Falsche Flügelzange
Müller und Perisic sind altmodisch, aber gut
21. Januar 2020, 6:36 Uhr aktualisiert am 21. Januar 2020, 6:36 Uhr
Thomas Müller und Ivan Perisic überzeugen als Vertreter von Kingsley Coman und Serge Gnabry auf den Außenbahnen. "Modern ist, wenn man gewinnt", sagt Müller.
München - Für ihre Tore zog es die beiden in die Mitte. Ivan Perisic köpfte zu Thomas Müller, der verwandelte im Stile eines Torjägers - das 1:0, der "Knotenlöser", so Müller gegen die Hertha, die vor ihrem Tor aufzog, was man in der Hauptstadt 1989 feierlich entsorgt hatte.
24 Minuten später revanchierte sich Müller mit einer feinen Flanke von der rechten Außenbahn, im Zentrum köpfte Perisic ein, das 4:0. Da war die Hertha-Mauer, von Trainer Jürgen Klinsmann installiert, längst in sich zusammengefallen. Müller & Perisic feierten diesen Treffer mit einem "chest bump", einem Brust-an-Brust-Sprung. "Wenn der Ball drin ist, lacht das Herz", meinte Müller euphorisiert nach seinem 250. Scorerpunkt in der Bundesliga.
Ein ungleiches Duo. Hier der Paradebayer vom Ammersee, dort der Kroate aus Split - und doch vereint bei diesem Rückrundenstart. Nicht nur, weil sie beide 30 Jahre alt sind. Weil sie als Lückenfüller von Kingsley Coman und Serge Gnabry auftraten: als falsche Flügelzange.
Die beiden echten Flügelspieler waren am Wochenende keine Option. Gnabry zumindest als Kurzzeit-Joker, doch der 24-Jährige hat durch Achillessehnen-Probleme wertvolle Aufbaueinheiten im Trainingslager in Doha verpasst. Während er am Samstag (18.30 Uhr) gegen Schalke mehr Minuten bekommen dürfte, wird Coman (23) nach seinem Kapseleinriss im Knie noch weit bis in den Februar hinein brauchen für sein Comeback. Also sind Müller & Perisic weiter gefordert, Trainer Hansi Flick hat keinerlei Anlass, die Offensive gegen Königsblau umzubauen.
Müller bricht Rekorde, Perisic überzeugt
Als ein "bisschen altmodisch" bezeichnete Müller die Verlegenheitslösung auf den Außenbahnen, weil die beiden ja eher schlaksig seien, keine Wusler und Dribbler. "Mein Spiel ist eher zentrumslastig", bekannte Müller. Jeder weiß das. Man konnte es in der ersten Hälfte auch sehen. Flanken und Hereingaben aus seinen Fußgelenken waren ziemlich mau. Seine Lieblingsposition ist die als zweite, hängende Spitze hinter Mittelstürmer Robert Lewandowski. Als Freigeist, als Torjäger-Zehner.
Nach seiner zwölften Torvorlage im 18. Saisonspiel (bei lediglich drei eigenen Treffern) sagte Müller: "Altmodisch muss ja nicht schlecht sein. Und: Modern ist, wenn man gewinnt." Zwölf Torvorlagen - damit ist Müller der erste Spieler seit der Datenerfassung 2004/05, der nach 18 Spieltagen derart viele Assists auf dem Konto hat. Zu seinem persönlichen Rekord fehlen nur noch zwei. Und mit dem Tor bei der Hertha zum Pflichtspiel-Jahresauftakt hat Müller nun ein Alleinstellungsmerkmal: Er ist der erste Spieler, der seit 2009 in allen zwölf Kalenderjahren getroffen hat. Ein Liga-Fossil.
Perisic ist unspektakulär, aber mannschaftsdienlich
Und Perisic? Läuft oft unter dem Radar, weil er sehr mannschaftsdienlich spielt und nicht so spektakulär dribbelt wie Coman, nicht so spektakulär sprintet und trifft wie Gnabry.
Seine Bayern-Bilanz seit der Leihe für lediglich fünf Millionen Euro (Schnäppchenpreis!) von Inter Mailand seit Mitte August: 20 Pflichtspiele, fünf Tore, sieben Vorlagen. Der Ex-Dortmunder und Ex-Wolfsburger durfte allerdings erst zehn Mal von Beginn an ran. Für eine Kaufoption in Höhe von 20 Millionen Euro könnte Perisic, mit Kroaten 2018 im WM-Finale an Frankreich gescheitert, im Sommer gekauft werden. Die Bayern-Bosse warten ab.
"Bis jetzt ist alles positiv in München, privat und sportlich. Ich gehe einfach Schritt für Schritt, von Tag zu Tag. Dann schauen wir mal", sagte Perisic, "30 ist nicht alt! Ich fühle mich gut. Mein Plan ist es, noch sieben, acht Jahre zu spielen."
Dennoch: Sein Verbleib hängt vom Zieltransfer des Wunschspielers Leroy Sané (Manchester City) ab, einem echten Flügelspezialisten. Und von Perisics Leistungen natürlich.
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