Streit um Wahlrecht
FDP signalisiert neue Kompromiss-Bereitschaft
16. März 2023, 15:15 Uhr aktualisiert am 17. März 2023, 21:41 Uhr
Kurz vor der Abstimmung des Bundestags über die umstrittenen Reformpläne der Ampel-Koalition zum Wahlrecht signalisiert die FDP neue Kompromissbereitschaft. "Die CSU scheint in Sorge zu sein, die 5-Prozent-Hürde nicht zu schaffen. Denkbar wäre daher, Listenverbindungen zu ermöglichen. Wenn dafür eine gesetzliche Änderung notwendig ist, kann man darüber sprechen", sagte FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in München.
Die Abstimmung über die Novelle ist am Freitag im Bundestag geplant. Durch die Reform wird der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag bei der nächsten Wahl wieder auf 630 Mandate verkleinert. Zentral ist, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben wird. Gestrichen wird auch die sogenannte Grundmandatsklausel. Sie bewirkt, dass eine Partei auch dann nach ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einzieht, wenn sie zwar die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, aber mindestens drei Direktmandate gewonnen hat.
Auf diese Weise wäre die Linke heute nicht im Bundestag vertreten, weil sie bei der Bundestagswahl 2021 nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen holte. Die CSU kam bundesweit auf 5,2 Prozent, was historisch schlecht war. Wäre sie unter die Fünf-Prozent-Hürde gerutscht, dann hätte sie nach dem neuen Modell keines der 45 errungenen Direktmandate bekommen.
Auch der bayerische FDP-Landeschef Martin Hagen hielt am Donnerstag eine Korrektur der Reformpläne für angebracht: "Der Bundestag muss kleiner werden. Die CSU hat das lange blockiert. Ich nehme die Befürchtungen der CSU aber ernst, dass sie im Fall eines Scheiterns an der 5-Prozent-Hürde alle Direktmandate verlieren könnte." Hagen betonte, er habe CSU-Chef Markus Söder eine Lösung zugesagt. "Es kann nicht sein, dass sämtliche CSU-Abgeordnete trotz Mehrheiten in ihren jeweiligen Wahlkreisen aus dem Parlament fliegen - das würde dem Willen der bayerischen Wähler widersprechen."
Hagen betonte, er sei sich mit Dürr einig, dass es eine Nachbesserung brauche: "Das Ermöglichen von Listenverbindungen oder landesspezifischer Sperrklauseln wären zum Beispiel gangbarere Wege."
Söder selbst hält eine Verfassungsbeschwerde gegen das von der Ampel geplante neue Wahlrecht für unausweichlich. Bayern werde "auf jeden Fall" vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe ziehen, sagte der bayerische Ministerpräsident am Donnerstag in Berlin. Er gehe davon aus, dass eine solche Klage große Aussicht auf Erfolg habe. Die Ampel-Koalition will das von ihr geplante neue Wahlrecht gegen den Protest von Union und Linkspartei mit ihrer Mehrheit beschließen.