Artenschutz geht alle an
Wiesenbrüter: Frühling ist Brutzeit
7. Mai 2019, 14:05 Uhr aktualisiert am 7. Mai 2019, 14:05 Uhr
Ein Ort wie gemalt für Naturfreunde: Sanftes Grün, Sonnenschein, ein angenehmer Wind. Feldlerchen, die Vögel des Jahres 2019, singen in luftiger Höhe. Das ist eine Wiese bei Niederwinkling, eine "special protection area" - nach dem Europäischen Vogelschutzgesetz ein Ort, an dem seltene Vogelarten in Ruhe brüten sollen. Hier im Donautal zwischen Regensburg und Deggendorf finden die seltenen Wiesenbrüter perfekte Bedingungen. Sie brauchen die flache Landschaft des Gäubodens zwischen Wiesen und Äckern. Hier gibt es sie - noch, muss man sagen, denn sie sind stark gefährdet. Sechs Wiesenbrüter-Arten sind auf Kategorie eins der Roten Liste verzeichnet, das heißt: Vom Aussterben bedroht. Und der Lebensraum für die Wiesenbrüter wird immer knapper.
Dagegen kämpft Verena Rupprecht. Ihr Alltag hat meist wenig mit Wiesen-Romantik zu tun. Sie ist seit dem vergangenen Jahr hauptamtliche Gebietsbetreuerin für das Donautal beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). Hier kümmert sie sich um alle Belange rund um die Wiesenbrüter entlang der Donaulandschaft. Das bedeutet für die 26-Jährige: Einen langen Geduldsfaden haben und zwischen Interessen vermitteln. Vor allem aber heißt es: Permanent draußen zu sein und gerade im Frühjahr die Tage zwischen Großem Brachvogel, Kiebitz und Uferschnepfe zu verbringen.
Frühling ist Brutzeit
An einem Donnerstagvormittag ist Verena Rupprecht ins Beobachten vertieft. Sie nimmt mit ihrem Fernglas Brutstätten des Großen Brachvogels in den Blick. Ein Laie sieht mit bloßem Auge hier gar nichts. Erst mit ein bisschen Übung kann man mit dem Vergrößerungsglas die scheuen Vögel bei einem Brutwechsel beobachten und den Standort eines Nests erahnen. Seit zwei Wochen brüten auf dieser Wiese nahe Breitenhausen bei Niederwinkling die Großen Brachvögel. Sie sind für ihren markanten Gesang und den langgezogenen Schnabel bekannt. Die Vögel sind Ende Februar wieder aus ihrem Wintergebiet zurückgekehrt und beginnen nun zu brüten. Insgesamt 28 Tage dauert ein Brutzyklus, bei dem die Mutter erst die Eier in Graskuhlen ablegt und dann bebrütet. Wenn die kleinen Nachkömmlinge aufstehen, laufen sie als Nestflüchter herum.
Hier beginnen die Probleme der Wiesenbrüter: Die Küken sind eine leichte Beute für Fressfeinde, insbesondere von nachtaktiven Raubtieren wie Füchsen oder Wildschweinen. Doch viel entscheidender noch sind die Dinge, die der Mensch beeinflusst. Felder werden heute viel intensiver bewirtschaftet als früher, Wiesen werden bereits im Frühjahr das erste Mal gemäht und Felder umgebrochen. Düngung und Pestizideinsatz lässt die Wiesen zu hoch und frei von Nahrungsquellen wachsen - in Wiesenbrüter ernähren sich nämlich am liebsten von Insekten und Würmern. Flächenfraß und Zerstückelung reduzieren den Lebensraum der Tiere immer weiter. Das alles führt dazu, dass der Nachwuchs meist nicht überlebt. Im Durchschnitt haben die Brachvögel viel zu wenig Nachwuchs, um die Populationen zu stärken, berichtet Rupprecht. In vielen Gebieten bleibe der Nachwuchs häufig ganz aus.
Nachwuchs fehlt
Verena Rupprecht registriert diese Phänomene mit Besorgnis. Die Population des Kiebitzes, der früher als Allerweltsvogel galt, ist seit 1992 um 88 Prozent zurückgegangen. Die Population überaltert schlichtweg, da Kiebitze bis zu 20 Jahre alt werden können. Das klingt dramatisch, aber man kann auch etwas dagegen tun. Rupprecht legt Umzäunungen an, spricht viel mit Landwirten, Bürgern und Behörden.
Ihr Ziel ist es, ein Bewusstsein für den Artenschutz zu schaffen und alle Beteiligten mit ins Boot zu holen. Landwirte sollen so beispielsweise Flächen nicht umbrechen oder ihre Mahd nach hinten verschieben und dafür entschädigt werden. Idealerweise profitieren beide Seiten. "Die Landwirte sollen nicht allein den Naturschutz finanzieren", sagt Rupprecht und lobt die Kooperationsbereitschaft der Beteiligten. In den meisten Fällen seien alle Beteiligten am Artenschutz interessiert, berichtet Rupprecht: "Für die meisten Landwirte ist es selbstverständlich, dass sie beim Aussäen um ein Kiebitznest herumfahren."
Doch auch der Einzelne darf sich nicht der Verantwortung entziehen. Wenn Wiesenbrüter eine Brut abbrechen, steckt oft auch eine gedankenlose Aktion dahinter. Rupprecht berichtet von einem erstaunten Kollegen, der einmal eine Frau im Wald dabei erwischt hat, wie sie in der Natur alte Liebesbriefe verbrannt hat. "Man darf den Leuten keinen bösen Willen unterstellen", sagt Rupprecht zwar, aber in den Wiesen frei herumlaufende Hunde oder das Betreten von Brutgebieten störe die Vögel empfindlich. Die Eltern würden flüchten, weil sie Fressfeinde fürchteten. Die kleinen Küken seien noch sehr störungsanfällig. Schnell verlieren sie zu viel Energie, um zu überleben. "Nimmt man seinen Hund an die Leine, tut man damit auch allen anderen Wildtieren einen Gefallen."
Sobald ein Bewusstsein für die Belange von gefährdeten Arten da sei, würden sich auch die Verhaltensweisen ändern, ist sich Rupprecht sicher. Noch sei es aber ein weiter Weg: Im Alburger Moos seien im Schutzgebiet trotz Betretungsverbots oft viele Menschen unterwegs. "Hier muss noch mehr passieren", findet Verena Rupprecht, die deswegen in Zukunft weiterhin viel Aufklärungsarbeit betreiben möchte. Exkursionen und Wanderungen unter ihrer Führung finden bereits statt, bei denen die studierte Umweltplanerin über die Problematik aufklärt. Zudem erhält sie viel Hilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitern, die in einem Beobachtungsgebiet Aufgaben übernehmen. "Wir können nicht genug Helfer haben", sagt Rupprecht. Sie hat noch ein langes Projekt vor sich: "Aber ich bin überzeugt, dass wir Erfolge haben werden."
Erreichen können interessierte Vogelbeobachter und Landnutzer Verena Rupprecht unter: verena.rupprecht@lbv.de oder am Diensthandy 0162/4199205