Interview

Andreas Scheuer über Flüchtlinge: "Wir sind über der Belastungsgrenze"


Andreas Scheuer fordert in der Flüchtlingspolitik endlich Ergebnisse.

Andreas Scheuer fordert in der Flüchtlingspolitik endlich Ergebnisse.

Am Freitag und Samstag trifft sich die CSU in München zum Parteitag. Dieser wird ganz im Lichte des Flüchtlingszustroms und der Terrorgefahr stehen. Im Interview mit unserer Zeitung bekräftigt Generalsekretär Andreas Scheuer die Forderung nach einer europaweiten Quote für Flüchtlinge. Sobald diese erfüllt ist, "können wir niemanden mehr aufnehmen".

Herr Scheuer, die Attentate von Paris haben für Entsetzen gesorgt. Aus Ihrer Partei sind Stimmen zu hören, die diese Attentate und den derzeitigen Flüchtlingszustrom miteinander in Verbindung bringen. Wie sehr entsprechen diese Stimmen der Grundstimmung in Ihrer Partei?

Scheuer: Der Parteivorstand hat sehr klargemacht, dass diese beiden Themen zu trennen sind. Wir werden am Parteitag zum einen den Leitantrag "Deutschland braucht das starke Bayern: Migration - Leitkultur - Integration" beschließen, in dem wir Antworten auf die Megaherausforderungen des Flüchtlingszustroms geben. Daneben hat der Parteivorstand eine Resolution zum Kampf gegen Terror gefasst. Daran sieht man, dass wir beide Themen getrennt betrachten.

Die CSU und Ihr Parteichef, Horst Seehofer, haben in den vergangenen Wochen viel Kritik am Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik geübt. Die CDU-Chefin wird bei Ihrem Parteitag ein Grußwort sprechen. Von Ihrem Kurs ist sie indes kaum abgerückt. Worauf muss sich Merkel einstellen? So manchem Delegierten dürfte sehr nach Buh-Rufen zumute sein.

Scheuer: Wir sind gute Gastgeber. Viele Delegierte sind natürlich sehr sorgenvoll. Dennoch wird beim Parteitag auch klar werden, dass wir schon viele CSU-Forderungen in Berlin konkret umgesetzt haben, im Asylpaket I die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten und die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen. Ein zweites Asylpaket mit schnelleren Abschiebungen und der Aussetzung des Familiennachzugs ist beschlossen und wird jetzt in die Praxis umgesetzt. Alle diese Maßnahmen haben die Begrenzung des Flüchtlingszustroms zum Ziel. Denn: Wir sind über der Belastungsgrenze.

Kommen wir mal zur CSU selbst: Wie gut ist derzeit die Stimmung zwischen Landesleitung und Landesgruppe? Immerhin sitzen im Bundeskabinett auch drei CSU-Minister, die auch die jetzt von Ihnen so sehr kritisierten Entscheidungen mitgetragen haben.

Scheuer: Ich habe keine Kabinettsentscheidung mit Beteiligung der CSU kritisiert. Im Bundeskabinett und im Bundestag wird jetzt nach und nach umgesetzt, was CSU-Chef Horst Seehofer mit den anderen Parteivorsitzenden der großen Koalition, Angela Merkel und Sigmar Gabriel, vereinbart hat. Da sind wir auf einem guten Weg. Von der CSU in München gehen wichtige Impulse für Berlin aus. In Berlin ist es natürlich immer ein Kampf um Mehrheiten mit anderen Parteien. Für die CSU gilt: Wenn wir geschlossen auftreten, können wir unsere Positionen am besten durchsetzen.

Reden wir mal konkret über den Leitantrag: Hauptziel ist es, die Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen. So fordern Sie, dass es kein Bleiberecht für alle geben könne. Wollen Sie damit also das Dublin-Verfahren wieder einführen, mit dem Effekt, dass Deutschland praktisch seine Grenzen schließen müsste?

Scheuer: Solange die EU-Außengrenze weiter so löchrig ist, müssen die Kontrollen an Deutschlands Grenzen aufrechterhalten bleiben. Wenn die europäischen Abmachungen nicht eingehalten werden, müssen wir national alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausschöpfen. Mit einem Reisebusunternehmen namens Republik Österreich, das alle Flüchtlinge einfach nur nach Bayern fährt, kann es nicht weitergehen. Um wieder zu geordneten Verfahren in Europa zu kommen, drängt die Bundeskanzlerin auf die sogenannten Hotspots etwa in Griechenland, um dort schon zu prüfen, wer Bleibeperspektive hat. Und jene, die schutzbedürftig sind, sollen dann nach Kontingenten in ganz Europa verteilt werden.

In Ihrem Leitantrag fordern Sie zudem eine Obergrenze. Wer legt die fest und anhand welcher Methodik?

Scheuer: Da geht es genau um das Kontingent für Europa. Ich denke, jeder muss anerkennen, dass Deutschland in diesem Jahr weit über seine Belastungsgrenze und Aufnahmefähigkeit gegangen ist. Diese Leistung muss im Kontingent für die nächsten Jahre angerechnet werden. Europa darf nicht nur eine Profiteurs-Union sein, wenn's um Fördergelder geht, sondern muss eine Solidaritäts-Union sein, die auch in schwierigen Phasen zusammensteht.

Was passiert, wenn diese Obergrenze erreicht ist?

Scheuer: Dann können wir niemanden mehr aufnehmen. Aber das alles wird nur funktionieren, wenn das Recht wiederhergestellt ist. Also: Sicherung der EU-Außengrenze, Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen in Hotspots und Verteilung in Europa nach fester Quote und kein ungezügelter, unkontrollierter Zuzug.

Im Leitantrag findet sich die Forderung, Fluchtursachen zu bekämpfen durch eine "aktive deutsche Außenpolitik". Das klingt sehr allgemein. Was verstehen Sie darunter?

Scheuer: Ergebnisse, endlich Ergebnisse. Da ist auch das Auswärtige Amt mehr gefordert. Die Auswirkungen der Krise in Syrien hat das Amt von Außenminister Frank-Walter Steinmeier offenbar nicht kommen sehen.

Sie berufen sich zudem auf die christlich-jüdische-abendländische Tradition in Deutschland. Wie beurteilen Sie dazu die Kritik seitens der Kirche? In einem Brief haben Ordensvertreter an Horst Seehofer geschrieben, sie sähen sich durch seine Politik nicht mehr repräsentiert.

Scheuer: Bayern übernimmt in der Flüchtlingskrise eine gewaltige humanitäre Verantwortung. Wir sind immer im intensiven Dialog mit den Kirchen, auch bei diesem Thema. Aber die Kirchen sollten nicht übersehen, dass es auch viele gläubige Christen gibt, die die Frage nach der Überforderung unserer Gesellschaft stellen. Wer zu uns kommt mit einem anderen kulturellen und religiösen Hintergrund, muss unsere christlich-jüdisch-abendländische Tradition und unsere Leitkultur anerkennen. Ich gehe davon aus, dass unsere Kirchen dies auch so sehen. Zudem müssen wir zwischen wirklich Schutzbedürftigen und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden. Alles Andere würde unsere Gesellschaft überfordern. Es gibt einen Unterschied zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Als politische Mandatsträger haben wir den Bürgern gegenüber die Verantwortung, die Grenzen der Belastbarkeit im Blick zu halten.

Ihr Parteichef will künftig fünf statt vier Stellvertreter an seiner Seite haben. Was versprechen Sie sich davon?

Scheuer: Andere Parteien haben das auch, das ist also nicht außergewöhnlich. Es zeigt doch, wie breit und wie kompetent die CSU aufgestellt ist, von der Kommunalpolitik bis zur Europapolitik. Mit Kurt Gribl aus Augsburg steht ein hoch angesehener Kommunalpolitiker zur Wahl. Mit dem Niederbayern Manfred Weber und Angelika Niebler stehen hoch angesehene und einflussreiche Europäer zur Wahl. Für uns wichtig sind in der Parteispitze weiterhin Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Bundesminister Christian Schmidt.

Die Beliebtheitswerte für Horst Seehofer haben zuletzt deutlich zugelegt. Ist nun damit zu rechnen, dass sein Abtritt von der politischen Bühne verschoben wird? Schließlich wollen Sie ja mit dem Kandidaten in die Wahlen gehen, von dem Sie sich die größten Erfolgsaussichten erhoffen.

Scheuer: Horst Seehofer ist kraftvoll im Amt - darüber freut sich jeder. Wir konzentrieren uns ansonsten auf die Arbeit. Der Parteivorsitzende hat seinen Zeitplan und seine Lebensplanung mehrfach offengelegt. Aber wir freuen uns, dass der Kurs Seehofer so große Zustimmungswerte hat. Das belegt auch, dass unser Kurs richtig ist.

Wie wird das Wiederwahlergebnis für Horst Seehofer ausfallen? Was ist Ihr Tipp?

Scheuer: Für uns alle sehr gut.