Politischer Gillamoos

Der Stadl tobt: Die Freien Wähler feiern Hubert Aiwanger in Abensberg

Tag Eins nach der Söders Freispruch: Viel und lange spricht Hubert Aiwanger beim Politischen Gillamoos in Abensberg. Nur ein Thema lässt er aus. Die Flugblatt-Affäre scheint für ihn beendet. Und auch für seine Anhänger.


Hunderte feiern Hubert Aiwanger beim Politischen Gillamoos in Abensberg.

Hunderte feiern Hubert Aiwanger beim Politischen Gillamoos in Abensberg.

Um kurz vor 9 Uhr ist Einlassstopp im Weißbierstadl. Eine Menschentraube möchte hinein in die riesengroße Scheune zum Politischen Gillamoos der Freien Wähler in Abensberg, doch die Türsteher lassen keinen mehr durch. Hunderte sind gekommen, um ihren Helden, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, zu feiern. "Ich bin beim Aiwanger, da ist die Hölle los", ruft ein Mann in sein Telefon. Das fasst die Situation ganz gut zusammen.

Dass hier die Hölle los sein würde, war im Vornherein klar. Seit einer Woche, seit die Flugblatt-Affäre das politische Bayern überschattet, warten alle gespannt auf den Gillamoosmontag. Erst stellte sich die Frage, ob Aiwanger sich dort erklären würde, zwischenzeitlich vielleicht auch die Frage, ob er bis dahin überhaupt noch als stellvertretender Ministerpräsident im Amt sein würde.

Um 9.10 Uhr verkünden die Veranstalter, dass die Reden nach draußen in den Biergarten übertragen werden. Der ist aber auch gleich voll. 80 Medienleute aus Zeitung, Funk und Fernsehen sind an diesem Tag angereist.

Im Trachtenjanker und weißen Hemd betritt der Freie-Wähler-Chef um 9.55 Uhr die Bühne. Der Freispruch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist 23 Stunden her, Aiwanger wird gefeiert wie ein Held. Der Flugblatt-Skandal sei für ihn abgeschlossen, hatte Söder am Sonntagmittag erklärt und das scheint er auch für seinen Vize und dessen Anhänger zu sein. Alle vier Stockwerke der Scheune sind gefüllt. Bis unters Dach stapeln sich die Menschen. Plakate werden hochgehalten: "Wir halten zam" steht darauf. Und "Aiwanger", weiße Schrift auf orangenem Hintergrund.

Nicht die Vergangenheit steht im Zentrum, sondern die Zukunft

Die Leute im Stadl applaudieren. "Hubert, Hubert"-Rufe tönen ihm von allen Seiten entgegen. Aiwanger schüttelt Hände wie ein Popstar. "Da ist a jedes Eishockeyspiel a Dreck dagegen", kommentiert ein Mann im Publikum. "Wie bei den Playoffs."

Playoffs ja, es hat aber auch etwas von einem Neubeginn. Heute an diesem Gillamoosmontag will Aiwanger alles hinter sich lassen. Die Flugblatt-Affäre ist für ihn vorbei. Er spricht eine Stunde, verliert aber kein einziges Wort darüber. Zwischenzeitlich fragt man sich: Ist überhaupt etwas vorgefallen? War da was? Für Aiwanger ist das Thema Flugblatt abgehakt. Wie auch für seine Unterstützer in der ganzen Scheune.

Endlich könne man wieder zur wirklich wichtigen Politik zurückkehren, finden die Menschen hier. Die Flugblatt-Affäre habe von den eigentlichen Themen abgelenkt. Und: Sie habe den anderen Parteien geschadet. Die Rechnung werde am 8. Oktober kommen, meinen Besucher des Stadls - dem Wahltag.

An diesem Vormittag im Stadl steht nicht mehr die Vergangenheit im Zentrum, sondern die Zukunft. Und Aiwanger skizziert vor den Zuschauern seine Pläne. "Wer arbeitet, muss mehr Netto vom Brutto haben", ruft er in den Stadl. "Leistung muss sich noch lohnen." Er will, ruft er, dass es noch Kinder gibt, deren Ziel es sei, beim Sportfest eine Ehrenurkunde zu gewinnen, ordentliche Noten zu haben, eine Berufsausbildung zu machen. Er will, dass diese Menschen Familien gründen könnten und sich nicht dafür rechtfertigen müssten, als was sich ihre Kinder zum Kinderfasching verkleideten. "Wir wollen eine Gesellschaft, wo der gesunde Menschenverstand die Zukunft dominiert und nicht die Ideologie die Zukunft kaputt macht."

Großen Applaus bekommt der Freie-Wähler-Chef auch, als er sich über die Thematik ums Insektenessen auslässt: "Dafür hat man bisher die bayerischen Bäckereien geschlossen, wenn man Kakerlaken gefunden hat, und jetzt gehört es plötzlich zum guten Ton, dass ein paar Körperteile von Kakerlaken im Brötchen sind", ruft er ins Mikro.

"Wir stehen vor dir, wenn mit Dreck geworfen wird"

Die Flugblattthematik überlässt Aiwanger den anderen Rednern. Die Menschen in Bayern mögen keinen amerikanischen Wahlkampf, sagt Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler. Der stärkste Beweis für Aiwanger sei in seinen Augen, dass er im Folgejahr des Flugblattskandals Schülersprecher wurde. "Das werden Sie nicht, wenn die Mehrheit Sie für einen rechten Spinner hält", poltert ein energiegeladener Mehring ins Mikro. Zuvor hatte er nicht den seitlichen Weg über die Treppen auf die Bühne gewählt, sondern war von vorne hinaufgesprungen.

Dann lässt er sich noch über Olaf Scholz aus, "einen Bundeskanzler, der sich nicht an seine politischen Gespräche vor einem Jahr erinnern kann". Er hätte schweigen sollen, wie immer, dann hätte er sich nicht blamiert, als er von Aiwanger forderte, er solle sich besser an die Geschehnisse vor 35 Jahren erinnern.

"Wir stehen vor dir, wenn von vorne mit Dreck geworfen wird, und wir stehen hinter dir, wenn von hinten mit Dreck geworfen wird", sagt er dem Freien-Wähler-Chef zu. "Bayern braucht die Freien Wähler, Bayern braucht Hubert Aiwanger." Der Stadl tobt.

Aiwanger steht mitten auf der Bühne, als abschließend Bayern- und Deutschlandhymne gespielt werden. "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht", stimmt eine Gruppe links von der Bühne an. Wenn es der Freie-Wähler-Chef schon nicht tat, beziehen sich vielleicht die Stadlbesucher damit noch ein bisschen auf das, was da vergangenene Woche vorgefallen war. "Alles alles geht vorbei, doch wir sind uns treu."

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