Kommentar
"Instagram": Zentrum aller Selbstdarstellung
10. Januar 2016, 13:09 Uhr aktualisiert am 10. Januar 2016, 13:09 Uhr
Jeden Tag - in Bussen, in Cafés, im Garten. Immer häufiger wird die Frontkamera des Smartphones bedient. Ziel: Ein möglichst gut gelungenes Selfie knipsen. Hierbei setzen Social-Network-User jeden Alters ihr strahlendstes Lächeln, den prallsten Kussmund oder das tiefste Dekolleté gerne gekonnt in Szene, um das geschossene Foto im Anschluss meist auf "Instagram" zu posten. Doch wo hört das Dokumentieren des eigenen Alltags auf und wo beginnt die beinahe zwanghaft gewordene Selbstdarstellung?
Instagram hat in den Augen vieler Jugendlicher Facebook längst überholt. Auf der Plattform werden nahezu professionell inszenierte Schnappschüsse mit Hashtags versehen, um auch international auf das eigene Profil aufmerksam zu machen. Bereits 14-jährige Nutzerinnen stellen gerne ihren knapp bekleideten Körper in unbequem aussehenden Posen zur Schau. "Gesehen und gesehen werden" scheint das Motto des Netzwerks.
Viele Nutzer können sich einer beinahe als Fangemeinde zu bezeichnende Masse an Followern erfreuen. Diese hinterlasssen unter den Posts der vielverfolgten Nutzer gerne Kommentare wie "Vorbild" oder auch "Ich wünschte, ich wäre du!" Diese ausschweifenden Komplimente basieren jedoch beinahe ausschließlich auf der bloßen - wenn auch gut präsentierten - Optik jener "Instagram"-Nutzer.
Heidi Klum ist nämlich längst überholt als Entdeckerin neuer Gesichter. Wer etwas auf sich hält, präsentiert sich von seiner schönsten Seite auf seinem mobilen Account und lässt mit den angebotenen Filtern und dem richtigen Lichteinfall schnell das vielleicht doch nicht perlenweiße Lächeln oder die etwas zu fülligen Wangen verschwinden. So wird vor allem den zahlreichen jungen Nutzern ein nicht erreichbares Maß an retuschierter Schönheit vorgesetzt, an welchem diese beginnen, sich zu orientieren. Jedoch würden die hier perfekten Fotomodelle selbst meist schlecht abschneiden, würden sie ihre reelle Erscheinung mit ihrem hochaufgelösten, durch Filter makellos gemachten Zwilling vergleichen.
So birgt diese schöne, gar perfekte Welt, in die Millionen Nutzer hier täglich eintauchen, auch viele Probleme und diese wachsen mit der steigenden Beliebtheit des Netzwerks. Denn reicht lediglich die auf Bildern dargestellte eigene Attraktivität aus, um von zahlreichen Menschen bewundert zu werden? Sollte diese die wahrlich beneidenswerten Attribute wie Höflichkeit, Hilfsbereitschaft oder Ehrlichkeit an Wertschätzung längst überholt haben? Und sollten junge Menschen es wirklich als wichtig erachten, eine hohe Anzahl an Followern und Likes zu haben, welche nichts anderes an der eigenen Person schätzen als Äußerlichkeiten und Selbstdarstellung? Soll das Streben nach dem sozialen Anerkennen und Huldigen der eigenen Schönheit ein ernstzunehmender Bestandteil des Lebens unserer Gesellschaft werden? Eine Gesellschaft, in der sich Frauen danach sehnen, als bloße, gut geformte Hülle wahrgenommen zu werden? Eine Gesellschaft, in der auch zahlreiche Männer einen Großteil des eigenen Selbstvertrauens durch viel kommentierte Bilder ihres Bizeps erhalten?
Die schnelle, moderne Kommunikation hin oder her, die heutige Sucht der Selbstdarstellung bei einem Erste-Welt-Problem belassend, sollte hier jeder selbst eine Grenze ziehen. Die macht es möglich, sich nicht auf einem vergänglichen Zuspruch durch einen Online-Dienst auszuruhen und das eigene Aussehen als wichtigsten Teil der Persönlichkeit anzusehen, sondern den Fokus mehr auf reelle Handlungen, Erfahrungen und die eigene Zufriedenheit mit dem nicht retuschierten und ungeschminkten Spiegelbild zu legen. Denn das macht ein wirklich perfektes Leben aus, das nicht dem Ansporn durch tausende fremde Kommentare auf "Instagram" bedarf. Und so darf gerne weitergeknipst werden, vielleicht zur Abwechslung einmal eben dieses Spiegelbild!