Exklusives AZ-Interview

Ottmar Hitzfeld: "Mit Sané würde Bayern ein klares Signal senden"


Trotz eines möglichen Transfers von Leroy Sané (r.) würde der FC Bayern nicht zu den Favoriten in der Champions League gehören, meint Ex-Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld im AZ-Interview.

Trotz eines möglichen Transfers von Leroy Sané (r.) würde der FC Bayern nicht zu den Favoriten in der Champions League gehören, meint Ex-Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld im AZ-Interview.

Von Michael Schleicher / Online

Trainerlegende Ottmar Hitzfeld spricht in der AZ über den bevorstehenden Rückzug von Uli Hoeneß, den Supercup und die Zukunft von Niko Kovac: "Niko kann eine Ära bei Bayern prägen, die Qualität hat er."

München - Ottmar Hitzfeld im AZ-Interview: Der 70-Jährige wurde mit dem FC Bayern fünfmal Meister. 2001 gewann er die Champions League.

AZ: Herr Hitzfeld, wie lautet Ihr Meistertipp für die kommende Saison?
OTTMAR HITZFELD: Der FC Bayern ist nach wie vor Favorit. Sieben Titel in Folge geben Selbstvertrauen und Stabilität, und diese Erfolgsserie sorgt für Respekt bei den Gegnern. Bayern hat vergangene Saison die Nerven bewahrt und trotz Schwierigkeiten das Double geholt. Die Meisterschaft geht nur über Bayern.

Obwohl sich Borussia Dortmund so gut verstärkt hat?
Der BVB hat nun das klare Ziel ausgegeben, Meister werden zu wollen. Es ist eine neue Philosophie zu erkennen. Ich finde es gut, dass man diese Ambitionen auch formuliert. Das war in der vergangenen Saison nicht der Fall. Dortmund hat sich sehr gut verstärkt, aber das heißt nicht, dass es jetzt einfacher wird. Denn bei vielen guten Spielern im Kader kann Unzufriedenheit aufkommen.

Hitzfeld: Hummels steht über allen

Wie wichtig ist der Supercup am Samstag aus psychologischer Sicht für beide Teams?
Es ist eine Standortbestimmung, ganz klar. Wenn Dortmund gewinnen sollte, wäre das ein Zeichen, dass der BVB die Bayern angreifen kann in dieser Saison.

Ist Mats Hummels der Königstransfer des BVB?
Ich denke schon, ja. Es war sehr wichtig für Dortmund, mehr Stabilität in die Defensive zu bekommen. Da war der BVB anfällig. Hummels ist ein Leader, ein absoluter Chef, der über allen steht - auf und neben dem Platz. Er tut Dortmund sehr gut.

Kehrte vom FC Bayern zu Borussia Dortmund zurück: Innenverteidiger Mats Hummels.

Kehrte vom FC Bayern zu Borussia Dortmund zurück: Innenverteidiger Mats Hummels.

Wie bewerten Sie die bisherigen Einkäufe des FC Bayern?
Im Defensivbereich hat sich Bayern auf längere Sicht verstärkt, man muss mit den jungen Spielern Lucas Hernández und Benjamin Pavard sicher Geduld haben. In der Offensive müssen noch Transfers her. Ein Spieler ist das Minimum, zwei wären gut.

Warum wäre die Verpflichtung von Leroy Sané so wichtig?
Mit diesem Transfer würde Bayern ein klares Signal an die Konkurrenz senden - vor allem international. Wenn man sich verstärken will, muss man viel Geld in die Hand nehmen. Und nach dem Bayern-Ende von Arjen Robben und Franck Ribéry braucht der Klub einfach einen Spieler der Kategorie Sané.

Würde Bayern mit Sané auch zu den Favoriten in der Champions League zählen?
Nein, so weit würde ich nicht gehen. Es wäre aber ein Zeichen, um die Fans und auch den Trainer zufriedenzustellen. Die Qualität in der Offensive ist aktuell noch zu gering für Niko Kovac.

Champions League: "Finale wäre eine Überraschung"

Wo steht Bayern denn gerade im internationalen Vergleich?
Wenn man sich die Budgets der englischen Klubs anschaut und die Transfers von Mannschaften wie Liverpool oder Manchester City in den vergangenen Jahren, kann man Bayern nicht mehr zum Favoritenkreis in der Champions League zählen. Dazu gehören die Engländer, die viel höhere TV-Einnahmen kassieren, ebenso Real Madrid und der FC Barcelona. Wenn Bayern nächste Saison ins Viertel- oder Halbfinale kommt, wäre es top. Das Finale wäre eine Überraschung.

Bei Bayern müssen nach dem Umbruch die jüngeren Spieler mehr Verantwortung übernehmen. Wer besonders?
Es gibt ja weiter eine etablierte Achse, die das Team führt. Joshua Kimmich ist noch jung, aber er hat eine gute Mentalität. Kimmich kann der Anführer des jungen Rudels werden.

Karl-Heinz Rummenigge hat gesagt, dass er sich Kontinuität auf der Trainerposition wünscht. Hat Niko Kovac nun mehr Kredit nach dem Double-Gewinn?
Niko hat großartige Arbeit geleistet in der vergangenen Saison. Er ist ruhig geblieben, als man neun Punkte Rückstand hatte auf Dortmund. Kovac hat sich bewährt, das gibt das nötige Vertrauen in seine Person. Ich bin sehr glücklich darüber, dass er seine Position gefestigt hat.

Nicht immer einer Meinung: Niko Kovac (l.) und Karl-Heinz Rummenigge beim FC Bayern.

Nicht immer einer Meinung: Niko Kovac (l.) und Karl-Heinz Rummenigge beim FC Bayern.

Hitzfeld: Kovac wird den Rückhalt weiter bekommen

Aber warum macht ihn Rummenigge mit öffentlicher Kritik dann immer wieder klein - wie jüngst beim Audi Cup im Fall Sané?
Man darf nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Niko ist eine ehrliche Haut und es ist nun mal sein Wunsch, dass Sané zu Bayern kommt. So viele Topspieler gibt es nicht auf dem Markt. Entscheidend ist das interne Verhältnis bei Bayern. Niko hat in der vergangenen Saison den nötigen Rückhalt bekommen und er wird ihn weiter bekommen.

Wie viele Jahre trauen Sie Kovac bei Bayern zu?
Niko kann eine Ära bei Bayern prägen, die Qualität dafür hat er. Von der Außendarstellung her ist er ein Sympathieträger. Und er hat seine eigene Philosophie. Wie er die Situation mit Robben und Ribéry in der vergangenen Saison moderiert hat - das war Nikos Doktorarbeit, sein Meisterstück. Ich weiß genau, wie schwer es ist, Spieler zu trainieren, die vor dem Ende ihrer Karriere stehen. Das war herausragend von Niko.

Die Ära von Uli Hoeneß hingegen geht offenbar ihrem Ende entgegen. Können Sie sich den FC Bayern ohne Hoeneß vorstellen?
Zurzeit nicht. Uli hat Einmaliges geschaffen, er war das Gesicht des Klubs und hat eine große Ära geprägt. Seine Fach- und Sozialkompetenz sind einmalig. Sein Rückzug, den er aber bislang noch gar nicht bekanntgegeben hat, wäre zum jetzigen Zeitpunkt ein großer Verlust für Bayern.

"Was dieser Fan da gemacht hat, war unanständig"

Waren Sie von der Meldung über Hoeneß' bevorstehenden Rücktritt überrascht?
Die Meldungen kamen schon überraschend, ja. Ich hatte nicht damit gerechnet. Aber noch mal: Uli Hoeneß hat sich dazu noch überhaupt nicht geäußert. Macht er wirklich Schluss? Oder sind alles nur Gerüchte?

Welche Rolle haben die Angriffe auf der Jahreshauptversammlung im vergangenen Jahr bei Hoeneß' Entscheidungsfindung gespielt?
Die Attacken haben Uli sehr getroffen, sie hätten jeden Menschen getroffen, der mit Herzblut bei einem Verein dabei ist und vieles von seinem Familienleben für den FC Bayern geopfert hat. Wenn man sich dann beleidigen lassen muss, ist das schlimm. Ich bin erstaunt gewesen, dass Uli so ruhig geblieben ist. Was dieser Fan da gemacht hat, war unanständig.

Möglicherweise bald nicht mehr Präsident des FC Bayern: Uli Hoeneß.

Möglicherweise bald nicht mehr Präsident des FC Bayern: Uli Hoeneß.

Wie sehen Sie den FC Bayern für die Zukunft aufgestellt? Anfang 2020 verstärkt Oliver Kahn den Vorstand.
Oliver war immer ein Leader, der vorangegangen ist und sehr gut mit Druck umgehen konnte. Er hat sich immer vorbildlich verhalten, eine gute Ausbildung absolviert und eigene Firmen gegründet. Er kann eine großartige Persönlichkeit als Funktionär werden. Insgesamt mache ich mir um Bayern keine Sorgen. Rummenigge bleibt ja noch bis 2021, und mit Herbert Hainer soll ja ein toller Mensch hinzukommen. Der Klub ist gut aufgestellt mit viel Fachkompetenz in allen Bereichen. Und Bayern ist noch immer eine Familie. Das ist das Verdienst von Uli Hoeneß.

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