Wirtschaft

Großbritannien hat's erfolgreich ausprobiert: Erfolgsmodell Vier-Tage-Woche

Schafft man genauso viel? Wird man produktiver? Hat man weniger Stress?Ein Pilotprojekt in Großbritannien zeigt: Ja.


Von Larissa Schwedes

Vier Tage Arbeiten, drei Tage Wochenende - zum gleichen Lohn wie sonst bei einer Fünf-Tage-Woche: Was für viele Beschäftigte nach Wunschdenken klingen mag, ist in Großbritannien - zunächst für ein halbes Jahr - für einige tausend Arbeitnehmer Realität geworden.

Nach Ende des Pilotprojektes zieht der Großteil der beteiligten Firmen ein positives Fazit: Mehr als vier von fünf wollen an dem Konzept festhalten.

56 von 61 Arbeitgebern teilten nach Ende der Testphase mit, die Vier-Tage-Woche beibehalten zu wollen - 18 bestätigten das Konzept sogar bereits als dauerhaft eingeführt. Diese Ergebnisse gehen aus einer gestern veröffentlichten Analyse von Forschern aus Boston sowie Cambridge hervor, die das Projekt wissenschaftlich begleitet und Tiefeninterviews mit Beteiligten geführt haben. "Vor Beginn des Projektes haben viele gezweifelt, ob wir eine Steigerung der Produktivität sehen würden, die die Verkürzung der Arbeitszeit ausgleicht - aber genau das haben wir festgestellt", hält Forscher Brendan Burchell von der Universität Cambridge fest. Durchschnittlich stieg der Umsatz beteiligter Unternehmen laut Analyse während der Testphase in der zweiten Hälfte 2022 um 1,4 Prozent.

Die Krankheitstage gingen demnach während des Testzeitraums um rund zwei Drittel (65 Prozent) zurück und die Zahl der Angestellten, die in dieser Zeit das Unternehmen verließen, fiel um mehr als die Hälfte (57 Prozent). Vier von zehn Beschäftigten gaben an, sich weniger gestresst zu fühlen als vor Beginn des Projektes.

An dem britischen Projekt nahmen sowohl Unternehmen aus dem Finanzsektor, der IT- und Baubranche sowie der Gastronomie oder dem Gesundheitswesen, aber auch ein Fish-und-Chips-Laden teil.

Insgesamt beschäftigen die beteiligten Firmen 2900 Angestellte. Einige Betriebe führten ein dreitägiges Wochenende ein, während andere den freien Tag über die Woche staffelten oder an Ziele koppelten.

Auch in anderen Ländern wird mit der Vier-Tage-Woche experimentiert, darunter Irland, Island, Belgien oder Australien. Einige deutsche Betriebe testen ebenfalls ähnliche Varianten aus.

Der britisch-deutsche Wirtschaftswissenschaftler Andrew Lee, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg lehrt, sieht in dem Modell die Fortsetzung eines Trends: "Was jetzt noch wie eine Revolution wirkt, könnte schon in naher Zukunft total normal sein, so wie vor fast einem Jahrhundert die Fünf-Tage-Woche schnell zur Norm geworden ist." Forscher Burchell berichtete, dass viele Angestellte selbst nach Wegen gesucht hätten, ihre Produktivität zu steigern: "Lange Meetings mit zu vielen Menschen wurden verkürzt oder komplett abgeschafft. Beschäftigte haben weniger Zeit totgeschlagen, sondern aktiv nach Technologien gesucht, die ihre Produktivität steigern."

Wie aus den Befragungen hervorgeht, nutzten die meisten Beschäftigten den zusätzlichen freien Tag vor allem für die Erledigung alltäglicher Aufgaben wie Einkäufe oder Haushaltsarbeit. Dies ermöglichte vielen wiederum, das eigentliche Wochenende stärker zur Erholung zu nutzen, mehr Zeit mit Familie oder Freunden zu verbringen und sich stärker Hobbys zu widmen.

Lee wirft aber die Frage auf, wie die Vier-Tage-Woche in systemrelevanten Branchen wie etwa der Pflege oder dem Gesundheitswesen funktionieren solle, wo es schlicht nicht möglich sei, die Produktivität zu steigern.