Straubinger Tagblatt

"Die Sünderin" in Straubing


Das Capitolkino in Straubing inserierte 1951 im Tagblatt den "ungewöhnlichsten Film des Jahres: "Die Sünderin"

Das Capitolkino in Straubing inserierte 1951 im Tagblatt den "ungewöhnlichsten Film des Jahres: "Die Sünderin"

Von Redaktion idowa

Von Hans Vicari
Von Freitag, 9. März 1951, bis Donnerstag, 15. März 1951, erlebte Straubing, unsere schlafend dahindämmernde Kleinstadt, einen regelrechten Aufruhr. Was war geschehen?

Trauben von Menschen standen vor der Kinokasse des "Capitol" und drängelten sich schon vormittags, um noch Karten für den angeblich so verruchten Hildegard Knef-Film "Die Sünderin" zu ergattern. Die Polizei musste ein paarmal für Ordnung sorgen. Zuvor riefen die Prediger von den Kanzeln der katholischen Kirchen in Bayern die Gläubigen dazu auf, diesen Film ja nicht zu besuchen. Sie hielten sich an ein Flugblatt des katholischen Filmdienstes, in dem zu lesen war: "Die Sünderin - ein Faustschlag ins Gesicht jeder anständigen deutschen Frau! Hurerei und Selbstmord! Sollen das die Ideale eines Volkes sein?"

Seit seiner Uraufführung am 18. Januar 1951 war der Film "Die Sünderin" von stürmischen Protesten begleitet. Besonders in Bayern gab es immer wieder Zwischenfälle.

Das "Straubinger Tagblatt" berichtet in seiner Ausgabe vom Freitag, 23. Februar 1951, in der Rubrik "Bayerische Chronik" von Tumulten in unserer Nachbarstadt Regensburg. Dort führten Massendemonstrationen um den Willy-Forst-Film zu einem Aufführungsverbot. Polizisten stürmten das Bavaria-Lichtspieltheater, beschlagnahmten die Filmrollen und sperrten das Theater für drei Tage zu.

Vorausgegangen war eine Aufforderung von den Kanzeln an die katholische Bevölkerung Regensburgs, öffentlich vor dem Rathaus gegen den Film "Die Sünderin" zu protestieren.

Der Regensburger Oberbürgermeister Georg Zitzler beriet sich mit dem bayerischen Innenministerium und verhängte ein Aufführungsverbot, das aber nach drei Tagen wieder mit einer Stimme Mehrheit vom Stadtrat aufgehoben wurde.

Nun strömten die Massen unbehelligt ins Kino und sahen einen von der Kritik als eher künstlerisch belanglos eingestuften Streifen. Auch die Straubinger katholischen Kirchgänger hörten von den Kanzeln die erzürnten Worte ihres Bischofs Michael Buchberger, die er in einem Hirtenbrief anlässlich der Tumulte wegen des Films "Die Sünderin" unter anderem formulierte: "...das ist ein Vorgeschmack auf einen bolschewistischen Angriff, der die christliche Grundordnung zerstören will."

Viele Straubinger warteten trotzdem mit großer Spannung auf den Filmstart in ihrer Stadt und besuchten in Scharen den Skandalstreifen.

Am 9. März war es dann soweit. Das Capitolkino inserierte im Tagblatt den "ungewöhnlichsten Film des Jahres: Die Liebesbeichte eines jungen Mädchens aus unseren Tagen. LASTER und LIEBE, SCHULD und SÜHNE - DIE SÜNDERIN" werktags viermal, samstags und sonntags fünfmal; Jugendverbot; Vorverkauf täglich ab 10 Uhr.

Die damals 25-jährige Hildegard Knef spielt die Hauptrolle (Marina), sie prostituiert sich, bedingt durch Kriegs- und Nachkriegszeit. In einem Café lernt sie den zerlumpten Maler Alexander (Gustav Fröhlich) kennen, verliebt sich in ihn. Der Geliebte ist schwerkrank, wird am Tumor operiert, die Kopfschmerzen vergehen, dauernde Heilung ist jedoch unmöglich. Da die Operation sehr kostspielig ist, geht Marina wieder auf den Strich. Marina will ihren Geliebten nicht leiden sehen und bringt ihn mit Schlaftabletten um. Sie folgt ihm freiwillig in den Tod. In dem Film zeigt sich die Knef für einige Sekunden von der Seite nackt!

Am Mittwoch, dem 14.3.1951, inseriert das Capitol im Tagblatt: "Des Riesenerfolges wegen verlängert; Donnerstag unwiderruflich letzter Tag; der ungewöhnlichste Film des Jahres; DIE SÜNDERIN - Hildegard Knef -Gustav Fröhlich; Achtung! Wir zeigen Originalfassung, ungekürzt; täglich 1.30/3.45/6.15/8.30"

Der ganze aufgeregte Rummel ging bald vorüber. Es kamen weder die Bolschewiken in unser Land, noch wurde die Republik gestürzt. Nur die Kunst wurde ein wenig freier.

(Quellen: Straubinger Tagblatt vom 23.2.1951; 9.3.1951; 14.3.1951 und H. Kratzer in der SZ vom 21.2.2011, S. 45: "Der Filmkrieg".)