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Linus Straßer: "Echt froh um jedes Rennen, das stattfindet"

Vor dem Heimauftritt am Partenkirchner Gudiberg spricht Slalom-Löwe Linus Straßer in der AZ über seine neue Papa-Power, den speziellen Reiz von Nachtrennen - und den akuten Schneemangel.


Längst nicht mehr nur im Training schnell: Slalomspezialist Linus Straßer ist diese Saison schon aufs Stockerl gefahren.

Längst nicht mehr nur im Training schnell: Slalomspezialist Linus Straßer ist diese Saison schon aufs Stockerl gefahren.

Von Thomas Becker

AZ-Interview mit Linus Straßer Der 30-jährige Slalomspezialist vom TSV 1860 ist gerade erst Vater einer Tochter geworden.i

AZ: Herr Straßer, nachträglich nochmal Glückwunsch zur Geburt Ihrer Tochter! Das war bestimmt ein besonderes Silvester für Sie, oder?

LINUS STRASSER: Ja, war relativ ruhig. Ich war früh im Bett.

Hat die Kleine Sie schlafen lassen? Neugeborene nehmen ja eher wenig Rücksicht auf Feier-Tage.

Man muss die Zeit nutzen: Wenn das Baby schläft, muss man mitschlafen.

Im ersten Weltcup-Rennen als Papa sind Sie kurz nach der Geburt Ihrer Tochter aufs Podest gefahren: Rang drei beim Slalom in Madonna di Campiglio. Wie anders fährt es sich als Familienvater?

Natürlich ist das etwas sehr Schönes - ob es direkt den Sport beeinflusst, weiß ich nicht. Was ich schon merke, ist etwas, das alle sagen, die mal Vater geworden sind, das man aber erst selbst erlebt haben muss: Dass man erst jetzt merkt, was wirklich wichtig ist im Leben. Das relativiert vieles, auch so ein Skirennen. Ich will natürlich immer noch um den Sieg fahren, keine Frage, aber den ganz großen Druck hat es mir vielleicht schon ein bisschen genommen. Vor dem Rennen in Madonna hatte ich schon gute Gefühle, und das ist natürlich immer förderlich.

Am Mittwochabend steht am Gudiberg in Partenkirchen ein Heimrennen auf dem Programm. Letztes Jahr holten Sie dort Platz drei und sechs. Überhaupt scheinen Ihnen Nachtrennen zu liegen: Ihre Weltcupsiege in Stockholm, Zagreb und Schladming haben Sie alle unter Flutlicht eingefahren. Was macht die Faszination Night-Race aus?

Von der Stimmung her ist es schon ein Unterschied. Jeder war mal im Fußballstadion: ein normales Bundesligaspiel um halb vier und im Vergleich dazu ein Champions-League-Match abends um neun mit Flutlicht - das ist eine andere Stimmung. Ähnlich ist es auch bei den Nachtrennen. Das ist eine Tageszeit, die mir extrem taugt. Wenn ich nicht darauf angesprochen worden wäre, wäre es mir selber gar nicht aufgefallen. Aber wenn ich drüber nachdenke: Das sticht schon heraus. Von daher freue ich mich auf Garmisch und dass es ein Nachtrennen ist.

Dann sieht man den ringsum fehlenden Schnee auch nicht so sehr.

Ja, das Wetter spielt uns Wintersportlern gerade nicht in die Karten, ist wirklich eine harte Zeit. Wir können echt froh sein um jedes Rennen, das stattfindet.

Sie sind im zehnten Weltcup-Winter, und erst jetzt scheint alles aufzugehen. Die letzte Saison haben Sie als Fünfter der Slalomwertung beendet. Dass Sie einen schnellen Schwung fahren können, erzählen die Trainer seit Jahren - was ist passiert, dass das nun auch im Rennen gelingt?

Das hat viel mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Der Rennsport ist ein wunderschönes, aber auch ein extrem hartes Business, in dem dir keiner etwas schenkt. Ich habe für mich einen guten Weg gefunden, Spaß am Leistungssport zu haben, aber zugleich meistens sehr locker an Rennen heranzugehen. Das ist das Schwierigste, weil wie in fast jeder Sportart der Sieg im Kopf entschieden wird. Da muss jeder für sich einen Weg finden, wie er da funktioniert, wie er mit dem Druck klarkommt - das habe ich über die letzten Jahre geschafft, und das ist auch das, was mir am meisten gibt, mehr als jeder Sieg.

Haben Sie mit Mentaltrainern gearbeitet, oder machen Sie das mit sich selbst aus?

Mentaltrainer können dir die Richtung und Denkanstöße geben, aber am Ende muss selber auf ganz viele Dinge kommen. Nur dann bist du auch überzeugt davon. Wenn du selber zu der Erkenntnis kommst, dann glaubst du auch daran, verstehst es auch. Das kann man nicht an einer Sache festmachen, das sind viele Faktoren: ein super Trainerteam, mein engstes Umfeld, meine Frau, die mich seit elf Jahren begleitet. Da kommt viel zusammen.

Jahrelang hat Ihr Ex-Teamkollege Felix Neureuther einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Hat sich seit seinem Karriereende im März 2019 etwas für Sie verändert?

Es hat sich natürlich ein bisschen was geändert, aber ich könnte gar nicht werten, in was für eine Richtung. Ich glaube, dass wir jetzt auch ein ganz gutes Team sind, mit Alexander Schmid, der im Riesenslalom extrem gut zum Fahren kommt, mit Anton Tremmel und Sebastian Holzmann, die sich im Slalom heuer auch schon zwei Mal für den zweiten Durchgang qualifiziert haben.

Den Riesenslalom haben Sie auch wieder im Programm. Wie kommt's?

Dem wollte ich nochmal eine Chance geben, weil ich da in der Vorbereitung ein fast besseres Gefühl als im Slalom hatte. Mir ist klar, dass ich nach der langen Pause fast mit der letzten Nummer starten werde, aber es ist einfach für den Kopf gut, zwei Disziplinen zu haben. Ich nehme den Riesenslalom mit als Training. Der tut mir auch für den Slalom gut.