Regensburg/Stephansposching

Zwischen Tetris-Spielern und Bierfahne: Als Ersti an der Uni Regensburg


Geschafft! Den ersten offiziellen Unitag hat Isabella Plenk erfolgreich hinter sich gebracht.

Geschafft! Den ersten offiziellen Unitag hat Isabella Plenk erfolgreich hinter sich gebracht.

Wenn Jugendliche flügge werden: Wie für viele andere hat für die 20-jährige Isabella Plenk aus Stephansposching am Montag die Uni angefangen. Wir haben sie an ihrem ersten Tag an der Universität Regensburg begleitet.

Montag, 8 Uhr, es ist soweit: Die erste Woche des neuen Semesters steht in den Startlöchern. Unzählige orientierungslose Erstsemester schwirren über den Campus der Universität Regensburg. Bewaffnet mit Stundenplan und Smartphone machen sie sich auf die Suche nach ihren Kursräumen. Diese endet oft in einer verzweifelten Odyssee durch die dunklen Gänge des "Betonbunkers", wie Studenten die Uni Regensburg insgeheim liebevoll nennen.

Isabella Plenk aus Stephansposching hat sich für ihren ersten richtigen Tag an der Uni gut vorbereitet, um nicht dasselbe Schicksal zu erleiden: "Ich habe zu Hause schon einmal den Raum gegoogelt. Dann bin ich auf eine Seite der Uni gestoßen, auf der es Lagepläne gibt", sagt die 20-Jährige. Auf dem Weg zu ihrem ersten Kurs zögert sie im Gebäude des Philosophicums nur kurz, bevor sie zielstrebig den kleinen Raum gegenüber der Cafete ansteuert. Englische und Amerikanische Literatur steht heute auf dem Programm. Isabella studiert nämlich Grundschullehramt mit Hauptfach Englisch.

Dass sie einmal studieren würde, daran hatte sie lange Zeit nicht gedacht. Eigentlich wollte Isabella nach der Realschule an eine Sprachenschule gehen. Aber dann hat sie sich doch anders entschieden. "Ich habe viele Interessen wie zum Beispiel Sprachen oder Kunst. Daher wollte ich mich nicht so früh festlegen", sagt sie rückblickend. An der Fachoberschule in Straubing hat sie nach dem Realschulabschluss den gestalterischen Zweig belegt und dieses Jahr ihr Abi gemacht. Beim Studium fiel ihre Wahl auf Grundschullehramt mit Hauptfach Englisch. "Ich wollte möglichst viele Interessen vereinen und etwas studieren, womit ich später einen vernünftigen Job bekomme."

32 Stühle, 32 Plätze

So früh am Morgen füllt sich der Kursraum nur langsam. Die Rolläden sind noch halb geschlossen wie auch die Augen der wenigen Studenten, die bereits vor Kursbeginn im Raum sitzen. Draußen dämmert es langsam, der berüchtigte Regensburger Nebel hüllt den Campus ein. Im Seminarraum selbst blendet das helle Kunststofflicht die Augen müder Erstsemester, die sich nach und nach auf die abgewetzten Holz- und Plastikstühle setzen. Isabella setzt sich neben zwei Mädchen in der zweiten Reihe, die sie noch nicht kennen gelernt hat. Ein Mädchen aus der ersten Reihe kennt sie bereits aus dem Einführungskurs. Sie studiert auch Grundschullehramt mit Hauptfach Englisch. Die anderen beiden Mädchen studieren Englisch und Medienwissenschaft, findet Isabella schnell heraus. "Ich versuche immer, auf die anderen zuzugehen. Nur so lernt man sich kennen", sagt sie. Schüchternheit sei für sie fehl am Platz, wenn man sich unter den vielen Studienanfängern nicht allein vorkommen möchte.

Während anfangs nur wenige Studenten in dem Kursraum Platz genommen haben, drängen sich um kurz vor halb neun bereits über vierzig Studenten in das kleine Zimmer. Einige von ihnen müssen stehen und nicht alle von ihnen dürfen bleiben. "32 Stühle, 32 Plätze", erklärt der Dozent, Dr. Martin Decker knapp. Da es seit diesem Semester keinen Eignungstest für Englisch mehr gibt, hätten sich doppelt so viele Studenten wie sonst immatrikuliert. "Da viele sich so spät angemeldet haben, war das für unser Institut schwer zu organisieren", erklärt er. Man habe sich dazu entschlossen, in den Einführungskursen statt 15 Studenten pro Seminar so viele zuzulassen, wie es Plätze im jeweiligen Raum gibt. Ganz pragmatisch vergibt Decker die Plätze an die zugelassenen Studenten. Die auf der Warteliste müssen zittern. Während eine Studentin leise jubelt und auf einen freigewordenen Stuhl schlüpft, hört man von vielen ein enttäuschtes Seufzen: Nur einige wenige von den Wartenden dürfen bleiben, der Rest wird wieder aus dem Raum geschickt.

Keine Gnade gibt es bei Unpünktlichkeit. Als ein Student eine halbe Stunde nach Kursbeginn in den Raum schneit und verlegen murmelt, er habe den Raum nicht gefunden, wird auch er von Decker postwendend wieder hinausgeschickt. Sein Platz wurde bereits einem anderen glücklichen Erstsemester gegeben. Für den Zuspätkommer heißt es: Neues Semester, neues Glück. Genauso streng ist man im Übrigen mit der Anwesenheit in den Englischkursen: Wer mehr als zweimal ohne Attest fehlt oder insgesamt mehr als vier Sitzungen verpasst, muss den Kurs noch einmal machen.

Wohnung finden ist wie im Lotto gewinnen

"Ich bin eine von den wenigen Lottogewinnern", sagt Isabella, als sie nach dem Kurs von ihrer Wohnung erzählt. Sie ist klein und besteht quasi nur aus einem Zimmer. "Aber wenigstens ist es allein mein Reich. Da kann ich meinen Tagesablauf gestalten, so wie ich es möchte." Weitere Vorteile: Die Wohnung ist nur zehn Minuten von der Uni weg und noch dazu für Regensburger Verhältnisse einigermaßen bezahlbar. An die Wohnung gekommen ist sie durch Zufall. "Mein Bruder studiert an der OTH in Regensburg und der kannte jemanden, der aus Regensburg wegzieht und einen Nachmieter sucht", erzählt die 20-Jährige.

Angst vor dem ersten Mal alleine wohnen hat sie nicht. "Zum Studieren gehen ist wie ins kalte Wasser geworfen zu werden. Man lebt zum ersten Mal in einer eigenen Wohnung und muss sich um alles selbst kümmern. Aber man wird schon in den ersten Wochen sehr selbstständig, weil man muss." Und wer in manchen Momenten an den Rand der Verzweiflung kommt, der findet am Campus schnell Leidensgenossen, die auch das erste Mal selbst einen Internetanschluss beantragen oder Wäsche waschen müssen.

Nicht immer wird einem der Einstieg ins Studium leicht gemacht. "Dass es Einführungsveranstaltungen für meinen Studiengang gibt, habe ich nur zufällig online gefunden", sagt Isabella. Oft sei es für die Erstsemester schwierig, sich am Anfang zu orientieren. "Ich wollte mich für den Einstufungstest in Kunst anmelden und habe im Sammelgebäude der Universität erst einmal ewig nach dem richtigen Sekretariat gesucht. Dort hat man mir dann gesagt, dass die Anmeldung nur online geht. Da hätte ich mir den Weg sparen können."

Auch an die vielen Menschen muss sich Isabella erst einmal gewöhnen. Vor wenigen Monaten saß sie noch in einer Schulklasse mit maximal 30 Leuten, jetzt an der Uni hat sie ihre Vorlesungen manchmal gemeinsam mit über 300 Studenten. "Da habe ich mich schon erst mal erschlagen gefühlt", sagt die 20-Jährige.

Auch mit ihrem Uni-Account hatte Isabella bereits Probleme: "Mein Passwort war anscheinend zu kompliziert für die Rechner in den Computerräumen", meinte sie lachend. Das habe man ihr im Rechenzentrum der Universität erklärt, als sie Probleme bei der Anmeldung am Computer hatte.

"Kurswahl ist wie ein Glücksgriff in der Mensa"

Zwischen zwei Kursen geht es für Isabella mittags zum Essen in die Mensa. Um 11 Uhr findet man dort sogar am ersten Unitag noch genug Platz. Dann ist die Schlange am Glücksrad, das extra zur Begrüßung der Erstis aufgestellt wurde, noch länger als vor den beiden Mensasälen. In einer Glasvitrine vor den beiden Eingängen zu den Sälen werden die Tagesgerichte ausgestellt. Heute gibt es Gulasch, Reis mit Gemüse und sogar eine halbe Ente mit Kartoffelknödel. Bei der Essensausgabe entscheidet Isabella sich für das Reisgericht. Danach sucht sie sich einen Platz an einem der langen Tische an der Fensterseite der kleinen Mensa, in der sich der Entenduft mit dem Gulaschgeruch vermischt.

Kritisch beäugt Isabella schließlich ihr Gericht. Zwei Walnüsse thronen über dem bunten Gemüse und dem leicht gelblichen Reis. "Eigentlich ist Wohnungssuche und Kurswahl wie ein Glücksgriff in der Mensa: Du wählst erst einmal etwas aus und weißt aber noch nicht wie es schmeckt", meint die Lehramtsstudentin schmunzelnd. Bei der Kurswahl hatte sie Glück - genauso wie bei der Essensausgabe: Während eine Mitstudentin fast verzweifelt, weil sie überall nur auf der Warteliste steht, hat Isabella in den meisten Kursen einen Platz ergattert. "Ich bin bei der Wahl der Kurse nicht so wählerisch. Viele wollen sich den Freitag freihalten, aber ich denke mir immer: Da sind wenig Leute angemeldet, den Kurs nehm ich", erklärt sie.

Zwischen Tetris und Bierfahne

Um 12 Uhr geht es gleich weiter in die nächste Vorlesung: Sozialpsychologie steht im Hörsaal 20 auf dem Tagesplan. Isabella sucht sich einen Platz weiter vorne. Während sie langsam ihr iPad aus dem dunkelblauen Rucksack packt, drängeln sich hinter ihr drei Studenten in die nächste Reihe des Hörsaals. Geräuschvoll lassen sie sich auf die Sitze fallen und klappen die schmalen Tischplatten herunter. Etwas klirrt, dann zischt es leise und ein leichter Biergeruch weht zu den unteren Reihen herab. "Erst mal Foto machen und die Snaps hochladen", spottet einer der drei zwischen zwei Schlucken und deutet auf die um ihn herumsitzenden Studentinnen, die auf ihren Smartphones herumtippen. Es ist 12.15 Uhr und die Vorlesung beginnt - fast. Isabella hat inzwischen schon ihre Tastatur ans iPad angesteckt. Daneben legt sie ein schmales braunes Buch mit bunten Haftmarkern. Dort hat sie sich alle Termine aufgeschrieben und eingemerkt, um sie wiederzufinden. Vorne stellt eine Studentengruppe ihre Organisation vor. Es geht um die Vermittlung von Auslandspraktikas, doch das interessiert die wenigsten. Während die drei Jungs hinter Isabella gemütlich ihr Bier trinken, spielt ein Mädchen in der ersten Reihe ungeniert Tetris auf ihrem Handy.

Inzwischen ist der Hörsaal vollkommen überfüllt. Wer auf den letzten Drücker zur Vorlesung kommt, muss mit den Treppenstufen vorlieb nehmen. Zumindest gibt es Teppichboden. Überall wird getuschelt und gelacht. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter teilen im Auftrag von Professor Peter Fischer raschelnd hunderte von Fragebögen aus, die die Studenten ausfüllen sollen. Dabei geht es um das eigene Verhalten in bestimmten Situationen. "So ein Schmarrn, was sind das denn für Fragen", schimpft einer der Jungs, als er stirnrunzelnd durch den Bogen blättert. Zustimmendes Gemurmel ertönt von allen Seiten. Eifrig ausgefüllt wird die Umfrage trotzdem, ehe der Professor die Fragebögen wieder einsammeln lässt und mit der Vorlesung beginnt.

Um 13.45 Uhr wird es unruhig. Zwar ertönt im Hörsaal kein Pausengong wie in der Schule, aber dank Smartphone und Armbanduhr wissen die Studenten auch so, dass der Kurs vorbei ist. Da kann auch der Professor nichts machen. Nicht er beendet schließlich die Vorlesung, sondern das laute Zuklappen der Tischplatten.

Isabella hat der erste Unitag gefallen. "Der erste Kurs hatte mehr Schulfeeling. Da war man näher am Geschehen als in der Vorlesung. Das fand ich gut", meint sie. Jetzt hat sie erst einmal frei. Einige ihrer Kurse fangen erst in der zweiten Semesterwoche an. Und was macht sie mit der freien Zeit? "Erstmal muss ich Wäsche waschen. Dann mal sehen", sagt sie.

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Der Einführungskurs in englische und amerikanische Literatur ist bis auf den letzten Platz besetzt.

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Der Einführungskurs in englische und amerikanische Literatur ist bis auf den letzten Platz besetzt.

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Schlange vor der Mensa - Die Studenten stehen jedoch nicht fürs Essen an, sondern weil neben dem Mensagebäude kostenlose Geschenketaschen verteilt werden.

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Gegen 12 Uhr beginnt der Andrang bei der Essensausgabe in der Mensa der Uni Regensburg.

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Günstig essen: In zwei Mensasälen können die Regensburger Studenten mittags für wenig Geld satt werden.

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Immer mehr Studenten schreiben während der Vorlesung auf einem Tablet oder iPad mit - so auch Isabella.

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Immer mehr Studenten schreiben während der Vorlesung auf einem Tablet oder iPad mit - so auch Isabella.

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Am Nachmittag wird es allmählich ruhiger auf dem Campus der Uni Regensburg.