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Ist Sängerin Chappell Roan ein Opfer oder bloß eine Diva?
23. Oktober 2024, 6:00 Uhr
Ein Lied, so heiß, dass es die MTV Video Music Awards (VMAs) abbrennt. So könnte man den Auftritt der Musikerin Chappell Roan zusammenfassen, den sie vor Kurzem mit ihrem Hitsong „Good Luck, Babe“ hingelegt hat. „Wenn deine Situationship so schlimm geworden ist, dass du deshalb ein Schloss anzündest“ war einer der Kommentare unter dem YouTube-Video des Auftritts und spielt damit auf die mittelalterliche Kulisse an, die im Laufe des Songs in Flammen aufgeht.
Und wäre Chappells Auftritt das Einzige, worüber man an diesem Abend geredet hat, wäre das – so gut die Performance auch war – wohl schon wenig später keine weitere Erwähnung mehr wert gewesen. Dann ging aber Chappells Gang über den roten Teppich viral, auf dem sie sich lautstark mit einem der Fotografen anlegte, der ihr vorschreiben wollte, wie sie zu stehen hatte. Die Reaktion der Fans war gemischt.
In dem Song verliert sie ihre Partnerin an einen Mann
Ein Teil stand hinter der Musikerin und sah die Schuld bei dem Fotografen, der sich wohl übergriffig verhalten hatte. Ein anderer Teil warf Chappell vor, zwar die Vorteile des Star-Status genießen zu wollen, mit den Pflichten aber nicht viel anfangen zu können. Und die VMAs waren nicht das erste Mal, dass sich Chappell mit dem Musikbusiness und den Fans anlegte.
Musik macht die 26-Jährige schon seit ihrem zwölften Lebensjahr. 2017 nahm das Label Atlantic Records sie unter Vertrag, entließ sie aber kurz darauf wieder, weil Chappell mit ihrer Musik zu wenig Umsatz generierte. 2022 kam sie dann bei Sony unter und schaffte ihren Durchbruch.
Richtig bekannt ist Chappell aber tatsächlich erst seit diesem Jahr, als sie zum Aushängeschild des aktuellen Musiksounds wurde. „Good Luck, Babe“ ist auf den ersten Blick ein klassischer Breakup-Song, also ein Lied, in dem das Ende einer Beziehung besungen wird. Da Chappell offen zeigt, dass sie lesbisch ist, hat es aber einen anderen Kontext: In dem Song verliert die US-Amerikanerin ihre Partnerin an einen Mann, weil die sich nicht eingestehen kann, dass sie Frauen liebt. Da kann man auch sehr schnell gesellschaftskritische Themen hineininterpretieren. Allen voran „compulsory heterosexuality“. Also „Zwangsheterosexualität“, ein Konzept, das zeigt, wie viel in unserer Gesellschaft immer noch unter den Normen der Heterosexualität läuft.
Genauso schnell wie Chappell am bisherigen Höhepunkt ihres Erfolgs angekommen war, wurde sie vom Spitzenplatz auch wieder heruntergestoßen. Aus ähnlichen Gründen, warum auch Musikerinnen wie Britney Spears bei der Öffentlichkeit in Ungnade fielen: Den Fans fiel auf, dass ihr Musikervorbild auch nur ein Mensch ist.
Fans sollen sie außerhalb der Bühne in Ruhe lassen
Im Fall von Chappell Roan ging die Musikerin sogar von Anfang an einen Schritt weiter. Kayleigh Rose Amstutz – so ihr bürgerlicher Name – betonte, dass Chappell Roan eine Kunstfigur ist, über die sie ihre Musik in die Öffentlichkeit bringt. Sie geht auch sehr offen mit den Belastungen um, die der Erwartungsdruck der Fans mit sich bringt. So äußerte sie zum Beispiel den Wunsch, dass Fans sie in Ruhe lassen, wenn sie nicht auf der Bühne steht und wie sehr der Druck an ihrer psychischen Verfassung zehrt. Statements, auf die Fans nicht nur mit Verständnis reagierten – spätestens dann, als Chappell spontan zwei Konzerte ausfallen ließ, um wenig später bei den VMAs aufzutreten.
Dabei ist Chappell Roan nur das aktuelle Beispiel für die ungesunde Art, wie Musikbranche und Fans mit jungen Künstlerinnen umgehen. Geschichten wie die von Britney Spears oder Whitney Huston zeigen, dass diese Obsession sehr schnell im Krankenhaus oder mit dem Tod der Künstlerin enden kann. Dass Kayleigh Rose Amstutz das nicht will, ist verständlich. Selbst wenn dadurch ihre Karriere einen vermeintlichen Knick erhält.