AZ-Interview
TSV 1860: Gorenzel - "Ich gebe Mölders noch lange nicht auf"
15. Juli 2020, 6:28 Uhr aktualisiert am 15. Juli 2020, 7:42 Uhr
Klartext-Interview von Günther Gorenzel: Sechzigs Sport-Boss spricht in der AZ über den Alpha-Löwen, den Ärger um den Berzel-Abschied - und warum er fest von einem Verbleib von Coach Köllner ausgeht.
München - AZ-Interview mit Günther Gorenzel: Der 48-jährige Österreicher ist seit 2019 der Geschäftsführer Sport bei den Löwen.
AZ: Herr Gorenzel, die Löwen befinden sich in der Sommerpause, für Sie geht die Arbeit erst richtig los: Wie groß ist die Herausforderung in der Corona-Krise, mit geringerem Etat für die Saison 2020/21 und trotz enormer Erwartungshaltung eine schlagkräftige Mannschaft zusammenzubauen?
GÜNTHER GORENZEL: Bei 17 auslaufenden Verträgen und nur zwölf Bestandverträgen hast du schlichtweg keine Zeit, durchzuschnaufen. Ich arbeite von in der Früh bis abends an Lösungen. Für mich ist es, wie gewohnt, stets ganz wichtig, die Situation für alle Beteiligten transparent darzustellen: Wir haben mit dem Finanzkonstrukt dank des Darlehens von Hasan Ismaik und auch der Unterstützung des e.V. in der Nachwuchsarbeit eine Grundabsicherung für die positive Fortführungsprognose und die Lizenzierung geschaffen. Man kann positiv hervorstreichen, dass wir damit weiter sind als viele andere Vereine. Der Personaletat muss aber - wie schon im zweiten Drittligajahr - massiv und schmerzhaft gekürzt werden. Von daher muss man die Dinge sehr realistisch einordnen. Lassen sie mich es so sagen: Wir müssen schon ein wenig zaubern.
In anderen Worten: Das Saisonziel muss heruntergeschraubt werden.
Man wird sehen, ob auf dieses Basispaket noch eine Erhöhung des Etats folgt oder auf dem Transfermarkt etwas Verrücktes passiert. Stand jetzt kann ich sagen: Es ist angedacht, auf der Stürmerposition und im offensiven Mittelfeld tätig zu werden. Michael Köllner hat ja schon öfter von Engelchen und Teufelchen gesprochen: Auf der linken Schulter sitzt Sport-Fachmann Gorenzel, der den Kader gerne verstärken würde. Auf der rechten Schulter sitzt der Geschäftsführer Gorenzel, der auf Vorstandsebene Verantwortung trägt und nicht mehr Geld ausgeben kann, als er zur Verfügung hat.
Gorenzel: Berzel "auch für uns ein schmerzlicher Abgang"
Der Sparzwang hat ein prominentes Opfer gefunden: Aaron Berzel hat sich sehr enttäuscht darüber gezeigt, per Sprachnachricht verabschiedet worden zu sein. Sie hatten kürzlich von einer "anderen Faktenlage" gesprochen. Können Sie aufklären?
Wie Sie wissen, liegt es mir fern, Vertragsgespräche nach außen zu tragen. Was ich auf einer sachbezogenen Ebene dazu sagen kann: Aaron und sein Berater sind seit Monaten in alle Details eingeweiht: Wie der Trainer und ich ihn sehen, wie sich die wirtschaftliche Situation darstellt. In einem Gespräch vorige Woche habe ich ihm mitgeteilt, dass in der Abwehr wohl keine gestandene Drittligapersonalie mehr möglich ist. Jetzt gab es per Sprachnachricht die Nachfrage, ob sich etwas geändert hätte. Ich habe geantwortet: "Nein, tut mir leid." Es ist auch für uns ein schmerzlicher Abgang. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Aaron nicht länger warten wollte.
Mit Sascha Mölders steht der Kopf der Mannschaft am Scheideweg: Verliert 1860 seinen besten Torjäger?
Mit Sascha Mölders, Efkan Bekiroglu, Prince Owusu und Timo Gebhart fallen mehr als 50 Scorerpunkte weg. Von daher sind wir zu der Ansicht gekommen, dass wir im Sturm und im offensiven Mittelfeld Lösungen brauchen. Ich gebe Sascha aber noch lange nicht auf. Die Löwenfamilie weiß, was sie Sascha zu verdanken hat und er weiß, was er an 1860 hat. Er ist bei Sechzig ein sehr wichtiger Spieler und eine starke Identifikationsfigur. Wir sind im umfangreichen Austausch mit ihm und seinem Berater. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir noch zu einer Lösung kommen.
Sie konnten das Vertragsangebot von vor Corona zu Mölders' Enttäuschung nicht aufrechterhalten. Provokant gefragt: Ist die finanzielle Lage so prekär, dass man mit einem Leistungsträger nicht zu vernünftigen Konditionen verlängern kann?
Da sind wir wieder bei Engelchen und Teufelchen: Ich kann nur im Rahmen der kaufmännischen Möglichkeiten Angebote unterbreiten. Aber ich spüre in allen Gesprächen, dass Sascha ein starkes Commitment zu Sechzig hat und hoffe, dass er bleibt.
Mit Pascal Sohm ist der Name einer Alternative gefallen, zudem tragen die Löwenfans bekanntlich nur zu gerne mehr oder minder realistische Rückholaktionen von Ex-Sechzgern wie Manuel Schäffler oder Phillipp Hosiner an. Wie sieht Ihr Plan B aus?
Ich arbeite so: Man muss immer einen Plan B in der Tasche haben. Wir brauchen einen Stürmer und einen offensiven Mittelfeldspieler. Aber klar ist: Wir müssen realistisch bleiben, und Sascha Mölders ist unser erster Ansprechpartner.
Gorenzel: "Momentan ist Tim Rieder nicht umsetzbar"
Eine Weiterverpflichtung von Tim Rieder ist somit nicht möglich.
Unter den momentanen Rahmenbedingungen ist Tim Rieder nicht umsetzbar. Das heißt aber nicht, dass das bis 5. Oktober so bleibt. Die Gesellschafter haben noch immer Lösungen gefunden.
Zwei der besagten Lösungen könnten heißen, dass die Transfererlöse von Marin Pongracic und Felix Uduokhai frei werden - oder dass Sechzigs Gönner noch einmal einspringen.
Das sind Fragen an unseren neuen Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer. Ob es mit unserem Hauptsponsor zu einer anderen Konstellation kommt, ist Verhandlungssache der Gesellschafter. Eine Lösung mit Gönnern ist aufgrund unseres Finanzkonstrukts nicht mehr möglich. Was ich sagen kann: Entscheidend ist für mich, was im Sport-Etat ankommt.
Sie haben mit Michael Köllner einen Glücksgriff getätigt und durch Ihr Wirken in der Coronakrise an Profil gewonnen, beide werden Sie bei anderen Vereinen gehandelt. Können Sie versichern, dass Trainer und Sport-Boss kommende Saison trotz hoher Ziele und geringer Möglichkeiten auf Giesings Höhen arbeiten werden?
Auch hier orientiere ich mich an den Fakten: Der Trainer hat noch ein Jahr Vertrag und wir planen die neue Saison akribisch. Ich erlebe, dass er mit großer Leidenschaft und vollem Einsatz dabei ist. Wir haben uns ja etwas dabei gedacht, einen Spielerentwickler zu holen und die Serie von 14 ungeschlagenen Partien nach seinem Einstand gab uns hier bereits nicht ganz unrecht. Ich selbst habe mich klar zum Projekt 1860 bekannt. Ich will diesen Umbruch in Angriff nehmen. Ich bin sehr stolz, ein Teil der Löwenfamilie zu sein. Die Fans haben einen Traum, Köllner und Gorenzel auch. Die Fans dürfen auch weiterhin träumen, aber wir müssen nun einen gangbaren Weg finden, wie man die Erwartungen Schritt für Schritt erfüllen kann. Ich werde nichts unversucht lassen.
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