Überblick

Schneckenrennen zur Schale

Der FC Bayern nutzt den Dortmund-Patzer und übernimmt mit dem 2:0 gegen Hertha BSC wieder die Tabellenführung. Doch die Form bereitet weiter Sorgen: "Wir haben den Tag der Arbeit vorgezogen"


Spannend wie seit zehn Jahren nicht: das Meisterrennen in der Bundesliga!

Spannend wie seit zehn Jahren nicht: das Meisterrennen in der Bundesliga!

Von Maximilian Koch

München - Beim öffentlichen Training am 1. Mai hatte Thomas Müller (33) ausgesprochen gute Laune - obwohl er an diesem langen Wochenende erneut nur als Teilzeitarbeiter gefragt war.

Der Offensivstar des FC Bayern schrieb knapp 20 Minuten lang Autogramme und stand für Fotos mit den wartenden Fans bereit. Anschließend absolvierte Müller mit einigen Ersatz- und Jugendspielern noch eine knackige Einheit mit Spielformen auf engem Raum.

Die Stimmung war insgesamt locker, ausgelassen an der Säbener Straße. Nach dem 2:0 gegen Hertha BSC am Sonntag hat Bayern die Meisterschaft vier Spieltage vor Saisonende in der eigenen Hand. "Da sind wir wieder! Wir holen uns das Ding - könnt ihr schreiben", hatte Müller nach dem Sieg schmunzelnd zu den Reportern in der Mixed Zone gesagt. Doch ganz so unbeschwert, wie es der Routinier vermitteln wollte, ist die Lage bei den Münchnern dann doch nicht.

"Heute war schon der Tag der Arbeit - nur einen Tag vorgezogen", analysierte Präsident Herbert Hainer die Leistung der Mannschaft treffend. Viel Qual, wenig Qualität - abgesehen von den beiden Toren durch Serge Gnabry (69. Minute) und Kingsley Coman (79.), die Joshua Kimmich mit zwei Traumpässen einleitete. Müller kam dabei erst in der zweiten Halbzeit für Jamal Musiala ins Spiel. Doch der Fan-Liebling bleibt aktuell (noch) ruhig - wohlwissend, dass jeder neue Brennpunkt die Chance auf die Meisterschaft endgültig vermasseln könnte.

Die Münchner, die über weite Strecken der Partie abermals jegliche Leichtigkeit und Spielfreude vermissen ließen, liefern sich mit Borussia Dortmund ein Schneckenrennen zur Schale. Eine Woche nach Bayerns 1:3-Pleite in Mainz patzte nun der BVB beim 1:1 in Bochum am Freitagabend, die Tabellenführung wechselte erneut. Und wenn man sich die schwankende Form der beiden Titelrivalen so anschaut, wären weitere Ausrutscher in den verbleibenden vier Partien keine Überraschung. Bayern gastiert nächsten Samstag bei Werder Bremen, empfängt dann in Heimspielen Schalke und Leipzig, ehe am letzten Spieltag die Begegnung beim 1. FC Köln ansteht. Dortmund trifft zu Hause auf Wolfsburg und Gladbach, reist dann nach Augsburg und trifft am 34. Spieltag auf Mainz.

Stolpergefahr definitiv vorhanden - bei beiden Teams!

Die Verfolger Union Berlin und der SC Freiburg (jeweils sechs Punkte zurück) werden sich ein wenig ärgern, dass ihnen jetzt die Spieltage ausgehen: In dieser Saison wäre tatsächlich eine Meister-Sensation möglich gewesen. So aber könnten die Münchner am Ende Glück haben, dass ihre Schwächephasen ohne Folgen bleiben werden. "Wir haben den Schritt gemacht und müssen noch vier weitere Schritte machen", sagte Trainer Thomas Tuchel, der sichtlich gestresst wirkte. Ganz so zäh hatte sich wohl auch der Nagelsmann-Nachfolger seinen Einstieg bei Bayern nicht vorgestellt. Es zählen nun einzig Ergebnisse - das meinte auch Vorstandschef Oliver Kahn, der stark in der Kritik steht: "Ich denke, man hat der Mannschaft angemerkt, was auf dem Spiel steht. In so einer Phase geht es nicht darum, den Schönheitspreis zu gewinnen, sondern darum, zu gewinnen und die Tabellenführung zu übernehmen - und das haben wir geschafft."

Dennoch: In Bremen wird eine Steigerung nötig sein, sonst könnte die Dortmund-Schnecke wieder vorbeikriechen. Kimmich will dies verhindern, er forderte: "Wir können alle zählen und rechnen, und müssen vier Spiele gewinnen."