AZ-Interview mit Carmen Dullinger-Oßwald

Obergiesings BA-Chefin: "Sechzig gehört zu uns nach Giesing"


Löwen-Fans demonstrieren in der Westkurve für den Verbleib im Stadion. BA-Chefin Carmen Dullinger-Oßwald freut sich über die Rückkehr der Löwen nach Giesing.

Löwen-Fans demonstrieren in der Westkurve für den Verbleib im Stadion. BA-Chefin Carmen Dullinger-Oßwald freut sich über die Rückkehr der Löwen nach Giesing.

Von Lukas Schauer / Onlineredaktion

Bald soll entschieden werden, was mit dem Grünwalder Stadion passiert. Obergiesings BA-Chefin spricht sich in der AZ für einen maßvollen Ausbau aus.

München - In wenigen Tagen wird die Machbarkeitsstudie zum Grünwalder Stadion erwartet. OB Dieter Reiter (SPD) will dann binnen weniger Wochen über einen möglichen Ausbau entscheiden. Das Stadion liegt in Untergiesing. Doch der U-Bahnhof Silberhornstraße und die meisten Löwen-Kneipen sind in Obergiesing. In der AZ spricht die dortige Bezirksausschuss-Chefin Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne) über die Situation vor Ort.

AZ: Frau Dullinger-Oßwald, was haben Sie 2017 gedacht, als Sie hörten, dass die Löwen heimkommen nach Giesing?
DULLINGER-OSSWALD: Ich habe mich unheimlich gefreut. Das Sechzgerstadion und die Löwen gehören einfach zu Giesing.

Und Ihre Kollegen im Bezirksausschuss?
Da gab es schon auch Bedenken, sie waren teilweise recht reserviert. Zum Beispiel wegen der Parkplatzsituation.

"Die Sechzgerfans verhalten sich sehr korrekt"

Nach zwei Jahren: Wurden Ihre Kollegen positiv überrascht?
Ja, das würde ich so sagen. Die Sechzgerfans verhalten sich sehr korrekt im Viertel, wir hatten in den zwei Jahren kein einziges Mal größere Aufregung. Auch die Polizei hat uns im Bezirksausschuss nur Positives berichtet, die haben das alles sehr gut im Griff. Die Löwen-Fans kommen bei uns am U-Bahnhof Silberhornstraße an und die Gästefans werden nach Untergiesing zum Wettersteinplatz gebracht. Das funktioniert.

Wie erleben Sie selbst die Spieltage?
Ich mag das sehr gerne, diese Aufgeregtheit im Viertel, wenn so viele Menschen auf der Straße sind. Ich wohne selbst ganz nahe beim Stadion, kann die Trommeln hören oder wenn ein Tor gefallen ist. Meine Familie hat auch eine Dauerkarte, so dass ich selbst auch ab und zu ins Sechzger gehe. So wie das übrigens viele Familien tun. Sechzig in Giesing ist eben für viele auch ein günstiger Ausflug, ein Familienereignis.

Wie sind die Mehrheitsverhältnisse in Ihrem Bezirksausschuss?
Ich schätze, drei Viertel sind für das Stadion.

"In Giesing ist für alle Platz"

Dafür, dass die Löwen dauerhaft bleiben und das Stadion maßvoll erweitert wird?
Genau.

Das ist spannend. Andernorts sind die Bezirksausschüsse immer sehr kritisch, was Großveranstaltungen betrifft. Was unterscheidet die Giesinger von den anderen Münchnern?
Ich glaube, der Giesinger steht schon besonders fürs Leben und Leben lassen. Wir haben jetzt ja auch ein Sterne-Lokal, keine 300 Meter vom Sechzgerstadion weg. Ist das nicht herrlich? So eine Mischung finde ich toll. Ich finde, das macht das Leben aus und das soll auch Giesing ausmachen: dass für alle Platz ist.

Ein Sterne-Lokal in Giesing! Das hätte man sich früher nicht vorstellen können. Beschleunigt Sechzig die Aufwertung von Giesing oder bremst es sie ab, weil die reichen Leute doch keine Lust auf Fußballfans vor der Haustür haben?
Ich bin auf jeden Fall froh, dass wir hier so viele Genossenschaftswohnungen haben, dass so oder so ein gewisser Stamm an Menschen hier bleiben kann. Gefühlt ist das die Mehrheit, das prägt das Viertel. Rund um den Alpenplatz zum Beispiel sind aber viele Häuser verkauft worden, die Mieten sind gestiegen, Giesinger mussten wegziehen. Auch im Agfa-Park gibt es natürlich viele Neu-Zugezogene. Aber ich glaube, viele dieser Leute schätzten es auch, dass es hier noch alteingesessene Giesinger gibt.

Beschwerden? "Gibt es eigentlich keine"

Das klingt ja alles sehr positiv. Aber Beschwerden wegen der Fußballfans wird es im Bezirksausschuss ja trotzdem geben. Wovon handeln die dann?
Eigentlich gibt es keine. Ein einziges Mal war jemand da in den ganzen zwei Jahren.

Das ist wirklich extrem wenig.
Ja! Probleme gibt es bei den Bewohnern der Hochhäuser in der Martin-Luther-Straße. Die sagen zum Beispiel, dass sie die Lärmbelästigung vom Stadion haben und jetzt auch noch die Gastronomie am Grünspitz kommt - der sich ja auch an Spieltagen zu einem Fan-Treffpunkt entwickelt hat.

Wie kann man diesen Nachbarn helfen?
Wir versuchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, laden sie ein. Und: Ich würde mir für die Akzeptanz des Stadions erhoffen, dass dort bald auch kulturelle Veranstaltungen stattfinden.

"Giesing ist heute viel zu verdichtet"

Was erhoffen Sie sich von der Machbarkeitsstudie?
Ich hoffe, dass alles nicht zu sehr in den Himmel wächst. Weil: Sehr viel mehr Zuschauer verträgt die Gegend nicht. Ein paar mehr: ja. Aber das Sechzgerstadion auf 30.000 auszubauen: Das passt nicht mehr.

Vor ein paar Jahrzehnten ging es doch auch. Da gingen 40.000 Leute zu Sechzig.
Ja. Aber das Umfeld war damals deutlich weniger bebaut. Die Anwohner hatten keine Autos. Es war eine ganz andere Struktur. Heute ist Giesing viel zu verdichtet.

Also machen es sich auch die zu einfach, die sagen: Das sind nur die reichen Zugezogenen, die keinen erheblichen Ausbau wollen?
Das finde ich schon, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Ach, und noch etwas wünsche ich mir für einen Umbau.

Was denn?
Dass es gelingt, eine Sozialeinrichtung unter der Tribüne zu integrieren. So etwas könnte viel bewirken. Es zeigt noch einmal: Das Stadion bringt allen etwas. Es ist für Giesing da.

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