Die größten olympischen Momente

Mark Spitz: Der berühmteste Schnauzer der Olympia-Geschichte


Im Becken unwiderstehlich: Spitz war bei Olympia 1972 unschlagbar.

Im Becken unwiderstehlich: Spitz war bei Olympia 1972 unschlagbar.

Von André Wagner

Schwimmstar Mark Spitz verzaubert 1972 mit sieben Mal Gold die Münchner. Sein Erfolgsrezept? "Wenn ich schwimme, denke ich immer daran, dass am Ende des Beckens ein Mädchen auf mich wartet."

München - Nach seiner Karriere machte Mark Spitz, wie könnte es anders sein, auch Werbung für Rasierapparate. Schließlich machte ihn sein Schnauzer beinahe ebenso berühmt wie seine sportlichen Erfolge, wie seine sieben Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Viele Anekdoten und Legenden ranken sich um seinen Schnurrbart, und eine davon geht so: Im Trainingslager, kurz vor den Spielen von München - Spitz war bereits mehrfacher Weltrekordler - hätten ihn sowjetische Schwimmer auf seinen Bart angesprochen.

Die Badehose eng anliegend, sieben Goldmedaillen um seinen Hals baumelnd: Mark Spitz nach den Olympischen Spielen 1972.

Die Badehose eng anliegend, sieben Goldmedaillen um seinen Hals baumelnd: Mark Spitz nach den Olympischen Spielen 1972.

"Denen habe ich erzählt, dass die Barthaare Wasser von meinem Mund fernhalten und mich so noch schneller machen", erzählte Spitz, damals 22, mit einem Augenzwinkern. "Ein Jahr später trugen alle sowjetischen Schwimmer einen Schnurrbart." So war eben Mark Spitz: eloquent, schlagfertig, witzig, schlitzohrig. Und auch ein bisschen rebellisch.

Schnauzbart als Zeichen des Protests

Denn eigentlich hatte er sich seinen Schnauzbart wachsen lassen, um seinen Trainer zur Weißglut zu treiben. Der hieß James, genannt "Doc", Counsilman, war eine Koryphäe auf seinem Gebiet, Spitz' Coach an der Universität und im Nationalteam. Er müsse "glattrasiert" zu den US Trials im August 1972 in Chicago antreten, hatte Counsilman verfügt. Doch Spitz tat trotzig das Gegenteil, ließ seine Oberlippenhaare vier Monate sprießen. "Es war meine Form des Protests." Und nachdem Spitz bei den Trials mehrere Weltrekorde schwamm, hatte auch der Trainer keine Gegenargumente mehr.

Um die Geschichte des berühmtesten Schnauzbarts der Olympia-Geschichte zu Ende zu erzählen: Als 1988 die ersten grauen Haare sprießten, rasierte sich Spitz, der am 10. Februar 2020 70 Jahre alt wurde und mittlerweile gänzlich ergraut ist, das Ding ab. "Das war ein Geschenk zum Valentinstag an meine Frau" berichtete er.

Ergraut und ohne Schnauzer: Mark Spitz heute.

Ergraut und ohne Schnauzer: Mark Spitz heute.

Spitz war eigentlich ein lockerer Typ, doch als er damals zu den Spielen nach München kam, war er bereits einmal an seinen eigenen hohen Erwartungen gescheitert. Sechs Goldmedaillen hatte er, der 18-jährige Jungstar, der im Alter von drei Jahren am berühmten Strand von Waikiki auf Hawaii das Schwimmen gelernt und bereits in Jugendjahren zahlreiche Altersklassenrekorde aufgestellt hatte, sich bei Olympia 1968 in Mexiko vorgenommen. Es wurde lediglich einmal Silber, einmal Bronze und zweimal Staffel-Gold. Zu wenig für seine Ambitionen.

Sieben Starts, sieben Mal Gold, sieben Weltrekorde

Spitz wechselte an die Universität von Indiana, er schrieb sich für Zahnmedizin ein und trainierte bei Counsilman. "Die wichtigste und beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe", nannte er das einmal. Als 25-facher Weltrekordler, Schwimmer des Jahres 1971 und in der Form seines Lebens kam er schnauzerbehaftet nach München, alle Augen ruhten auf ihm, dem Popstar des Schwimmens. Und diesmal hielt er dem Druck stand. Sieben Starts, sieben Mal Gold, sieben Weltrekorde. Und das alles innerhalb von acht Tagen, vom 8. August bis zum 4. September 1972. Noch unrasiert rasierte er in der Olympia-Schwimmhalle seine Gegner. Spitz gewann die 100 und die 200 Meter Schmetterling, die 100 und 200 Meter Freistil sowie mit den Staffeln über 4x100-, 4x200 Meter Freistil und 4x100 Meter Lagen.

Sein Erfolgsrezept? "Wenn ich schwimme, denke ich immer daran, dass am Ende des Beckens ein Mädchen auf mich wartet." Wieder so ein klassischer Spitz. Doch im Ernst: "Ich habe mich vier Jahre lang auf alle sieben Rennen vorbereitet. Es war ein Gesamtwerk, jedes Rennen baute auf das andere auf", sagte er. "Wenn ich das Rennen wählen müsste, das mir am meisten bedeutete, würde ich die 100 Meter Freistil nehmen." Denn dort hatte er mit dem australischen Titelverteidiger Michael Wenden einen Gegner, der ihm Respekt einflößte.

Spitz wird bejubelt wie ein Popstar. "Mark, the Shark" ist charmant, gut aussehend, intelligent. Student und Modellathlet. Sein Markenzeichen: die Stars-and-Stripes-Badehose. Hollywood-Stars wie Kirk Douglas und Tarzan-Darsteller Johnny Weissmüller, einst selbst fünfmaliger Schwimm-Olympiasieger, feiern ihn. Einen Tag nach seinem letzten Gold über 4x100 Meter Lagen ist der Hype vorbei. Beim Olympia-Attentat ermorden palästinensische Terroristen elf israelische Geiseln. Und Spitz, der jüdischer Abstammung ist, verlässt eilig und schwer bewacht München.

Karriereende mit 22

Es ist das Ende seiner Karriere, denn Spitz hört mit 22 auf, er will seine Erfolge vermarkten, Geld verdienen. Millionenverträge mit Bademodenketten und einem Herrenmode-Unternehmen, ein Kontrakt mit Adidas, Antrittsgagen, Homestories mit Ehefrau Suzy Weiner - "mit mir", sagte Spitz einmal der "Welt", "begann die Kommerzialisierung des Sports. Ich war ein Pionier. Niemand vor mir hat so viel Nutzen aus seinen olympischen Erfolgen gezogen wie ich. Das war eine Frage des Timings, des Hypes, der wirtschaftlichen Cleverness und nicht zuletzt des Aussehens."

Später legte er sein Geld in Immobilien an, bis heute ist er als Motivationsredner aktiv. Seit er an Vorhofflimmern litt, engagiert er sich bei der Vorbeugung von Herzkrankheiten.

Als Michael Phelps 2008 Spitz' Rekord überbot und acht Goldmedaillen bei denselben Olympischen Spielen holte, meinte der Kalifornier, der immer noch der vierterfolgreichste olympische Sommersportler aller Zeiten ist: "Wenn ich der erste Mensch auf dem Mond war, ist Michael der erste Mensch auf dem Mars." Seine sieben Goldmedaillen von München bleiben jedenfalls ein wichtiger Teil der Sportgeschichte.

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