Simon Forster über Spaniens Sieg

Xavi, Iniesta, große Fiesta!


Simon Forster.

Simon Forster.

Von Simon Forster

Das war Fußball in Perfektion, Tiki-Taka in Vollendung. Spanien, die rote Furie, schafft mit dem 4:0 gegen Italien im EM-Endspiel in Kiew gleich mehrfach Historisches. Es war der höchste Finalsieg bei einer Europameisterschaft. Und: Noch nie ist es einer Nation gelungen, nacheinander drei große Titel zu gewinnen, außer Spanien. Sie sind nun Welteuropa-Europameister, die Besten der Welt!

Lange Zeit sah es während des Turniers jedoch so aus, als ob Titelverteidiger Spanien seinen Zenit erreicht hätte. Die gefürchtete Kurzpass-Maschinerie Tiki-Taka lief zu Beginn noch nicht wie geschmiert. Ihr Spiel wirkte langweilig und ermüdend. Doch del Bosque hielt an der Taktik und der Spielweise fest. Teilweise ließ er nicht einmal einen echten Stürmer auflaufen, worunter die Offensive merklich litt, da der Anspielpartner im Zentrum fehlte. Del Bosque jedoch war auch nach dem holprigen EM-Start von der Stärke seiner Mannschaft überzeugt: "Unsere Philosophie und unsere Art zu spielen sind nach wie vor gut." Und der Vater des Erfolges sollte recht behalten. Zwar mauserte sich Spanien mit mehr Glück als Glanz in die Endrunde, doch "wenn man das Turnier gewinnen will, braucht man auch etwas Glück", so del Bosque, der nach der Gruppenphase von einem bevorstehenden "Kampf zwischen Deutschland und Spanien" sprach. Dazu kam es aber nicht. Das große Kräftemessen zweier mächtiger Nationalmannschaften wurde vertagt. Stattdessen warteten im Finale die unberechenbaren Italiener, die Überraschungsmannschaft schlechthin. Schon in der Gruppe traf Spanien auf Italien. Das Spiel endete 1:1, mit Glück für die "la roja", die sich gegen ein taktisch klug eingestelltes Italien sehr schwer tat, sogar in Rückstand geriet.

Fußball von einem völlig anderen Planeten

Im Finale lag die Messlatte aber um einiges höher. Angeführt von den überragenden Mittelfeldstrategen Xavi und Iniesta überrollte der Titelverteidiger die Herausforderer aus Italien wie eine Dampfwalze. Überfallartige Traumpässe in die Schnittstellen zerschnitten das Defensivkonzept der Italiener, die wie Marionetten in der Luft hingen und die spanische Garde gewähren ließen. Wieder spielte man zwar ohne echten Stürmer, dieses Mal ging der Plan aber auf. Auch weil sich die nimmermüden Spanier endlich hungrig auf den Titel zeigten. Im Gegensatz zum Gruppenspiel störte man die Italiener sehr früh und nahm so den vielleicht besten Spieler der EM, Andrea Pirlo, komplett aus dem Spiel. Ohne seine Pässe, seine Ideen, verkrampfte das italienische Spiel und wurde dadurch viel zu statisch. Spanien ließ den Ball und den Gegner wie gewohnt laufen und machte Italien so hundemüde.

Xavi Hernandez (32), Taktgeber und Gehirn der spanischen Mannschaft, verriet nach dem Spiel den Schlüssel zum Erfolg: "Unsere Ballzirkulation war viel besser, wir haben Italien dominiert." Zusätzlich rätselte der Barcelona-Star über seine Zukunft: "Ich werde mit dem Trainer reden, ob ich auch noch an der WM 2014 teilnehmen werde."

Vor allem die erste Halbzeit war Fußball von einem anderen Planeten. Keine Mannschaft der Welt hätte diese Spanier an diesem Tag stoppen können. Auch nicht Deutschland! Bei all den feinen Zuspielen, den genialen Finten, den perfekten Kombinationen, darf man aber nicht den Fehler begehen, Spanien auf ein überragendes Mittelfeldnetz zu reduzieren. Die Arbeit in der Defensive war mindestens genauso wichtig. Die Abwehr um Gerard "Piquenbauer" und Sergio Ramos hat im gesamten Turnier ein Gegentor hinnehmen müssen. Das zeigt, dass Spanien ihre Spiele auch hinten gewinnt.

Warum ist Spanien also unschlagbar? Iker Casillas, der auf dem besten Weg ist, erneut Welttorhüter zu werden, musste nur kurz überlegen: "Ich weiß nicht, was wir Besonderes haben. Vielleicht das Talent." Talent, das sie nun in die Geschichte eingehen lässt, als vielleicht beste Mannschaft, die es jemals gab.