Interview
Manfred Weber: "Andreas Scheuer erhält einen Vertrauensvorschuss"
16. Februar 2016, 22:37 Uhr aktualisiert am 16. Februar 2016, 22:37 Uhr
In Niederbayern geht am Freitag eine Ära zu Ende. Manfred Weber wird den Vorsitz des CSU-Bezirksverbands abgeben. Er wurde im vergangenen November zu einem der Stellvertreter von Parteichef Horst Seehofer gewählt. Daher ist laut Satzung eine Neubesetzung notwendig. Im Interview mit unserer Zeitung blickt Weber zurück und sagt, was er von seinem Nachfolger erwartet und erklärt, welche Lösungsansätze er zur Bewältigung der Flüchtlingskrise sieht.
Herr Weber, Sie standen seit 2008 an der Spitze der CSU Niederbayern. Was konnten Sie in dieser Zeit für Ihre Heimat erreichen?
Weber: Die zentrale Frage ist: Was bringt Politik für die Menschen? So haben wir die Hochschullandschaft deutlich ausgebaut und die Zahl der Studienplätze in den letzten acht Jahren auf über 23.000 mehr als verdoppelt, Tendenz weiter steigend. Auch den Ausbau der Infrastruktur haben wir vorangetrieben, das gilt für Autobahnen, Bundesstraßen, aber auch die Breitbandversorgung. Wir haben damit unsere Heimat modernisiert. Niederbayern steht heute wirtschaftlich hervorragend da. Das liegt vor allem an den Menschen, aber auch an der Politik der CSU.
Nun soll Generalsekretär Andreas Scheuer Ihre Nachfolge antreten. Warum hat man die Kampfabstimmung zwischen ihm und den anderen Bewerbern gescheut?
Weber: Niederbayern ist bisher erfolgreich, weil wir als Team agiert haben. Deshalb bin ich froh, dass es gelungen ist, für meine Nachfolge einen Kandidaten zu finden, den alle mittragen können. Andreas Scheuer erhält von der CSU Niederbayern einen Vertrauensvorschuss. Als Bezirksvorsitzender muss man Teamspieler sein und zusammenführen und das trauen wir Andreas Scheuer zu.
Zwischenzeitlich sollte der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter als Kompromiss antreten. Was sollte dieses Manöver - wozu hat man einen Kompromiss gebraucht?
Weber: Es lagen in der Debatte alle Optionen auf dem Tisch. Wir haben auf allen politischen Ebenen starke politische Persönlichkeiten. Das hat die Suche nach meinem Nachfolger auch widergespiegelt.
Hinter den Kulissen ist es heftig zur Sache gegangen. Wie viel Porzellan wurde zerbrochen?
Weber: Wir haben intensive Diskussionen geführt, das gehört auch einmal dazu. Aber die CSU Niederbayern einigt sich am Ende - das ist es, was uns ausmacht. Dieser Geist wird Niederbayern in den kommenden Jahren prägen. Darauf können sich die Bürger verlassen. Auch bei manchmal unterschiedlichen Ansichten haben wir den Willen, gemeinsam für unsere Heimat etwas zu erreichen.
Was kommt auf Ihren Nachfolger nun zu?
Weber: Die größte aktuelle Aufgabe ist die Migrationskrise. Die Menschen erwarten hier klare Antworten. Wir müssen helfen, wo Menschen in Not sind. Aber wir brauchen Grenzen. Wir müssen Obergrenzen definieren, um die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft und Kommunen im Blick zu behalten. Auf uns kommt bei der Integration eine Riesenherausforderung zu. Das wird auch in Niederbayern die Hauptaufgabe sein.
Bisher hat die CSU in der Flüchtlingsfrage der Bundesregierung vor allem gedroht, passiert ist sonst nicht viel. Welche weiteren Schritte halten Sie für wahrscheinlich, falls die europäischen Verhandlungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Früchte tragen sollten?
Weber: Am Donnerstag ist Gipfel in Brüssel. Es muss sich alles darauf konzentrieren, dass wir gemeinsam vorankommen. Die europäische Lösung liegt ja auf dem Tisch. Es geht da um begrenzte Kontingente, die wir zur Lastenteilung den Herkunftsländern anbieten. Europa darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Bei der Verteilung innerhalb Europas brauchen wir einen fairen Ausgleich. Da müssen wir auch unseren osteuropäischen Freunden sagen, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Dazu kommt ein Schutz der Außengrenzen, der den Namen verdient. Und wenn Griechenland es nicht schafft, die Außengrenze zu sichern, dann werden wir über ein temporäres Ausscheiden Griechenlands aus der Schengen-Zone sprechen müssen. Die Türkei hat als unmittelbarer Nachbar Syriens und Europas eine Schlüsselrolle zur Bewältigung der Migrationskrise. Dazu werde ich heute auch in Ankara Gespräche führen.
Das Erscheinungsbild der EU ist derzeit desolat. Sie sind das europäische Gesicht der CSU. Was muss sich ändern?
Weber: Der nationale Egoismus muss überwunden werden. Derzeit scheitert nicht Brüssel. Alle Antworten liegen auf dem Tisch und im Europäischen Parlament kann ich garantieren, dass wir dafür eine Gesetzgebungsmehrheit haben. Es fehlt leider nur die Umsetzung der EU-Staaten. Dort regiert der nationale Egoismus. Daran leidet Europa. Bei allem Verständnis für viele Probleme in den EU-Staaten: Mit den Verweigerern müssen wir also Klartext reden. Wenn uns keine europäische Antwort gelingt, dann droht Schengen zu scheitern. Dann haben wir wieder überall nationale Grenzkontrollen. Das will keiner. Es geht um mehr als nur die Lösung eines einzelnen Problems: Es geht hier um die Selbstbehauptung des europäischen Lebenswegs. Solidarität ist hierfür der Schlüssel.
Wie sehr muss man auf die europakritischen Briten zugehen?
Weber: Wir brauchen Großbritannien in der Europäischen Union. Aber Großbritannien braucht auch die EU. Das Paket, das Ratspräsident Donald Tusk vorgelegt hat, ist ein fairer Deal. Beide Seiten können damit arbeiten. Einige Punkte sind darin auch für Deutschland interessant. Für uns als CSU ist wichtig, dass es keine Mitgliedschaft à la carte gibt. Man ist dabei oder nicht - mit allen Konsequenzen. Das müssen die Briten jetzt abwägen. Das habe ich Premier David Cameron gestern nochmals direkt gesagt.
Die neue polnische Regierung ist gerade dabei, rechtsstaatliche Prinzipien zu untergraben. Wird auch hier die EU nur hilfloser Beobachter sein?
Weber: Es ist ein großer Fortschritt, dass es Strukturen gibt, Mitgliedstaaten in Sachen Rechtsstaatlichkeit auf die Finger zu schauen. Aber es geht um souveräne Staaten. Das respektieren wir. Im Fall Ungarn ist es gelungen, im Dialog Verpflichtungen aufzuerlegen wie Medienfreiheit, Meinungsfreiheit. Auf so eine Lösung hoffe ich auch im Fall Polens.
Ministerpräsident Horst Seehofer war neulich zu einem Treffen mit Wladimir Putin in Moskau. Wie hilfreich war diese Reise angesichts der Sanktionen des Westens?
Weber: Horst Seehofer ist Parteichef in der Berliner Koalition. Es ist wichtig, dass er nach Moskau fährt und mit Präsident Putin direkt spricht. Das ist auch der Anspruch der CSU. Am allerwichtigsten ist derzeit Dialog. Auch Horst Seehofer ist sich der Problemlagen im Umgang mit Russland voll bewusst. Leider ist der russische Imperialismus wieder zurückgekehrt, siehe die Situation in der Ostukraine oder die unverantwortlichen Bombardements in Aleppo, die wieder neue Flüchtlingsströme auslösen. Umso wichtiger ist es, miteinander zu reden. Das hat Horst Seehofer getan.