. Das war ein starker Start in die Warnstreikphase“, ordnet Michael Faltermeier, IG Metall-Chef bei BMW Regensburg, die Lage ein.
Die Belegschaft der Nachtschicht hat sich um 0 Uhr an unterschiedlichen Treffpunkten in ihren Bereichen gesammelt, IG Metall-Mützen angelegt, sich mit Pfeifen und Fahnen ausgestattet und ist in einem Demozug erst durchs Werk und dann vors Haupttor 2 gezogen. Dort fand die Kundgebung statt, der sich etwa 100 Kollegen anderer Betriebe solidarisch angeschlossen haben. „Der Start der Warnstreikphase in Regensburg war ein mächtiger Paukenschlag. Die Beschäftigten stehen hinter ihrer Forderung und können nicht verstehen, warum die Arbeitgeber einerseits aufs Tempo drücken wollen, andererseits aber kein ordentliches Angebot vorlegen“ sagt Rico Irmischer, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Regensburg. „Das Signal ist ganz deutlich. Arbeitgeberverband, bessert Euer Angebot nach, wir wollen ein Ergebnis haben. Aber ein ordentliches!“ Auch bei BMW Wackersdorf warnstreikten 350 Beschäftigte.
Auch bei Rodenstock in Regen fand eine 0-Uhr-Aktion statt. Dabei waren nach Auskunft des Betriebsratsvorsitzenden Anton Weber rund 20 Mitarbeiter der Nachtschicht dazu aufgerufen, ihre Arbeit zu unterbrechen. Die Aktion soll eine Einstimmung für die geplante Kundgebung am Donnerstag sein. Im Zuge der Warnstreiks setzen sich die Mitarbeiter dann erneut für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze ein. Bei Rodenstock ist derzeit die Verlegung der Fertigung von Regen nach Tschechien im Gespräch, davon betroffen wären circa 240 Mitarbeiter.
In der Region war unter anderem auch der Technologiekonzern ZF in Passau beteiligt. Insgesamt seien 14 Betriebe in Bayern an den Aktionen beteiligt gewesen, teilte die IG Metall mit.
Wie sind die Auszubildenden in die Streiks involviert?
Dieses Mal machen die Auszubildenden mit eigenen Aktionen auf ihre Lage aufmerksam. Für Dienstag hatte die IG Metall Auszubildende aus der Metall- und Elektroindustrie Bayerns zu einer Aktion in Ingolstadt eingeladen. Mit Bannern, auf denen Aufschriften wie "170 Euro sonst gibts Saures" zu lesen war, demonstrierten fast 5.000 junge Leute vor dem Werkstor des Audi-Stammwerks. Als Rednerin kam IG Metall-Vorsitzende Christine Benner: „Die Auszubildenden leiden besonders unter den hohen Kosten, egal ob Miete, im Supermarkt oder bei Anschaffungen wie Möbeln, die man auch in einem WG-Zimmer braucht. Wir sagen daher ganz klar: kein Abschluss ohne Jugend!“
Wo sind die nächsten Aktionen und Streiks geplant?
Am Dienstag finden weitere Warnstreiks bei BMW in Wackersdorf und Benteler in Schwandorf statt. Im weiteren Verlauf der Woche werden ams-OSRAM und das Schneider Sachsenwerk in Regensburg sowie Continental bestreikt. „Das heute war stark, keine Frage. Es war aber erst der Anfang der Warnstreiks. Je schneller die Arbeitgeber nachbessern, desto geringer wird der Arbeitsausfall, den die Arbeitgeber hinnehmen müssen. Der Ball liegt beim vbm“, sagt Olga Redda, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Regensburg.
Nächtliche Proteste sind unter anderem auch am Volkswagen-Werk in Osnabrück geplant, wo die neue IG-Metall-Tarifvorständin Nadine Boguslawski sprechen wird. Das von der Schließung bedrohte Werk fällt nicht unter den VW-Haustarifvertrag, sondern gehört zum Flächentarif.
Hier wird die enge Verknüpfung der Tarifrunde mit den Problemen beim größten deutschen Autobauer sichtbar. Nach Angaben des Betriebsrats stehen Werksschließungen und Massenentlassungen auf der Agenda des Vorstands, der die Pläne im Detail zunächst nicht bestätigt hat.
Wie sehr unterscheiden sich die Forderung und das Angebot?
Hauptargument der IG Metall für deutliche Lohnsteigerungen ist die fehlende Kaufkraft der Beschäftigten nach Jahren mit hoher Inflation. Die Erste Vorsitzende Christiane Benner erklärte dazu: „Das magere Angebot der Arbeitgeber verkennt den Ernst der Lage. Unsere 3,9 Millionen Kollegen in der Branche brauchen mehr Geld. Mit der zusätzlichen Kaufkraft stärken wir auch die Konjunktur.“
Die IG Metall fordert in den Verhandlungen 7 Prozent mehr Geld innerhalb eines Jahres, während die Metallarbeitgeber 3,6 Prozent in einem Zeitraum von 27 Monaten angeboten haben. Die erste Stufe von 1,7 Prozent soll im Juli 2025 greifen. Die Unternehmen verweisen auf schwache Produktionswerte und fehlende Aufträge.
Schürt IG Metall zu hohe Erwartungen?
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat davor gewarnt, mit den Warnstreiks unrealistische Erwartungen bei den Beschäftigten zu schüren. Präsident Stefan Wolf sagte dem Portal „t-online“: „Ich habe den Eindruck, die IG Metall hat verstanden, was auf dem Spiel steht. Da sich die wirtschaftliche Lage quasi wöchentlich verschlechtert, dürfte sie auch ein Interesse an einem schnellen Abschluss haben.“ Für die Beschäftigten bedeute das Angebot nach jetzigem Stand eine Reallohnsicherung.
Wo wird schon verhandelt und gibt es Fortschritte?
Bereits an diesem Dienstag, 29. Oktober, beginnt in Kiel und Hannover die dritte Runde in den regional geführten Tarifverhandlungen. Nordmetall-Verhandlungsführerin Lena Ströbele forderte die Gewerkschaft zu einem zügigen Abschluss auf. Eine bessere wirtschaftliche Lage könne nicht „herbei gestreikt“ werden. Arbeitgeber wie Gewerkschaften hätten eine Verantwortung, für alle Beteiligten eine faire Lösung mit langer Planungssicherheit zu schaffen.