Zwischen Hoffen und Bangen
Wie sich Corona auf die Reisebüros in der Region auswirkt
17. Mai 2020, 15:44 Uhr aktualisiert am 17. Mai 2020, 15:44 Uhr
Nach und nach werden die coronabedingten Einschränkungen gelockert. So sollen ab Mitte Mai neben Gaststätten auch Hotels und Ferienanlagen in Deutschland schrittweise den Betrieb wieder aufnehmen dürfen. Zudem empfiehlt die EU-Kommission, ab Mitte Juni Europas Binnengrenzen stufenweise zu öffnen. Die LZ hat sich bei Reisebüros erkundigt, was diese Entwicklung für sie bedeutet und wie eine mögliche Urlaubssaison 2020 aussehen könnte.
"Definitiv geklärt ist nichts", meint Evelin Binieck, Inhaberin des Eichendorfer Reisebüros. "Die Flugraumgrenzen sind noch nicht geöffnet und jeder Staat hat eine andere Vorstellung davon, wie verfahren wird." Diese Unsicherheit wirkt sich auf das Kundenverhalten aus. "Wenn man nach der Ankunft im Urlaubsland in Quarantäne müsste, wäre das ja kein Urlaub", so Binieck. Statt Griechenland und Türkei rücken deshalb innerdeutsche Ferienziele, wie die Ostsee oder der Bayerische Wald, in den Fokus der Reiseinteressierten.
"Die Leute wollen raus", stellt die Eichendorfer Geschäftsfrau fest. Was sie besonders freut: Auch an der Planung für den Urlaub im nächsten Jahr beziehungsweise zur Jahreswende sind ihre Kunden schon interessiert.
Man zeigt sich "vorsichtig optimistisch"
Doch auch der Ferienaufenthalt in Deutschland werde in nächster Zeit anders aussehen, ist sich Binieck bewusst. "Die Hotels müssen natürlich Auflagen berücksichtigen. Durch die einzuhaltenden Abstandsregelungen können so vielleicht nur 50 von 100 Betten belegt werden." Deshalb müsse man in den Ferienanlagen gezielt Vakanzen erfragen. "Schwierig wird es, wenn ein Kunde ausschließlich in ein bestimmtes Hotel will. Wir können aber Alternativen anbieten." Der Reisebüroinhaberin ist es wichtig, zu betonen, dass die persönliche Beratung bei ihr weiterhin möglich ist - unter Einhaltung der Hygienevorschriften. "Ein stationäres Reisebüro lebt vom Kundenkontakt, im persönlichen Gespräch ist es leichter, die Wünsche des Kunden zu berücksichtigen. Bei uns können zwei Kunden gleichzeitig an zwei komplett ausgestatteten Beratungsplätzen mit ausreichend Abstand beraten werden. In einem gesonderten Wartebereich kann sich ein weiterer Kunde aufhalten."
In den letzten Wochen sei man stets als Ansprechpartner für die Belange der verunsicherten Kunden da gewesen, sagt Binieck. "Die großen Reiseveranstalter waren telefonisch nicht erreichbar." Mittlerweile sei die Situation nicht mehr so aussichtslos wie im April, sagt eine sichtlich erleichterte Binieck. "Da war es existenzbedrohend." Dankbar zeigt sie sich für die Soforthilfemaßnahmen der Regierung. Innerhalb einer Woche nach Antragsstellung habe sie 5.000 Euro erhalten. Nur der Antrag auf Erhöhung um weitere 4.000 Euro sei wochenlang nicht bewilligt worden. "Ich war in so einer absoluten Verzweiflungslage, dass ich einen Brief an die Bayerische Regierung und ans Kanzleramt geschrieben habe. Ich habe dann bald eine Antwort und drei Tage später die Soforthilfe erhalten. Das hat uns für zwei Monate das Überleben gesichert."
Evelin Binieck ist derzeit nach eigenen Angaben "vorsichtig optimistisch". Jetzt hofft sie besonders auf die Mithilfe der Kunden. Zugleich ist sie aber besorgt hinsichtlich der Zukunft ihrer Branche. "Es ist erschreckend, dass viele kleine Reisebüros, wie es heißt um die 50 Prozent, den Betrieb einstellen, bevor sie in die Insolvenz gehen."
Dass sich die Lockerungen der jüngsten Tage bemerkbar machen, berichtet auch Wolfgang Preissler, Inhaber dreier Reisebüros in Dingolfing, Vilsbiburg und Landau. "Es gibt vermehrt Anfragen zu Gebieten im Eigenanreisebereich, also Deutschland, Österreich oder Italien." Die Kunden reagieren schnell auf die aktuellen Entwicklungen. Laut Preissler gibt es täglich immer mehr Anrufe zu Urlaubsreisen im Sommer und im Herbst - durchaus auch Fernreiseanfragen. "Die Menschen informieren sich und picken sich Länder mit geringen Infektionszahlen heraus." Er selbst habe vor zwei Wochen eine Reise nach Thailand gebucht. Laut Statistik der Johns-Hopkins-University sei die Gefahr dort derzeit geringer als in Deutschland. In diesem Zusammenhang macht Wolfgang Preissler klar, dass eine pauschale Reisewarnung für Länder mit gleich hohen beziehungsweise geringeren Fallzahlen als in Deutschland für ihn keinen Sinn macht. "Das finde ich nicht richtig. Ich hoffe, die Reisewarnungen werden entsprechend angepasst." Die großen Urlaubsgebiete würden sich viel Mühe geben, gute Hygienestandards zu organisieren und für eine sichere Unterbringung der Gäste zu sorgen. Preissler warnt vor den möglichen Folgen eines Reisestillstands. "Das Fehlen von Touristen führt dazu, dass in vielen Gebieten Armut entsteht. "Auf Mallorca lebt rund die Hälfte vom Tourismus, da geht alles kaputt, wenn über eine ganze Saison hinweg keine Urlauber kommen." Überdies hinaus, sei die Ansteckungsgefahr im Flugzeug gering, meint Preissler.
Auf die Kunden kommt es an
Enttäuscht ist Wolfgang Preissler von der fehlenden Unterstützung durch den Bund. Die Krise habe Auswirkungen auf fast alle Branchen, doch die Reisebranche sei besonders stark betroffen. "Die großen Veranstalter werden mit Darlehen in Milliardenhöhe unterstützt, die Reisebüros machen aber die ganze Arbeit am Kunden. Die meisten Veranstalter lassen uns ziemlich alleine." Ein deutliches Lob müsse Preissler hingegen der Bayerischen Regierung aussprechen.
"Beantragung der Soforthilfe war unkompliziert"
"Die Beantragung der Soforthilfe war unkompliziert und zwei Wochen später war der Betrag auf dem Konto. Herzlichen Dank dafür." Auf lange Sicht - die Soforthilfe decke nur zwei bis drei Wochen Unkosten - komme es auf die Kunden an. "Es gibt sehr viele Anrufe von Kunden, die sich für den guten Service in dieser Zeit bedanken und wegen Urlaubsreisen anfragen. Das tut gut."
Viel zu lange schon habe man hauptsächlich mit Unschönem zu tun. "Wir wollen die Kunden beraten und ihnen eine Freude machen. Stornierungen und Umbuchungen gefallen keinem. Wir tun zurzeit, was wir können. Dringende E-Mails bearbeite ich selbst noch nach Feierabend", erzählt Preissler. Für die Zukunft wünscht er sich, dass ihnen die Kunden treu bleiben und es langsam wieder aufwärtsgeht. Man freue sich auf die Zeit nach der Krise, wie auch Christine Ostermeier, Leiterin der Landauer Filiale berichtet. "Ich freue mich, wenn es wieder losgeht. Besonders den persönlichen Kontakt mit den Kunden vermisse ich."