Regensburg liest ein Buch

Autorin begeistert von szenischer Lesung


Die Studierenden des dritten Jahrgangs des Akademietheaters brachten eine gelungene Premiere ihrer szenischen Lesung auf die Bühne.

Die Studierenden des dritten Jahrgangs des Akademietheaters brachten eine gelungene Premiere ihrer szenischen Lesung auf die Bühne.

Mit der szenischen Lesung von "Lügnerin" fand die Veranstaltungsreihe "Regensburg liest ein Buch" einen gelungenen ersten Höhepunkt. Die Autorin Ayelet Gundar-Goshen zeigte sich im anschließenden Gespräch begeistert.

Wohin passt eine Welt der Lüge besser als in ein Theater ? Am Dienstagvormittag wurden die Bretter des Akademietheaters zum Schauplatz der Bühnen des realen Lebens. Der alltägliche Widerspruch von Inszenierung und Sein wurde im Licht der Scheinwerfer gelesen, gespielt und reflektiert. Die szenische Lesung zu dem Roman "Lügnerin" von Ayelet Gundar-Goshen lockte zu ungewöhnlich früher Stunde in den ausverkauften Saal. Obwohl die Aufführung unter keinem guten Zeichen stand, gelang den Studierenden auf der Bühne eine erfolgreiche Premiere.

Ayelet Gundar-Goshen war angetan von der Umsetzung ihres Romans.

Ayelet Gundar-Goshen war angetan von der Umsetzung ihres Romans.

Als würde das Publikum durch die Seiten eines Buches blättern, wechselten die Szenen, Stimmungen und Räume von Kapitel zu Kapitel. Die Inszenierung fand die richtigen Momente für Brüche, Distanzierungen, Unterstreichungen, Emotionen und Ruhe. Gellende Schreie, Stimmengewirr und Bewegung wurden abgelöst von ruhiger Musik, Filminstallationen und nüchternen Erläuterungen. Dadurch gelang es, dem aufgeführten Buch eine ganz eigene Note zu geben und die Bedeutung durch die selbst gesetzten Hervorhebungen zu prägen.

Lasen sie Schauspieler in einer Szene von der Kante der Bühne mit fesselnder Stimme vor, so verschwanden die Bücher im nächsten Moment aus ihren Händen und es folgte die Nachstellung eines Kapitels im hinteren Bereich der Spielfläche. Gebrochen lediglich durch einen transparenten Vorhang, der Gelesenes und Gespieltes trennte, nur um diese Trennung gleich selbst wieder durch Interaktionen in Frage zu stellen. Damit wurde das geschickt inszenierte Bühnenbild samt Videoinstallation mit verschiedenen Ebenen zu einem lebendigen Teil der Lesung.

Mit dieser zerreißenden Darstellung fanden die Konflikte der Hauptcharaktere Nuphar, Lavie und Avischai ihren Ausdruck. Ganz in weißer Kleidung, der Farbe der Unschuld, entwickelte sich auf der Bühne ein Gespann aus Lüge, Schein und Ruhm, ohne dass die Reinheit der Figuren getrübt wurde. So gingen sie den zentralen Fragen der Autorin nach, denen sie sich in ihrem Werk widmete. Was bringt einen normalen Menschen dazu, eine Lüge wie die der jungen Nuphar in die Welt zu setzen ? Für wen interessiert sich unsere Gesellschaft ? Wen umarmen und wen verstoßen wir ? Welche gewaltigen Folgen können ausgesprochene und unausgesprochene Wörter haben ?

Fernab von Schuld und Unschuld, von Gut und Böse, verhandelt die Geschichte eine Kette dramatischer Ereignisse. Die Schülerin und Eisverkäuferin Nuphar Schalev wird von dem vergessenen Star Avischai Milner beleidigt, sie flieht, er folgt, ein Schrei und die Umherstehenden eilen zur Hilfe. Ob er sie sexuell Belästigt hätte ? Nuphar schweigt und aus diesem Schweigen erblickt eine Lüge das Licht der Welt, um die sich die szenische Lesung lebhaft drehte.

Eigene Welten auferstehen aus falschem Schein

Doch nicht nur Nuphar setzte eine Lüge in die Welt, alle Figuren lassen eigene Welten aus falschem Schein auferstehen. Diesem Schein, der ihnen Aufmerksamkeit und mediale Präsenz gewährt, verdanken sie es, weiter an ihren eigenen Geschichten zu spinnen, wenn auch in tiefster eigener Zerrissenheit. Das Verlangen gesehen zu werden zeigt sich nicht nur in der jungen Eisverkäuferin. Auch der, in den Tiefen der Unbekanntheit verschwundene, Sänger Avischai, nutzt die Aufmerksamkeit seiner Tat, um endlich wieder gesehen zu werden. Der Schauspieler, der ihn verkörpert, schreibt mit seinem Finger auf eine unbeschriebene Zeitung die Schlagzeilen, die er von seinen Taten erwartet. Die wahnhafte Sehnsucht nach öffentlicher Präsenz bringt zum Ausdruck, wie sehr die Öffentlichkeit ihren kurzweiligen Göttern durch ihr Vergessen zusetzt.

Für ihre Inszenierung erhielten die Schauspieler des dritten Jahrgangs der Akademie, Annetta Chiantone, Amedeo Gonnella, Lennart Gottmann, Franziska Jacobsen, Caroline Lefmann, Mattis Moll, Sofia Raki, Alexander Wolf und Magdalena Weiß nicht nur den tosenden Applaus des Publikums.

Auch die Autorin selbst, Ayelet Gundar-Goshen, war von der Aufführung begeistert. Sie bezeichnete die szenische Lesung im anschließenden Werkstätten Gespräch als brillant und sie sagte, dass sie sich wünsche, das Stück hätte nicht geendet. Es sei gelungen, keine Figur als bloßes Monster oder reines Opfer zu präsentieren, was sie besonders freue. Neben den Schauspielern umfasste die Gruppe die Regisseurin Meike Fabian, Produktionsassistenz Raphaela Herzog, den technischen Leiter Max Bothschafter, den Verantwortlichen für den Videoschnitt Sean Schröder und den Fotografen Werner Hofbauer. Die Aufführung wurde in Kooperation mit der jüdischen Gemeinde Regensburg veranstaltet.

Damit eröffnete die Lesung als eine der ersten Veranstaltungen den kommenden Monat um "Regensburg liest ein Buch", welcher in diesem Jahr gemeinsam mit Tel Aviv veranstaltet wird. Dabei dreht sich mehrere Wochen lang alles um das Buch von Ayelet Gundar-Goshen.

Deshalb war diese bei der Premiere auch selbst anwesend und trat für ein Gespräch mit der Journalistin, Autorin und Redakteurin Margarete von Schwarzkopf auf die Bühne.

Die beiden sprachen über die Bedeutung der Lüge und diskutierten über die Kraft der Worte. Diese zeige sich bereits bei der Namensgebung und den damit verbundenen Erwartungen der Eltern an die Kinder. Vor allem dieses Spannungsfeld, zwischen Kindern und Eltern, sowie deren intensives Verhältnis von Selbstpräsentation und Wahrheit, besprachen die beiden.

Die Entwicklung der Figuren interessiert sie

Ayelet Gundar-Goshen arbeitet zudem als Psychologin, weshalb sie vor allem die Entwicklung ihrer Figuren interessiert. Eben jene Figuren, die ihren Roman so interessant und fesselnd machen. Sie hörte eine Geschichte über eine Frau, die eine Vergewaltigung erfand und in Folge dessen öffentlich als Monster dargestellt wurde.

Diese einseitige Lesart wollte Goshen allerdings nicht akzeptieren, weshalb sie sich entschloss, diese Thematik aus der Perspektive einer jungen Frau zu betrachten. Was könnte sie dazu bringen, eine solche Lüge in die Welt zu setzen? Diese Frage verhandelt sie in ihrem Roman, ganz ohne eine Einordnung in Gut und Böse vorzunehmen.

Am Ende des Tages sind ihre Figuren vor allem eines, Menschen. Menschen mit Ängsten, Sehnsüchten und Fehlern, welche durch die Sogwirkung der Öffentlichkeit zu einer Vereinfachung in Monster und Leidtragende, in Täter und Opfer verkommen.

Info

Am Freitag, 18., und am Samstag, 19. März, um 19 Uhr wird die szenische Lesung im Akademietheater aufgeführt. Am 31. März bekommt sie einen Gastauftritt in der Jüdischen Gemeinde. Die Tickets können über die Homepage des Akademietheaters erstanden werden. Das Programm zu der gesamten Veranstaltungsreihe von "Regensburg liest ein Buch" befindet sich auf deren Homepage oder kann in den Regensburger Buchläden kostenfrei mitgenommen werden.