"Sie stehlen uns das Rennen"
Sebastian Vettel fühlt sich um Formel-1-Sieg von Kanada betrogen
10. Juni 2019, 7:59 Uhr aktualisiert am 10. Juni 2019, 9:24 Uhr
Nach seiner folgenschweren Zeitstrafe beim Formel-1-Rennen von Kanada hat Ferrari-Star Sebastian Vettel die Rennkommissare scharf kritisiert. Ferrari plant einen Einspruch gegen die Strafe.
Montral - Sebastian Vettel bekam seinen ersten Wutausbruch bei über 300 km/h. "Sie stehlen uns das Rennen!", fluchte der Ferrari-Star im Cockpit, als ihm die Rennjury alle Chancen auf den erhofften Sieg beim Großen Preis von Kanada mit einer umstrittenen Entscheidung nahm. Er brodelte gewaltig im viermaligen Formel-1-Weltmeister, Vettel konnte sich lange nicht beruhigen.
"Nein, nein, nein. So nicht!", schimpfte er, nachdem er das das Ziel zwar als Erster erreicht hatte, wegen einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe aber dennoch nicht über den undankbaren zweiten Platz hinter Weltmeister Lewis Hamilton hinauskam. Seinen Wagen stellte er nicht wie üblich im Parc ferme ab.
Vettel: "Ich konnte doch nirgendwo hin!"
Als Vettel mit Verspätung wütend dorthin stapfte, tauschte er kurzerhand die Schilder für die Plätze "1" und "2" aus. Die Symbolik war unmissverständlich, Vettel fühlte sich um den verdienten Lohn gebracht. Nach einem Ausflug ins Gras und einer Beinahe-Kollision mit Hamilton in der 47. Runde hatte Vettel nur mit größter Mühe die Führung behalten.
Die Rennjury untersuchte den Vorfall und bestrafte den Deutschen. Für Vettel war das absolut unverständlich. "Du musst absolut blind sein zu denken, dass du durch das Gras fahren kannst und dann volle Kontrolle über das Auto hast. Ich konnte doch nirgendwo hin! Das ist nicht fair", sagte er.
Hamilton, der in all dem Trubel den 78. Formel-1-Triumph seiner Laufbahn eher verhalten feierte, vertrat eine gegensätzliche Meinung. Glücklich war er dennoch nicht. "Das ist nicht die Art, auf die ich gewinnen wollte. Aber ich nehme den Sieg gerne an", sagte der Mercedes-Pilot, der durch seinen fünften Saisonsieg den Vorsprung in der Fahrerwertung ausbaute.
Vettel und Ferrari: Seuchensaison geht weiter
Der WM-Dritte Vettel hat bereits 62 Punkte Rückstand, der in Kanada viertplatzierte Finne Valtteri Bottas liegt als WM-Zweiter 29 Zähler hinter seinem Teamkollegen. Für Vettel und Ferrari geht die Seuchensaison weiter, der Kampf um den WM-Titel wird immer aussichtsloser. Das Podium komplettierte Charles Leclerc im zweiten Ferrari auf Rang drei.
Der Emmericher Nico Hülkenberg beendete das Rennen im Renault auf Rang sieben. Neben Vettel verpasste auch Ferrari nach zuletzt zahlreichen Problemen den erhofften Befreiungsschlag. Rivale Mercedes hatte bereits die ersten sechs Rennen gewonnen und dabei sogar fünf Doppelsiege gefeiert. Die einzige Konstante der Roten war ihre Fehleranfälligkeit gewesen. In Kanada lief endlich alles nach Plan - es reichte dennoch nicht.
Vettel verteidigte die Spitze nach einem unspektakulären Start erfolgreich und führte das Feld vor Hamilton und Leclerc an. An der Spitze lieferten sich Vettel und Hamilton ein Duell auf Augenhöhe. Der Deutsche drückte auf den vielen langen Geraden mächtig aufs Gas, setzte sich aber nicht maßgeblich von seinem Verfolger ab. Vettel fuhr nach 26 Runden als erster der beiden Top-Piloten zum Reifenwechsel in die Box. "Lewis, jetzt ist Hammertime", funkte Mercedes in Richtung Hamilton. Auf den abgenutzten Medium-Reifen gelang es dem Briten aber nicht, den erhofften Druck zu entwickeln.
Als Hamilton zwei Runden später seinen eigenen Stopp hinter sich hatte, war der Rückstand auf Vettel sogar angewachsen. Das Bild änderte sich jedoch schnell. Mercedes war Ferrari schon in den Rennsimulationen im Training deutlich überlegen gewesen. Dieser Eindruck bestätigte sich nun. Hamilton nahm Vettel kontinuierlich Zeit ab. Der Druck zeigte Wirkung - und Vettel bei seinem Ausflug ins Gras Nerven.
Ferrari plant Einspruch gegen Vettel-Strafe
Die umstrittene Fünf-Sekunden-Zeitstrafe gegen den viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel beim Großen Preis von Kanada hat ein Nachspiel. Vettels Ferrari-Rennstall kündigte dem Motorsport-Weltverband FIA am Sonntag nach dem Rennen offiziell an, einen Protest zu planen.
Die Scuderia hat durch den Schritt die Möglichkeit, innerhalb von 96 Stunden weiteres entlastendes Beweismaterial zu sammeln und dann formell Einspruch einzulegen.