Bayern

Massenhochzeit in München: Pfarrerin will am Tag 66 Pare trauen

Hochzeits-Marathon zum 23.3.23: In der Christuskirche geben 20 evangelische Pfarrer elf Stunden lang Ehepaaren den kirchlichen Segen - auch Kurzentschlossenen. Ein AZ-Gespräch mit Pfarrerin Stefanie Wist


Die Christuskirche am Dom-Pedro-Platz. Hier werden sich morgen viele Brautpaare tummeln.

Die Christuskirche am Dom-Pedro-Platz. Hier werden sich morgen viele Brautpaare tummeln.

Von Julia Wohlgeschaffen

München - Pfarrerin Stefanie Wist leitet seit Anfang des Jahres 2021 die evangelische Gemeinde in Neuhausen. Zuvor war sie in der Michaelskirche Ottobrunn. Die AZ hat sie zum Interview getroffen.

Einen Ausweis und eine standesamtliche Trauurkunde. Mehr braucht man nicht, um morgen ganz spontan in der Christuskirche in Neuhausen kirchlich zu heiraten. Es ist das erste Mal, dass Pfarrerin Stefanie Wist so viele Paare an einem Tag trauen wird. Die AZ hat sie vorab besucht.

AZ: In München sind in letzter Zeit Gotteshäuser durch besondere Ereignisse wie Faschingsgottesdienste aufgefallen. Am Donnerstag trauen Sie Dutzende Paare im Rahmen der Aktion "Einfach Heiraten". Haben Sie das Gefühl, mithalten zu müssen?

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Pfarrerin Stefanie Wist (l.) im Gespräch mit AZ-Reporterin Julia Wohlgeschaffen.

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Die Christuskirche am Dom-Pedro-Platz. Hier werden sich morgen viele Brautpaare tummeln

STEFANIE WIST: Ich freue mich über viele Kollegen, egal welcher Konfession, die sagen: Ich bringe die Botschaft an die Menschen und ich lasse mir dafür ungewöhnliche Formen einfallen. Da empfinde ich keine Konkurrenz.

Ist das Ihre erste außergewöhnliche Aktion?

Nein. 2021 sind wir auf der Ladefläche eines Pick-ups durchs Stadtviertel gefahren und haben dort Gottesdienst gefeiert, die Liefer-Andacht. Wir sind da aufgeschlossen und vielleicht ein bisschen verrückt. Es ist uns ein Anliegen, den Menschen zu zeigen: Wir sind für euch da und verstecken uns nicht hinter unseren Kirchenmauern. Die Trauungsaktion machen wir aber zum ersten Mal.

Warum ausgerechnet diesen Donnerstag? Weil's der 23.3.23 ist?

Ganz genau! Die Schnapszahlen kann man sich ja ganz gut merken.

Was ist die Intention hinter diesem Trauungsmarathon?

Sie trifft genau den Nerv der Menschen, die nicht zwei Jahre ihre Hochzeit planen möchten, die kein großes Fest mit vielen Leuten feiern, sondern nur für sich um den Segen Gottes bitten. Sie sagen "Es geht nur um uns und unsere Liebe." Manche sind schon viele Jahre standesamtlich verheiratet und hatten keine Zeit oder dann kamen die Kinder und andere Gründe.

Wie viele Paare haben sich bisher angemeldet?

32. Mehr Anmeldungen nehmen wir aber nicht an, alle anderen können unangemeldet am Donnerstag vorbeikommen. Von 11 bis 22 Uhr haben wir Kapazitäten für 66 Paare.

Befürchten Sie nicht, dass da ein Konkurrenzkampf entstehen könnte?

Ich glaube nicht. Diejenigen, mit denen ich gesprochen habe, die freuen sich einfach.

Beschreiben Sie uns doch mal den genauen Ablauf.

Die Paare werden nacheinander getraut oder gesegnet, das dauert jeweils 20 Minuten. Wir verteilen das auf verschiedene Räume. Sie müssen eine Stunde vorher da sein. Zuerst müssen sie Fragebögen ausfüllen und Musikpakete wählen, dann gibt es ein kurzes Gespräch mit dem Pfarrer und dann kurz Zeit, um Pause zu machen. Glücklicherweise sorgt Dallmayr für Catering und Kaffee.

Was ist anders im Vergleich zu einer "normalen" Trauung?

Die Trauung ist viel kürzer und ich habe viel weniger Zeit zur Vorbereitung, aber auch für Gespräche mit den Paaren. Bei einer normalen Trauung treffe ich mich zu zwei Gesprächen mit den Paaren, aber wir haben davor meist schon E-Mail oder Telefonkontakt gehabt. Das haben wir an dem Tag dann so nicht.

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Sie allen Paaren das Gleiche sagen werden und dass die persönliche Note verloren geht?

Nein. Glücklicherweise sind so viele Pfarrer im Einsatz, dass wir uns gut abwechseln können.

Wie viele?

So zirka 20.

Sie werben mit Sätzen wie "Segen für Lang- und Kurzentschlossene". Sollte eine Trauung nicht wohl überlegt sein?

Ich glaube nicht, dass an diesem Tag die Leute spontan morgens beim Frühstück sagen werden "Da gehen wir jetzt hin." Ich glaube, der Impuls ist eher, dass die Leute sagen, ich kann da jetzt hingehen, ich muss nicht lang planen, wir gehen danach schön zum Essen und wollen gar nicht die ganze Aufregung.

Es heißt außerdem explizit "LGBTQI+ welcome".

Ja, wir signalisieren damit eine Offenheit. Menschen aus dieser Gruppe können sich bei uns segnen lassen. Die Paare wissen hoffentlich, dass sie an diesem Tag und an allen anderen Tagen bei uns willkommen sind. Wir segnen die Liebe. Wen ich vor mir sehe, das sind in erster Linie zwei Menschen, die sich lieben und um Gottes Segen bitten - und den geben meine Kolleginnen, Kollegen und ich gerne.

32 Paare haben sich schon angemeldet. Wer kommt?

Die jüngsten Paare sind so Mitte 20, es sind aber auch einige etwas ältere Paare dabei, also durchgemischt. Ich kenne viele dieser Paare nicht, sie gehören nicht zur Gemeinde.

Sehen das dann manche Menschen aus Ihrer Gemeinde kritisch?

Kritische Stimmen gibt es, jetzt nicht aus unserer Gemeinde, eher aus konservativeren Bereichen von Kirche. Unsere Gemeinde ist da sehr aufgeschlossen und sehr offen und unterstützt diese Aktion. Schließlich ist es keine Herabsetzung von Segen. Jedes Paar wird persönlich wahrgenommen, jedes Paar bekommt individuell seinen Segen. Nur weil's kürzer ist, ist es nicht schlechter. Es finden auch persönliche Gespräche mit jedem einzelnen Paar statt.

Sie machen das allerdings zum ersten Mal. Was könnte schief gehen?

Ich hoffe, dass nicht zu viele auf einmal da sind, damit wir allen gut gerecht werden! Sonst habe ich Sorge, dass es ein bisschen chaotisch wird. Ich wünsche mir, dass niemand unzufrieden ist, weil er warten muss.

Dann müssten manche Paare vermutlich wieder gehen.

Nein. Wir werden niemanden nach Hause schicken. Niemand soll ohne Segen für die Liebe nach Hause gehen müssen.

Klingt nach einer Herausforderung. Wie schaffen Sie das?

Unser Büro hat den Ablauf sensationell geplant und die Pfarrer so eingeteilt, dass jeder nach einer Trauung ein bisschen Pause hat. Wir haben einen eigenen Raum und da gibt's natürlich Kaffee, Tee und Getränke und Schokolade und Brezen.

Aufgeregt?

(lachti) Ein bisschen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es ein schöner Tag wird.

HORIZONTALE LINIE

Einfach Heiraten - Segen für Lang- & Kurzentschlossene, morgen, 23. März, in der Christuskirche am Dom-Pedro-Platz 4. Die Anmeldetermine sind schon vergeben, aber Paare können einfach spontan mit ihrem Ausweis und der standesamtlichen Trauurkunde vorbeikommen. Von 11 bis 22 Uhr.