"Ich bin nicht der Franz von Assisi"

Der Woid Woife über sein neues Buch

Ein Interview über das Leben mit und für den Wald


Der  Woid Woife  schließt so manche Freundschaft - hier mit einem Auerhahn. Der Bodenmaiser päppelt hin und wieder kranke Tiere auf und entlässt sie in die Freiheit.  Foto: Woid Woife

Der Woid Woife schließt so manche Freundschaft - hier mit einem Auerhahn. Der Bodenmaiser päppelt hin und wieder kranke Tiere auf und entlässt sie in die Freiheit. Foto: Woid Woife

Wolfgang Schreil ist der "Woid Woife". In seiner Jugend hat der heute 43-Jährige nur zwei Freunde: Den Wald und die Tiere. Dann entdeckt er den Kraftsport. Mit 19 Jahren wird er Deutscher Meister im Steinheben, doch er zieht sich aus dem Wettkampfsport zurück. Er bleibt in seiner Heimat, wo er dem geliebten Wald ganz nahe ist. Bis heute lebt er in Bodenmais (Kreis Regen), wo er als Gästeführer arbeitet. Seine Geschichte hat er in seinem neuen Buch aufgeschrieben. Gäuboden aktuell hat sich mit ihm unterhalten.

Gäuboden aktuell: Servus Woife, warum hat der Wald nichts Böses an sich?

Wolfgang Schreil: In der Natur geht es nicht um gut oder böse. Diese Kategorien sind eine Erfindung der Menschen. In der Natur gibt es nur Instinkt, sie ist geradeheraus. Wenn dem Menschen etwas in der Natur passiert, dann aus eigenen Fehlern. Man kann in der Natur normalerweise allen Gefahren mit gesundem Menschenverstand aus dem Weg gehen.

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Auf Bilderjagd im Wald: Auf seiner Facebook-Seite präsentiert der Woid Woife seine Schnappschüsse. Foto: Woid Woife

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Haben wir Menschen verlernt, mit der Natur umzugehen?

Schreil: Mit Sicherheit. Mich überrascht immer wieder die Frage, wie ich das alles mache. Ich denk' mir, das ist eigentlich nichts besonders. Es geht nur darum, aufmerksam zu sein.

Hast Du möglicherweise ein besonderes Talent, mit Tieren umzugehen?

Schreil: Nein, überhaupt nicht. Gut, das würde jetzt meine Frau ganz anders sehen (lacht). Manche können das natürlich besser, manche schlechter. Aber grundsätzlich gilt: Wenn ich nicht vorurteilsfrei an Tiere herangehen kann, dann wird es nichts. Sehen wir heute eine Kreuzotter, denken alle: "Bäh". Dann ist es schon aus. Dir erschließt sich nie das Wunder der Natur, wenn du ein Tier nicht magst, nur weil es seinem Instinkt folgt. Wir sollten Tiere nicht verurteilen, weil sie keine Gnade zeigen. Im Gegenteil: Wir Menschen hätten die Möglichkeit, Erbarmen zu zeigen und tun es nicht.

Du wirst auch der "Tierflüsterer" genannt...

Schreil: Ich mag den Begriff nicht, weil damit viel Schindluder getrieben wird. Ich wehre mich aber mittlerweile nicht mehr dagegen. Menschen erfinden einfach Namen für etwas, was sie nicht verstehen. Ich bin einfach nur nah dran an den Tieren und nicht der Franz von Assisi. Das können andere genauso, man muss sich bloß die Zeit nehmen.

Das ist auch der Eindruck, den man durch das Buch bekommt. Du suchst nicht die Tiere, sondern die Tiere Dich.

Schreil: Ich bin schon so lange und so oft im Wald, dass mich die Tiere mittlerweile kennen und ich sie. Irgendwann vertrauen sie einem und dann kommen sie her. Man muss einfach auf die Signale achten und sich entsprechend verhalten. Das geht aber auch nicht von heute auf morgen.

Du verbringst die meiste Zeit in Deinem Bauwagen im Wald - ohne Wasser und Strom. Wie hält man das aus?

Schreil: Wunderbar hält man das aus (lacht). Gut, ich hab zwar ein kleines Radio, aber ich genieße es meistens, einfach nur auf die Natur zu hören. Ich schalte das Radio aus und will ganz bewusst den Wahnsinn da draußen hinter mir lassen. Bin ich im Bauwagen, bin ich der glücklichste Mensch der Welt.

Du schreibst, dass Dir im Wald nie langweilig wird. Ist der Mensch heutzutage gar nicht mehr fähig, einfach "nichts" zu tun?

Schreil: Auf jeden Fall. Wir haben heute eine ganz verrückte Art, unser Leben zu managen. Alles muss schneller, höher, weiter sein. Die Werbung sagt uns, dass wir immer up-to-date sein müssen. Das macht uns krank. So mancher obergestresste Manager braucht keine psychologische Betreuung oder ein Fünf-Sterne-Hotel. Der soll sich einfach in den Wald setzen und sein Handy ausschalten. In ein paar Tagen ist der so ruhig, dass er gar nicht mehr arbeiten möchte.

In Deinem Buch kritisierst Du die persönliche Eitelkeit des Menschen. Was heißt das genau?

Schreil: Das ist schon ein bisschen Gesellschaftskritik. Aber ich mein' mich da eigentlich selbst. In meiner Bodybuilder-Zeit war ich schon ein richtiger Hirsel. Ich möchte nur sagen: Wir sind nicht ewig da. Wir sollten die Zeit nutzen. Da bleibt kein Platz für Eitelkeiten. Es geht die Welt nicht unter, wenn wir nicht mehr da sind - obwohl wir das immer meinen. Erst wenn wir uns nicht mehr so wichtig nehmen, können wir richtig glücklich werden. Kapieren das ein paar Leser, dann hab ich schon viel erreicht.

Du hattest bereits mehrere Schlaganfälle. Im Buch schreibst Du, dass der Aufenthalt im Wald Dir danach am meisten geholfen hat.

Schreil: Genau. Die Ärzte wollten mich immer auf Reha schicken. Aber nach so langer Zeit im Krankenhaus hab ich einfach den Wald gebraucht. Dort bin ich oft nur ein paar Meter gelaufen. Aber durch den unebenen Waldboden hab ich meine Koordination wieder trainiert. Um zur Sprache zurückzufinden, bin ich im Bauwagen gehockt und hab mir Naturbücher vorgelesen. Und Fernsehen hatte ich auch: Ich hab auch tagelang den Vögeln zugeschaut. Lang kann ich einfach nicht ohne den Wald bleiben. Ich würde regelrecht krank werden, wenn ich länger weg müsste.

Du bist nicht ganz unschuldig daran, dass es am Hochzell bei Bodenmais ein Auerwild-Schutzgebiet gibt. Siehst Du Dich als Vorreiter im Naturschutz?

Schreil: Direkt mit dem Schutzgebiet habe ich eigentlich nichts zu tun. Begonnen hat es, als auf der Hochzell eine Seilbahn gebaut werden sollte. Ich hielt das nicht für richtig und bin von Pontius bis Pilatus gelaufen. Aber mir hat keiner zugehört. Dann bin ich auf die Idee gekommen, dass ich mir eine Kamera kaufe und den Reichtum der Natur dokumentiere. Das habe ich ins Internet gestellt und dann sind immer mehr Leute darauf aufmerksam geworden. Ich habe auch Versammlungen abgehalten, zu denen viele gekommen sind. Aber entscheidend war die Naturschutzbehörde, die einen Fachmann heraufgeschickt hat. Dann wurde das Schutzgebiet eingerichtet. Ich bin in keinem Verein, sondern habe nur mit aller Kraft meine Meinung vertreten.

Du sprichst Deine Fotos an. Du bist zwar als Einsiedler bekannt, aber interessant ist doch, dass Du erst über Deine Fotos in einem sozialen Netzwerk wie Facebook bekannt geworden bist.

Schreil: Ja, ich wollte mit den Bildern andere erreichen und das ist schnell gewachsen. Es macht mir einfach großen Spaß und jetzt habe ich die Reichweite, da was zu bewegen. Das Internet schafft mir auch Freiheit, weil ich den Leuten was zeigen kann, aber nicht sofort antworten muss. Andererseits fragen immer mehr Wildfremde an, ob sie mich im Bauwagen besuchen kommen können. Letztens wollte eine sogar die GPS-Daten haben. Nein, ich will da meine Ruhe haben! Ich will auch mal zwei oder drei Wochen keinen sehen, außer meine Frau. Wenn ich dann Anfragen absage, sind manche regelrecht beleidigt.

Die Fotos, die Du machst, wirken sehr professionell.

Schreil: Ich habe immer noch die gleiche einfache Kamera, die ich früher hatte - ein uraltes Einsteigermodell von Nikon. Das Rezept ist, dass ich einfach ruhig warte und nah dran bin. Große Einstellungen brauche ich da keine, wichtiger ist es den Moment zu treffen. Viel Technik würde da nur stören.

Du willst eigentlich gar nicht den Promi-Status haben. Warum interessieren sich die Leute für so einen wie Dich?

Schreil: Ich bin da überfragt. Ich selber seh' mich nur als dicken bärtigen Eigenbrötler. Aber offensichtlich gibt es ein totales Bedürfnis nach Natur. Komisch ist nur: Jeder könnte das machen, was ich tue. Es ist nicht verboten, in den Wald zu gehen. Mein Leben kostet kein Geld, ich brauche keine Yacht und keinen Flug. Aber keiner macht's, obwohl mich die Leute um mein Leben beneiden. Komischerweise wollen die Leute, dass ihnen ein anderer den Wald zeigt. Aber danach geht wieder jeder in seinen Alltag zurück.

Du gibst Gruppenführungen. Wer kommt zu dir?

Schreil: Vom Straßenkehrer über den Arzt bis zum Wirtschaftsboss waren schon alle da. Ich will den Menschen die Scheu nehmen. Deshalb gibt's auf meinen Führungen nur das Du. Ich seh nur die Menschen und keine Berufsgruppen. Jeder bekommt die gleiche Woid-Woife-Wanderung. Ich will den Leuten die Last nehmen und jedem zeigen: Es könnte so einfach sein, Freude am Leben zu haben.

Aber verstehen Dich die Leute auch, wenn sie nicht aus Bayern sind?

Schreil: Ich rede zum Spaß am Anfang immer so derb Bayrisch, dass mich keiner versteht. Dann schauen erstmal alle. Aber mittlerweile kann ich mich da ganz gut anpassen. Bayrisch eingesprenkelt muss es aber schon sein, sonst wäre ich nicht authentisch.

"Woid Woife - Mein Leben im Wald" ist ab sofort für 20 Euro im Benevento Verlag erhältlich