Automobilindustrie

VW will sparen: Werksschließungen und Entlassungen drohen


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VW steuert auf einen neuen Konflikt mit dem Betriebsrat zu: Um die Kosten zu senken, will der Konzern Werksschließungen und Entlassungen nicht kehr ausschließen.

Von dpa

Die Situation bei Europas größtem Autobauer Volkswagen spitzt sich zu. Im Rahmen seines Sparprogramms schließt die Kernmarke VW jetzt auch Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger aus, wie das Unternehmen nach einer Führungskräftetagung mitteilte. Die mit dem Betriebsrat geschlossene Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung werde aufgekündigt. Sie schloss betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 aus. Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaft zeigten sich entsetzt.

Aus Sicht des Vorstands müssen die Kernmarken VW umfassend restrukturiert werden, hieß es. "Auch Werkschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden." Zudem reiche der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen nicht mehr aus, um die angepeilte Einsparziele zu erreichen.

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VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo: «Mit mir wird es keine VW-Standortschließungen geben!»

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Betriebsratschefin Cavallo fordert VW-Chef Blume auf, sich direkt in die Diskussion um die Marke einzubringen.

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Betriebsratschefin Cavallo: «Ich glaube, dass es auf der Betriebsversammlung ungemütlich werden wird für die Vorstände.»

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Betriebsratschefin Cavallo über die Ankündigung des Vorstands: «Für uns ist das eine Zeitenwende.»

Gewerkschaft und Betriebsrat kündigten umgehend massiven Widerstand an. Die Pläne seien "ein Angriff auf unsere Beschäftigung, Standorte und Tarifverträge", hieß es in einer Sonderausgabe der Betriebsratszeitung "Mitbestimmen". Dagegen werden wir uns erbittert zur Wehr setzen", erklärte Betriebsratschefin Cavallo. "Mit mir wird es keine VW-Standortschließungen geben!" Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger sprach von einem "unverantwortlichen Plan", der die "Grundfesten von Volkswagen erschüttert".

Konkreten Zahlen, wie viele der rund 120.000 Stellen in Deutschland wegfallen könnte, nannte VW auf Nachfrage bisher nicht. Auch zu möglichen Standorten, die geschlossen werden könnten, gab es noch keine Angaben. Nach Angaben des Betriebsrats hält der Markenvorstand aber mindestens ein Fahrzeugwerk und eine Komponentenfabrik in Deutschland für entbehrlich.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte VW auf, Standortschließungen zu vermeiden. Dass bei VW Handlungsbedarf bestehe, sei unstreitig, sagte der SPD-Politiker, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, laut Mitteilung. VW müsse aber zunächst alle anderen Möglichkeiten zur Kostensenkung prüfen. "Dabei erwarten wir, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt. Die Landesregierung wird darauf ein besonderes Augenmerk legen."

Die letzte Schließung eines Produktionsstandorts liegt bei VW mehr als 30 Jahre zurück: 1988 hatte VW seine Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen. Neben dem Stammwerk in Wolfsburg unterhält VW Fabriken in Hannover, Emden, Osnabrück, Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Zwickau, Dresden und Chemnitz. Die Tochter Audi hatte jüngst bereits ihr Werk in Brüssel auf den Prüfstand gestellt.

Konzernchef Oliver Blume begründete den Kurs mit der sich zuspitzenden Lage. "Die europäische Automobilindustrie befindet sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage. Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nochmals verschärft", sagte er laut Mitteilung. Um die angepeilten Ergebnisverbesserungen von zehn Milliarden Euro bis 2026 zu erreichen, müssten die Kosten nun stärker als bisher geplant sinken. "Der Gegenwind ist deutlich stärker geworden", sagte Markenchef Thomas Schäfer laut Mitteilung. "Wir müssen deshalb jetzt noch mal nachlegen und die Voraussetzungen schaffen, um langfristig erfolgreich zu sein." Laut "Handelsblatt" geht es um bis zu vier Milliarden Euro, die zusätzlich eingespart werden müssen.

Erstmals seit dem Amtsantritt von Olive Blume vor fast genau zwei Jahren steuert VW auf einen massiven Konflikt mit der Arbeitnehmerseite zu. Anders als sein Vorgänger Herbert Diess, der regelmäßig mit dem mächtigen Betriebsrat aneinander geraten war, hatte Blume sich bisher weitgehend geräuschlos mit dem Betriebsrat abgestimmt. Die konkreten Sparmaßnahmen überließ er seinen Markenvorständen. Jetzt forderte Betriebsratschefin Cavallo ihn auf, sich direkt in die Diskussion um die Marke einzubringen. Das Problem der Kernmarke sei am Ende auch das Problem des Konzernchefs.

Mit der Ankündigung habe der Vorstand den bisher geltenden Grundkonsens aufgekündigt, dass Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung bei Volkswagen gleichberechtigte Ziele seien, kritisierte Cavallo. "Für uns ist das eine Zeitenwende", sagte sie am Abend bei einer Pressekonferenz vor dem Werkstor. Das Unternehmen müsse sich auf eine wieder härter werdende Auseinandersetzung einstellen, "weil einfach die Grundfesten erschüttert sind". Auf der Betriebsversammlung am Mittwoch rechne sie mit lautstarken Unmutsäußerungen aus der Belegschaft. "Ich glaube, dass es auf der Betriebsversammlung ungemütlich werden wird für die Vorstände."

Die Kernmarke Volkswagen hat seit Jahren mit hohen Kosten zu kämpfen und liegt bei der Rendite weit hinter Konzernschwestern wie Skoda, Seat und Audi zurück. Ein 2023 aufgelegte Sparprogramm sollte hier die Wende bringen, das Ergebnis bis 2026 um zehn Milliarden Euro verbessern. Unter anderem sollen die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent sinken. Beim Personalabbau setzte VW bisher auf Altersteilzeit und Abfindungen, entsprechende Programme wurden im Frühjahr noch einmal ausgeweitet und 900 Millionen Euro für Abfindungen von bis zu 474.000 Euro für besonders lang gediente Mitarbeiter zurückgelegt.

Sinkende Verkaufszahlen, der stockende Hochlauf der Elektromobilität und neue Konkurrenz aus China machen der Branche insgesamt zu schaffen. Bei VW brach der Konzerngewinn nach Steuern im ersten Halbjahr um 14 Prozent ein, bei Mercedes-Benz sogar um fast 16 Prozent. BMW verdiente im zweiten Quartal acht Prozent weniger. Der Zulieferer ZF kündigte nach einem Gewinnrückgang an, bis Ende 2028 in Deutschland zwischen 11.000 und 14.000 Stellen zu streichen. Continental will sein schwächelndes Autozuliefergeschäft womöglich komplett abspalten und an die Börse bringen.


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.