Landkreis Landshut
Noch patriotisch oder schon extremistisch?
19. Februar 2013, 18:23 Uhr aktualisiert am 19. Februar 2013, 18:23 Uhr
Üblicherweise ist man in den Redaktionen gewohnt, von Veranstaltern über bevorstehende Konzerte mit euphorischen Pressemitteilungen geradezu überhäuft zu werden. Das ist im Falle der Sparkassen- Arena nicht anders. Umso mehr fällt es auf, wenn diese Hinweise - wie im Falle des Konzertes am 18. April - ausbleiben. Im vorliegenden Fall dürfte dies zwei Gründe haben: Zum einen ist Werbung für die Band, die an diesem Abend auf der Bühne steht, praktisch nicht notwendig - die Konzerte sind nämlich in der Regel schon viele Wochen zuvor restlos ausverkauft. Und zum anderen ist man von Seiten der zuständigen Messe-Gesellschaft wohl nicht unbedingt stolz auf den Gast an diesem Abend. Die Rede ist von "Frei.Wild", einer Band aus Südtirol, die zumindest Anlass dazu gibt, ganz genau hinzuschauen, was sich dahinter verbirgt.
Viele Leser werden sich nun fragen: Wer oder was ist bitte schön "Frei.Wild"? In den Radio- und Fernsehstationen taucht die Band jedenfalls so gut wie nie auf, wird vom Mainstream ignoriert. Trotzdem - vielleicht auch gerade deswegen - hat sich die vierköpfige Formation mit ihrem patriotischen Deutschrock, der sich an Größen wie "Böhse Onkelz" orientiert, mittlerweile eine riesige Fangemeinde erspielt. Im Gegenzug wächst die Zahl der Kritiker rasant, die den Südtirolern vorwerfen, mit ihrer Musik den deutschen Rechtsrock salonfähig zu machen. Aktuell gipfelte die Diskussion in der Absage der Band für das in der Szene sehr beliebte "With Full-Force-Festival" in der Nähe von Leipzig, nachdem Sponsoren gedroht hatten, dem Veranstalter jegliche finanzielle Unterstützung zu entziehen, falls "Frei.Wild" dort auftreten sollte.
Nun klagen selbst die schärfsten Kritiker "Frei.Wild" nicht an, selbst der Neonazi-Bewegung anzugehören. Allerdings wiegt der Vorwurf schwer genug, dass die Band rechtsradikalem Gedankengut mit ihren Texten Vorschub leisten würde. Tatsächlich finden sich neben vielen Songs, die völlig problemlos auch von den "Ärzten" oder den "Toten Hosen" stammen könnten, auch Lieder, deren Inhalt aus demokratischer Sicht als zumindest grenzwertig beurteilt werden muss. Ein Auszug aus der patriotischen Hymne "Südtirol": "Südtirol, du bist noch nicht verlorn, in der Hölle sollen deine Feinde schmorn." Oder ein Beispiel aus "Halt deine Schnauze": "Und plötzlich ist sie reif die Zeit. Dann gibt's Revanche, dann gibt's aufs Maul."
Sänger distanziert sich von jeglichem Extremismus
Zweifellos kein gemütlich-schunkelseliges Liedgut - aber schon Grund genug, ein Konzert dieser Band zu verbieten? Wer die gewaltverherrlichenden und sexistischen Texte sogar in den Feuilletons gefeierter Rapper aus Berlin (Bambi-Preis für Bushido) damit vergleicht, kommt nicht umhin festzustellen, dass das meiste von "Frei.Wild" relativ harmlos daherkommt. Und Sänger Philipp Burger selbst distanziert sich energisch von Extremismus jeglicher Art, fordert auf seiner Homepage die Anhänger sogar auf, bei ihren Konzerten Zuschauer mit Neonazi-Emblemen sofort dem Ordnungspersonal zu melden. Dazu skandieren Musiker und Fans regelmäßig "Nazis raus!".
Thomas Link, persönlicher Referent des Oberbürgermeisters Hans Rampf, beobachtet die Lage sehr aufmerksam. Er sieht aber momentan keinen Grund, das Konzert in Landshut nicht stattfinden zu lassen: "Solange der Verfassungsschutz die Band nicht zumindest unter Beobachtung stellt, gibt es für uns keinen Anlass, die Veranstaltung zu verbieten." Auch wenn diese Art von Musik ganz sicher nicht sein Gefallen finde: "Wir sind nicht dazu da, den Menschen vorzuschreiben, für welche Geschmacklosigkeit sie ihr Geld ausgeben."
Wenn eine Band es schaffe, die Westfalenhalle in Dortmund mit 15000 Fans zu füllen, könne man mit Sicherheit feststellen, dass es sich nicht um ein Nazi-Konzert handle. Man dürfe zudem nicht den Fehler begehen, "Frei.Wild" nach deutschen Maßstäben zu beurteilen: "Wer die Mentalität der Südtiroler kennt, weiß, dass ihnen eine extreme Heimatverbundenheit inne ist", sagt Link. Patriotisches Liedgut, das deutschen Bürgern höchst befremdlich erscheine, sei dort völlig normal und werde "schon von Schulkindern in der ersten Klasse" gesungen. In der Tat orientiert sich die Band sehr in Richtung Deutschland und Österreich - mit Italien hat man nichts am Hut, wie man immer wieder deutlich macht.
"Stadt hat sich die Sache nicht leicht gemacht"
Link erklärt jedoch auch, dass man sich bei der Stadt die Beurteilung der Band nicht leicht gemacht habe - wie im Übrigen auch schon im Vorjahr. Denn im April kommt "Frei.Wild" bereits zum zweiten Mal nach Landshut. Von größeren Auffälligkeiten wurde bei dem mit 4000 Zuschauern ausverkauften Konzert vergangenes Jahr nichts bekannt, auch der Polizeibericht meldete damals einen ruhigen Verlauf der Veranstaltung.
Dies alles kann Stefan Gruber vom Jugendhilfeausschuss nicht zufriedenstellen. Er beklagt sich bitter darüber, dass die Stadt die Veranstaltung erneut genehmigt hat - obwohl der Ausschuss im Juli des vergangenen Jahres beschlossen hatte, jugendgefährdende Konzerte nicht zuzulassen: "Ich fühle mich als Mitglied des Ausschusses nicht ganz ernst genommen. Und ich habe kein Verständnis dafür, dass die Sparkassen- Arena das jetzt wieder macht." Auch Gruber macht klar, dass er die Band "Frei.Wild" nicht für eine Neonazi-Band hält. "Aber sie arbeitet im Graubereich und verbreitet völkisch-nationale Inhalte."
"Diese Art von Musik kann eine ,Einstiegsdroge' sein"
Für Jugendliche, die für dieses Gedankengut empfänglich seien, könne diese Art von Musik eine "Einstiegsdroge" sein. "Und ich will nicht, dass ein Konzert in Landshut eine Anlaufstelle dafür ist."
Ist "Frei.Wild" also noch patriotisch oder wird die Schwelle zum Extremismus bereits übertreten? In den einschlägigen sozialen Gruppen stehen sich Fans und Gegner der
Band fast schon hasserfüllt gegenüber - so dass vernünftige Stimmen auf beiden Seiten dringend zur verbalen Abrüstung mahnen. Ob und inwieweit "Frei.Wild" tatsächlich über ein gerade noch erträgliches Maß hinaus bei ihren Konzerten extreme Parolen von sich geben, kann man hier nicht abschließend sagen. Mehr dazu kann man wohl erst nach dem Auftritt am 18. April sagen. Aber man darf sich sicher sein, dass zahlreiche Beobachter - auch aus den verschiedenen politischen Lagern - mit Argusaugen über diese Veranstaltung in der Sparkassen-Arena wachen werden.