Wirtschaft

Ende der Solidarität

In der Pandemie erhielten Unternehmen Corona-Soforthilfen. Alles sollte schnell und unbürokratisch geschehen, doch nun gibt es Rückforderungen. Was das für Einzelne bedeutet


Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger steht wegen Forderungen nach Rückzahlung von Coronahilfen in der Kritik, kann aber gar nichts machen - sagt er.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger steht wegen Forderungen nach Rückzahlung von Coronahilfen in der Kritik, kann aber gar nichts machen - sagt er.

Von Christian Grimm

München/Regensburg - Viel Freude hat man nimmer. Man fühlt sich wie das Letzte." Die Unternehmerin Marion Hornung-Schuck aus Regensburg ist frustriert. Drei Feinkostläden hat die 55-Jährige mit ihrem Mann Thomas. Tee, Kaffee, Schokolade, Liköre. Die Eltern haben das Geschäft in den 70er Jahren aufgebaut. Corona war der tiefste Einschnitt der Firmengeschichte. Hornung hat überlebt, die Mitarbeiter sind geblieben, die Kunden wieder da. Aber der Kampf gegen die Pandemie hat auch bei dem Unternehmen Wunden geschlagen.

Die Chefin erzählt von einem Kredit über 130 000 Euro der Staatsbank KfW, den sie jetzt abstottern müssen. Das allein wäre schmerzlich, aber wütend wird Marion Hornung, wenn sie auf das Thema Corona-Soforthilfen kommt. Es waren die ersten Staatshilfen, die im Frühjahr 2020 während der ersten Welle gewährt wurden. Die Hornungs bekamen nach eigenen Angaben 30 000 Euro. Und es sieht jetzt danach aus, dass sie das Geld an den Staat zurückzahlen müssen. Ihr Schuldenberg summierte sich damit auf 160 000 Euro. Mit dem Geld zahlten sie Miete, Ware und stockten die Gehälter ihrer 22 Angestellten auf, weil das Kurzarbeitergeld für sie sehr knapp bemessen gewesen wäre.

Zuständig für das Geldeintreiben in Bayern ist Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Ende vergangenen Jahres erhielten die rund 260 000 Bezieher der Soforthilfe ein Schreiben mit der Aufforderung, zu prüfen, ob die Mittel zurückgezahlt werden müssen. Auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums können die Geschäftsführer oder Inhaber ihre Zahlen in eine Maske eingeben. Dann wird dort ermittelt, ob der Liquiditätsengpass groß genug war oder nicht. Im letzteren Fall geht das Geld zurück an die Staatskasse. Zeit dafür ist bis 30. Juni dieses Jahres. "Da können wir nichts machen, es handelt sich um Vorgaben des Bundes", sagte der Sprecher Aiwangers. In der Tat waren die Hilfen stets an Bedingungen geknüpft, doch in der damaligen Ausnahmesituation war noch viel von Solidarität und unbürokratischer Hilfe die Rede. Die Einschränkungen des Kleingedruckten gingen unter.

Was die Regensburger Feinkosthändlerin und Zehntausende andere Unternehmer aus Bayern besonders aufregt, sind Unterschiede zwischen den Bundesländern. Im Freistaat dürfen sie nämlich bei der Berechnung des Liquiditätsengpasses keine Personalkosten ansetzen, in Baden-Württemberg und Sachsen aber schon. "Warum ist in Sachsen alles anders? Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun", beklagt Hornung. Das bayerische Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass immer klar kommuniziert worden sei, "dass Personalkosten nicht angesetzt werden können".

Die Grünen im Bayerischen Landtag sehen das anders und wollen die Rückzahlung der Soforthilfen stoppen. Hoffnung macht den Unternehmen auch eine Gerichtsentscheidung aus Nordrhein-Westfalen. Das Oberverwaltungsgericht Münster urteilte jüngst, dass Rückforderungen in großen Teilen unzulässig sind.