Straubinger Tagblatt

Mordkomplott unter Gefangenen


Von Redaktion idowa

Straubing. Streit um die Gemeinschaftskasse eines Clans von Russlanddeutschen war der Auslöser für einen Mord an einem Mithäftling in der Justizvollzugsanstalt Straubing im Oktober 2008. Ab Mittwoch müssen sich nun vier der Gefangenen wegen Mordes und versuchten Mordes beziehungsweise Beihilfe zum Mord vor dem Landgericht Regensburg verantworten. 17 Verhandlungstage sind für diesen Schwurgerichtsprozess angesetzt.

Die Gefangenen aus den ehemaligen GUS-Staaten, die allesamt im Straubinger Gefängnis einsaßen, verfügten über eine Gemeinschaftskasse, einen so genannten "Obschtschak". Verwalter dieses Geldes und damit derjenige, der im Clan der Russlanddeutschen das Sagen hatte, war laut Anklageschrift seit 2007 der 44-jährige F.. Er sei nicht nur der Anführer der Gefangenenclique gewesen, sondern habe auch die Mithäftlinge gleicher Herkunft massiv dazu gedrängt, in diesen Fonds einzuzahlen.

Mit Stichwaffen zur "Aussprache" erschienen
Als nun der Gefangene Andreas J. erfuhr, dass F. 1000 Euro für private Zwecke verwendet hatte bzw. verwenden wollte und diesen darauf ansprach, habe sich F. zum Handeln entschlossen und eine Besprechung für die Häftlinge aus den GUS-Staaten in der Zelle des Mitgefangenen S. einberufen. Wie die Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten F. und S. nun vorhält, hätten sie verabredet, den Mithäftling Andreas J. bei dieser Besprechung gemeinsam aus dem Weg zu räumen und zu diesem Zweck Stechwerkzeuge mitgenommen. Dabei habe es sich vermutlich um ein Schnitzmesser und um eine selbstgebastelte Stichwaffe gehandelt. Auch zwei weitere Gefangene, die von dem Vorhaben erfuhren und ihre beiden Mithäftlinge offenbar unterstützen wollten, hätten zu der Besprechung Stichwerkzeuge mitgenommen.

Am Nachmittag des 18. Oktober 2008 hätten sich dann insgesamt 21 Häftlinge (!) aus den GUS-Staaten in einer Zelle zu einer Aussprache getroffen. Der Streit zwischen F. und Andreas J. sei schnell immer lauter geworden und schließlich habe F. seinem Mithäftling S. ein Zeichen gegeben. Als dieser mit seiner Stichwaffe auf Andreas J. losgegangen sei, habe sich der Gefangene Eugen B., der offensichtlich die Absicht des Angreifers erkannt hatte, dazwischen geworfen und S. mehrmals ins Gesicht geschlagen. Doch der 40-jährige S. sei nur kurze Zeit außer Gefecht geblieben. Kaum am Boden, sei er aufgesprungen und habe Eugen B. in die Brust gestochen. Nur weil das Tatwerkzeug vom Brustbein abgerutscht und er schließlich trotz des hohen Blutverlustes rechtzeitig ärztlich versorgt worden sei, habe Eugen B. überlebt.

Stiche in Herz und Lunge führten zum Tod
Der Russlanddeutsche F. habe der Auseinandersetzung nicht tatenlos zugesehen und sich zwischen die beiden geworfen. Andreas J. habe zugleich seinem Mitgefangenen Eugen B. zu Hilfe eilen wollen und schließlich entstand eine Rangelei, bei der zwei weitere ebenfalls angeklagte Mithäftlinge Gefangene, die offenbar die folgende Tat hatten verhindern wollen, festhielten und so am Eingreifen hinderten. Laut Anklageschrift habe dann zunächst der 40-jährige S. an seinem rangelnden Mithäftling F. vorbei Andreas J. seitlich in die Brust gestochen und dann auch noch dem schon schwer verletzten Eugen B. einen Faustschlag auf das rechte Auge versetzt. Unmittelbar danach habe der Angeklagte F. auf Andreas J. eingestochen. Der Verletzte sei rückwärts auf das Bett gefallen, woraufhin F. weiter auf ihn los gegangen sei. Als Andreas J. sich mit den Beinen gewehrt habe, habe ihm F. auch noch einen Stich in den rechten Unterschenkel versetzt. Aufgrund seiner schweren Verletzungen (Lungendurchstich und Verletzung der linken Herzkammer) starb Andreas J. sechs Tage später.

Bevor der Anführer des Gefangenenclans nach der Tat seine Mithäftlinge wieder aus der Zelle entlassen habe, habe er auch noch unmissverständlich und mit dem blutigen Tatwerkzeug herumfuchtelnd erklärt, dass er sich von niemandem tatenlos die Macht aus der Hand nehmen lasse. Seine drei ebenfalls angeklagten Mithäftlinge hätten sich dabei unterstützend mit ihren Waffen neben ihn gestellt. Die beiden Gefangenen, die ihre Landsleute am Eingreifen gehindert hatten, hätten dann noch den lebensgefährlich verletzten Andreas J. in einer Dusche am Ende eines Flurs abgelegt und damit laut Anklageschrift die Notfallbehandlung behindert.

Während sich diese beiden Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord und versuchten Mord nun vor dem Schwurgericht des Landerichts Regensburg verantworten müssen, lautet die Anklage bei dem Anführer des Gefangenenclans, dem 44 jährigen F., auf Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und bei seinem Mittäter, dem 40-jährigen S., auf Mord mit versuchten Mord und Körperverletzung.

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