Neues vom Turm

Von müden Kriegern und falschen Fischen


"Servus, Fisch!": Der Spruch der Regensburger Juden wurde zum Running Gag hinter der Bühne und findet sich auch auf den Gruppen-T-Shirts der vier Juden-Darsteller, samt Teletubbie- ... äh, historischem Judenhut.

"Servus, Fisch!": Der Spruch der Regensburger Juden wurde zum Running Gag hinter der Bühne und findet sich auch auf den Gruppen-T-Shirts der vier Juden-Darsteller, samt Teletubbie- ... äh, historischem Judenhut.

Pack ma's wieder ... Ja, ab heute gibt es sie wieder, die gefürchteten wie geliebten, die berüchtigten wie geschätzten, die frechen und dennoch immer irgendwie auch lieb gemeinten Nachrichten vom Turm. Unser Informantennetz steht, das Agentenohr ist gespitzt, damit wir Sie auch in den kommenden beiden Wochen damit versorgen können, was hinter den Kulissen der Drachenstich-Bühne so passiert. Genau dieser Spaß ist es, der Deutschlands ältestes Volksschauspiel seit so vielen Jahren am Leben hält. Denn würde abseits des Scheinwerferlichts nicht gelacht, gefeiert und gealbert, wäre es für die Organisatoren von Deutschlands ältestem Volksschauspiel sicherlich nicht einfach, alljährlich so viele Further zu bewegen, unentgeltlich viele Stunden ihrer Freizeit für diese uralte Tradition zu opfern. Zudem haben wir gehört, dass es in der Spielschar anscheinend einfach schon dazugehört, es zumindest einmal pro Saison in den "Turm" zu schaffen.
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Einer, der dies sicherlich mehr als einmal schafft, ist der Dante, im bürgerlichen Leben besser als Markus Christl bekannt. Er ist der typische Drachenstich-Spieler: immer gut drauf, immer beim Feiern mit vorne dabei. Und wenn es um den Drachenstich geht, lässt er alles liegen und stehen. Vorausgesetzt, sein über die Jahre durchs Festspiel-Drumherum geschundener Körper macht's mit.
Dieser streikte nämlich bereits am vergangenen Freitag, wie zu hören war. Und nicht nur bei ihm. Da bekanntlich Regisseur Alexander Etzel-Ragusa das Zeitgefühl einer Schnecke hat, der Herr Künstler die Zeit gar als Geißel der Muse betrachtet, dauern halt Probennachbesprechungen immer seeeeehr lange. Da dachten sich der Sattelbogner Klaus Gevatter und dessen Offiziere Markus "Schlecki" Reimer sowie Markus "Dante" Christl: "Die Zeit, bis wir an der Reihe sind, überbrücken wir!" Und zwar zunächst bei der Rosi im Café Rathaus mit ein paar Rüscherln und dann im "ViP", ebenfalls mit ein paar Rüscherln. Als dann die Sattelbogner gegen 1.30 Uhr mit der Besprechung an der Reihe gewesen wären, gab es Ausfälle. Der Schlecki war an der Theke nicht mehr wach zu kriegen und auch die anderen beiden sollen nicht mehr ganz so aufnahmefähig gewesen sein. "Der Dante konnte das, was ihm Etzel-Ragusa aufgetragen und er sich notiert hatte, am anderen Tag nicht mehr lesen. Und der Klaus hatte auch einige Erinnerungslücken", war zu hören.

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Keine Erinnerungslücken hat dagegen Ritterin Patricia Dums. Ganz im Gegenteil: Sie kennt den Drachenstich-Text inzwischen so gut, dass sie locker mehrere Rollen spielen könnte. Das zeigte sich bei den Proben in der vergangenen Woche. Beispiel: Als einer der Leibgardisten des Chamerauers fehlte, sprang Patricia spontan ein, indem sie seinen Part übernahm: "Herr, die Ratten haben die ganzen Vorräte angefressen!"

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Nicht unbedingt mit Textlücken, dafür aber mit Orientierungsschwierigkeiten kämpfen derzeit manche Akteure. Grund: Die Kulissen wurden doch merklich verändert. Das verwirrte am Montagabend bei der ersten Hauptprobe den neuen Chamerauer Uli Jakob so sehr, dass er nicht nur verspätet zur Hinrichtung kam, sondern auch noch aus dem falschen Tor. Es sei einfach verwirrend, hinter den Kulissen, meinte er entschuldigend. Sattelbogner Klaus Gevatter nutzte die Zeit, um sich auf den im Vierfüßlerstand vor ihm knieenden Hussiten zu setzen und etwas auszurasten. Der Hussit Michael Ermer ertrug die gefühlten 100 Kilo plus dankbar, war er doch froh, dass der Sattelbogner nicht wahr gemacht hat, was er mit dem großen Schwert in der Hand angekündigt hatte: "Das nächste Mal zuig i durch..."

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Ob auch die "Fanny", also der Drache, aus ökologischer Sicht "guat durchzuigt", diese Frage tauchte bei einer lockeren Diskussionsrunde hinter der Bühne auf. Da doch der Diesel-Skandal täglich die Medien mit Blamagen füttert und auch Tradinno von einem Diesel angetrieben wird, fragte man sich nicht ganz unberechtigt: Wie schaut's beim Drachen mit der Feinstaubbelastung aus? Muss eventuell nachgerüstet werden? Oder darf "Fanny" vielleicht künftig gar keine Großstädte mehr besuchen, so wie heuer zuletzt Nürnberg? Einer soll die richtige Antwort auf all die Gedanken parat gehabt haben: "Seid's froh, dass da Drach koan loasst. Des war a Wind voller Methan. So stinga kannt a Diesel nie."

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Übrigens: stinken. Es gibt Fische, die stinken nicht, auch wenn sie lange in der Sonne liegen. Einen solchen "Fisch" lassen sich die beiden Juden, die heuer neu im Stück sind, schmecken. Mit ein Grund könnte sein, dass dieser "Fisch" gar kein Fisch ist, sondern Schweinefleisch, wie der Chamerauer textbuchgemäß anmerkt. Damit die beiden Juden jedoch das Schwein essen dürfen, stellen sie sich einfach vor, es sei ein Fisch - und begrüßen die Leckerei sogar mit: "Servus, Fisch!" Übertrieben jiddisch gesprochen klingt das zum Totlachen, weshalb sich hinter der Bühne das Gros der Akteure bereits mit "Servus, Fisch" begrüßt. Der Running Gag 2017 scheint geboren zu sein. Dieser ziert sogar das neue Gruppen-T-Shirt der vier Juden-Darsteller Toni Fischer und Florian Fuchsbüchler sowie Karl-Heinz Haimerl und Alexander Pongratz. Darunter aufgedruckt der im Vorfeld so arg gescholtene gelbe Hut, den die Regensburger Juden tragen müssen. Warum dies so ist, darüber wird im neuen Stück aufgeklärt. Nur so viel sei verraten: Es handelt sich nicht um die Vorfahren der Teletubbies ...