Trotz Tore-"Manko" und Systemdebatte

Neuer schwört: "Wir werden zurückschlagen"


Nationalkeeper Manuel Neuer ist trotz der EM-Auftaktniederlage gegen Frankreich selbstbewusst. "Wir werden zurückschlagen", verspricht er.

Nationalkeeper Manuel Neuer ist trotz der EM-Auftaktniederlage gegen Frankreich selbstbewusst. "Wir werden zurückschlagen", verspricht er.

Von sid

Wer soll nur die Tore schießen? Nach der bitteren EM-Auftaktpleite muss Joachim Löw ein altbekanntes Problem beheben - und die Systemfrage klären.

Am Tag nach dem schweren EM-Nackenschlag zog sich ein getroffener Joachim Löw müde und in aller Abgeschiedenheit zur Klausur zurück. Während sein Kapitän Manuel Neuer nach einer kurzen Nacht im "Campo" von Herzogenaurach neuen Mut fasste und unerschütterlich verkündete: "Wir werden zurückschlagen", entwarf der Bundestrainer seinen Portugal-Plan.

Die Zuversicht hatte Löw noch in München nach der bitteren 0:1 (0:1)-Auftaktpleite gegen Weltmeister Frankreich wiedergefunden. "Wir haben verloren und sind alle enttäuscht, aber es ist nichts passiert. Wir haben noch zwei Spiele, da können wir das alles geradebiegen", betonte er kämpferisch. Schon wenige Stunden nach der Ankunft der Mannschaft um Pechvogel Mats Hummels im Team-Quartier um 2.19 Uhr grübelte er gleich über mehreren Schlüsselfragen: Wie nur ist EM-Rekordtorschütze Cristiano Ronaldo zu stoppen? Muss er nicht auf Viererkette umstellen? Und wer zum Teufel soll bloß die Tore schießen?

"Das einzige Manko war: Wir haben kein Tor erzielt und die Durchschlagskraft vermissen lassen. Daran gilt es zu arbeiten", sagte Löw. Doch Sätze wie diese hat er schon x-Mal geäußert - Abhilfe konnte er nicht schaffen. Seit dem historischen WM-Desaster 2018 hat seine Elf in drei Frankreich-Duellen nur ein Tore per Elfmeter erzielt. Genauso karg ist die Ausbeute in zwei Treffen mit den starken Spaniern.

Nicht nur Kai Havertz enttäuschte

Dem neu formierten Angriff um Rückkehrer Thomas Müller fehlte es an Abstimmung und Harmonie, vor allem Kai Havertz fiel stark ab. Auch die Joker Leroy Sane, Timo Werner und Kevin Volland zündeten nicht. Löw lenkte von den eigenen Schwächen ab, indem er die Franzosen als "Weltmeister auch im Verteidigen" würdigte. Über Standards, laut Löw einer der Schwerpunkte in der Vorbereitung, versprühte die DFB-Auswahl keinerlei Gefahr. Löw kündigte an, bei den ruhenden Bällen erneut "den Hebel anzusetzen. Wir müssen schauen, dass wir uns da verbessern, denn wir brauchen gegen Portugal das eine oder andere Tor."

Wer da helfen kann? Ilkay Gündogan hielt ein Plädoyer für seinen Kumpel Sane. "Leroy ist ein Spieler, der den Rhythmus braucht. Der das Gefühl braucht, den Unterschied ausmachen zu können", sagte er. Dafür müsse der Bayern-Profi "das Selbstverständnis haben, ständig zu spielen. Dann ist er unglaublich." Möglich, dass Löw sein Sorgenkind am Samstag (18.00 Uhr/ARD und MagentaTV) von Beginn an bringt.

Verbesserungsbedarf bei "Laufwegen, Nachrücken und Abstimmung"

"Wir müssen offensiver spielen - und vielleicht das System wechseln", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus bei Sky. Löw wies den Vorwurf zurück, dass mit der Dreierkette vorne ein weiterer Mittelfeldspieler fehle. "Wir hatten genug Offensivkräfte auf dem Platz, aber wir müssen bei Laufwegen, Nachrücken und Abstimmung vorne noch besser werden", sagte er. Das gilt auch für die "offensiven Außen". Joshua Kimmich haderte auf der ungeliebten rechten Seite immer wieder sichtlich mit sich und seiner Aufgabe.

Muss Löw gegen Portugal auf Viererkette umstellen und den Wortführer wieder ins Zentrum ziehen? Die Teamkollegen schienen ihn dort schmerzlich zu vermissen. "Wir haben es verpasst, mit ein, zwei Spielern mehr in die gegnerische Hälfte reinzustoßen", sagte Gündogan. Die Mannschaft beherrsche beide Systeme, aber: "Ich erhoffe mir, dass wir gegen Portugal mehr nach vorne spielen und mehr Chancen kreieren. Weil wir es können und eine Mannschaft sind, die offensiv denkt." Am liebsten im 4-2-3-1.

Joachim Löw lobt seine Abwehr

Doch Löw nahm neben dem Lob seines geschätzten Kollegen Didier Deschamps auch Positives mit. "Überwiegend sehr gut", hätten "Knabber-Toni" Rüdiger, Hummels und Co. den französischen Monstersturm um Wunderknabe Kylian Mbappe im Griff gehabt, analysierte er. Dass der unglückliche Dortmunder die enge Partie mit dem ersten Eigentor im 50. deutschen EM-Spiel entschied (20.), sei "Pech" gewesen: "Mats kann man da keinen Vorwurf machen."

Auch Hummels blickte nach vorne. "Auf drei Punkte am Samstag im nächsten Kracher!", schrieb er nachts aus dem Bus. Löw bekannte trotz all der Grübelei, er sei "positiv gestimmt".

Biss, Einsatz und Leidenschaft seiner Elf seien "vorbildlich" gewesen, lobte der Chef. Das honorierten die offiziell 13.000 Zuschauer, die der DFB-Auswahl applaudierten. "Wir haben das Niveau, mit den Topteams mitzuhalten", versprach Kimmich ihnen. Das soll nun der Titelverteidiger zu spüren bekommen.

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